"Das Patriarchat schläft nicht"
29:46 Minuten
Sie hat einen Doktortitel, ist Linguistin, Feministin, Hip-Hop-Künstlerin und in ihrer Zweitidentität bekannt als Lady Bitch Ray. Im Gespräch auf der Buchmesse erzählt Reyhan Şahin von Rap als ihrem Boxring, krassem Sex-Talk und Diskriminierung im akademischen Betrieb.
Christian Rabhansl: Guten Tag. Ich habe eine Frau eingeladen, die wirklich nicht auf den Mund gefallen ist. Sie verkauft Hip-Hop-Platten und gewinnt wissenschaftliche Forschungspreise. Sie ist die einzige Person, die ich kenne, die es fertigbringt, in einem Satz komplett vulgär und Soziologensprech zu sprechen, die in einem Satz Begriffe wie "Intersektionalität" und "Fotzensekret" vereinen kann.
Bei mir zu Gast ist die Feministin Dr. Reyhan Şahin, auch bekannt als Lady Bitch Ray. – Herzlich willkommen.
Reyhan Şahin: Hallo.
Rabhansl: Ich habe gerade gesagt: "eine Feministin". In Ihrem Buch "Yalla Feminismus" lese ich, Sie seien eine "Undercover-Feministin". Aber alles, was ich über Sie weiß, ist so überhaupt gar nicht undercover, muss ich sagen.
Şahin: In dem ersten Abschnitt, wo Sie das rausgelesen haben, geht’s eher um die Belabelung als Feministin. Ich habe einfach die Beobachtung gemacht, dass diejenigen Frauen, die sich selbstbewusst als Feministin bezeichnen und auch als solche wahrgenommen und hofiert werden, überwiegend weiße Frauen aus der Mittelschicht sind. Und dass die Women of Color und schwarze Frauen oder muslimisch sozialisierten Frauen, kurdische Frauen, die hier seit Jahrzehnten leben, einfach nicht so sichtbar sind in feministischen und queer-feministischen Bewegungen.
Ich wurde ja so vor 15 Jahren mit meiner Musik sichtbar, und obwohl es expliziter Rap war. Also Rap, der sexuell geladene Sprache ausdrückt. Und das war im feministischen Sinne total subversiv. Heutzutage ist es ja total modern, sich als Feministin zu bezeichnen, auch wichtig. Für mich war es das damals überhaupt nicht. Also, es war selbstverständlich, dass ich eine Feministin bin, aber diese Bezeichnung war nicht so wichtig und ist mir heute auch noch nicht so wichtig.
Kämpfe um Anerkennung
Rabhansl: Ich habe beim Lesen Ihres Buches den Eindruck gehabt, dass es die ganze Zeit um diese Labels geht, um ganz verschiedene Labels und um das Kämpfen dagegen. Darum, Anerkennung zu kriegen als Frau, als Feministin. – Ist das Ihr Kernanliegen: die Anerkennung, die verweigert wird?
Şahin: Na ja. Anerkennung zu bekommen ist ja nicht nur als Feministin wichtig, sondern auch überhaupt für den Menschen. Und wenn wir über Bereiche sprechen wie Intersektionalität, wo Sexismus und Rassismus zusammenkommen…
Rabhansl: Also Mehrfachbetroffenheit von Diskriminierung.
Şahin: Genau, Mehrfachdiskriminierung. Aber Intersektionalität ist ja nicht nur Mehrfachdiskriminierung. Intersektionalität bedeutet, dass man diesen gesamten Bereich der nicht-weißen Frau mitberücksichtigen sollte. Das fängt bei islamischen Frauenbewegungen an, bei schwarzen Frauenbewegungen, die die Pionierarbeit eigentlich für Frauenbewegungen geleistet haben, dass man die mitberücksichtigen sollte und dass es halt nicht nur um eine Schicht von Frauen geht.
Rabhansl: Und bei Ihnen kommt da wirklich eine ganze Menge zusammen. Heute arbeiten Sie als Sprachwissenschaftlerin, die ja schon seit zehn Jahren sich mit Begriffen auseinandersetzt. Sie haben auch zur Bedeutung des Kopftuches geforscht. Sie sind Alevitin, Muslimin. Und eben mit diesem Porno-Rap bekannt geworden. Da kommt ja ganz viel zusammen.
Wenn wir mal zurückspringen in Ihre Kindheit: Sie bezeichnen Ihr Elternhaus als ein "streng religiöses". Das passt so gar nicht mit dem restlichen Leben zusammen, auf den ersten Blick. – Wie hat Sie Ihr Elternhaus geprägt?
Şahin: Ich finde wohl, dass es sehr gut zusammenpasst, weil aus diesen familiären patriarchalischen Strukturen und den patriarchalischen Strukturen der Mehrheitsgesellschaft sind wir einfach doppelt und dreifach von bestimmten Diskriminierungsformen oder Rassismen oder Sexismen betroffen. Da heraus habe ich das in Kunst umgewandelt, in Musik, in Rap-Musik, oder auch in Wissenschaft oder literarische Texte, immer eine Ausdrucksform gefunden, wo ich meine Wut, meine Unzufriedenheit auf irgendeine Art und Weise ausdrücken und verarbeiten konnte.
Feministische Rebellion im Karneval
Rabhansl: Und das ja schon sehr früh und auf krasse Weise. Wie sind Sie nochmal als Neunjährige wie zum Schulkarneval gegangen?
Şahin: Als Nutte.
Rabhansl: Als Nutte aus einem streng religiösen Elternhaus?
Şahin: Genau. Ich war als Achtjährige erstmal als Punkerin gegangen. Damals war das so mit Radler-Hose, darunter irgendwie zerfledderte Perlon-Strumpfhosen, ganz viel Schmuck, Sicherheitsnadeln und ein Neon-Top. Und ein Jahr später habe ich mir überlegt, nee, Punkerin passt nicht. Ich will als Nutte gehen.
Rabhansl: Und was sagten da Ihre streng religiösen Eltern?
Şahin: Meine Eltern haben das gar nicht mitbekommen. Aber ich fand es interessant, was meine Schulkameraden und -kameradinnen dazu gesagt haben. Denn die haben gestaunt. Und meine Freundin zieht mich heute noch damit auf, indem sie sagt: "Weißt du noch, wo du als Nutte gekommen bist zum Fasching? Und wir alle waren irgendwie Prinzessinnen, Polizistinnen. Und du kommt da als Nutte und hattest auf deinen pinken Pumps mit Tackern so auf Zetteln "Nutte, Schlampe, Slut" drauf geschrieben.
Rabhansl: Wussten Sie, was das heißt?
Şahin: Na klar wusste ich, was das heißt. Aber ich wusste nicht, dass es die Riot-Girl-Bewegung gab. Und ich wusste nicht, dass es Jahre später eine radikal feministische Ausdrucksform war. Und ich finde es interessant – deshalb beschreibe ich das auch im Buch – dass ich schon sehr früh angefangen habe zu rebellieren.
Rabhansl: Und gleichzeitig, obwohl Sie als "Nutte" zum Schulfasching gehen…
Şahin: Sie sprechen das gerne aus?
Rabhansl: Ja, natürlich.
Şahin: Dürfen Sie nicht.
Rabhansl: Tun Sie aber auch sehr oft.
Şahin: Sie dürfen das nicht.
Rabhansl: Ich darf das nicht? Trotzdem: Obwohl Sie als "Nutte" zum Schulkarneval gegangen sind, schreiben Sie auch, dass Sie schon als kleines Mädchen wussten, Sie wollten niemals für einen Mann und sein Aussehen kreischend in Ohnmacht fallen.
Es ging um sexuelle Freiheit
Şahin: Genau. Also, es hat ja auch nicht direkt was mit einer Nutte zu tun. Oder meinten Sie jetzt wegen Sexarbeiterin?
Rabhansl: Ja.
Şahin: Nee. Also, es ging gar nicht um Sexarbeiterinnen, sondern ich habe das wirklich auf das sexuelle "Nutte-Sein" reduziert, also, mit vielen Männern und Frauen schlafen, mit wem man möchte. Also, sexuell frei sein, darum ging es. Ich habe gar nicht so die Sexarbeiterinnen im Kopf gehabt.
Rabhansl: Dieses feministische Freisein zieht sich dann ja auch weiter, wenn Sie dann großer Hip-Hop-Fan werden und mit dem Deutschrap aber gleichzeitig sehr fremdeln. Und dann später rebellieren gegen die Art des Deutschrap, die damals üblich war und, ich glaube bei Ihnen zu lesen, bis heute eigentlich üblich ist: in einer sehr frauenfeindlichen Art. Dagegen haben Sie dann rebelliert – mit Sexualität.
Sie beschreiben den Deutschrap, "als müsste man zwischen nackten Hetero-Männern herumlaufen, die mit ihren Genitalien wedeln". Sie formulieren das nochmal ein bisschen drastischer.
Şahin: Ja, aber ist ja so eigentlich. Wir schieben ja ganz gerne diese Sexismen und patriarchalischen Strukturen immer wieder auf den Deutschrap, insbesondere weil der Deutschrap so in den letzten zehn Jahren nochmal migrantisiert wurde und ganz viele Rapper Migrationshintergrund haben, überwiegend Rapper natürlich, Männer. Aber sexistische Strukturen haben wir überall. Wir leben in einem Patriarchat und gewisse Bereiche, wo ich tätig bin, wie zum Beispiel der Hochschulbetrieb, sind nicht nur hochgradig hierarchisch, sondern patriarchalisch, sexistisch – bis hin zu rassistisch.
Die Deutschrap-Szene als Boxring zum Austoben
Rabhansl: Zu diesem Wissenschaftsbetrieb kommen wir noch.
Şahin: Genau. Und die Deutschrap-Szene war für mich immer wieder eine Übungsplattform, der Boxring, wo ich mich austoben konnte, aber wo ich meine Wut und meine Konfrontationslust in anderen Bereichen immer wieder anwenden musste. Wie gesagt: Das Patriarchat schläft nicht.
Rabhansl: Aber da ist das Patriarchat schon besonders mächtig, hatte ich den Eindruck. Was haben Sie da erlebt?
Şahin: Wo jetzt?
Rabhansl: Im Deutschrap.
Şahin: Ich habe einiges erlebt, nicht nur im Deutschrap.
Rabhansl: Bleiben wir erstmal da.
Şahin: Das fing mit Slut-Shaming an. Als ich angefangen habe als Lady Bitch Ray, als ich berühmt geworden bin, da hat man die Rapperin Lady Bitch Ray 1:1 gemessen an ihrer vulgären oder offensiven Art von Sexualität. Es ging um die Sexualität der Frau. Und es ging um ganz viele Fremdzuschreibungen von außen, also rassistische Fremdzuschreibungen von außen, die so in die Richtung gingen: "Eh, was sagen eigentlich deine Eltern dazu", was Sie vorhin auch gefragt haben, also immer wieder dieses Zuschieben, "ah, das ist eine Türkin, das ist eine Muslimin. Die darf ja so was eigentlich gar nicht machen." Das sind diese Shitstorms, irgendwie niedermachen, wenn man Leute sieht. Natürlich nicht vis-à-vis, da haben die meisten Schiss vor mir – Gott sei Dank, aber immer wieder so hintenrum dieses: "Ah, das ist doch die und die", also dieses Stigma, dieses Sex-Stigma, das an einem haftet, wenn man als Frau sexuell geladene Kunst macht – oder diese sexuell geladene Sprache, ich nenne es Sex-Talk, oder Female-Sex-Speach – an den Tag legt. Das ist tabu. Das ist stigmatisiert.
Rabhansl: Sie haben es jetzt gerade beschrieben als einen Reflex der Mehrheitsgesellschaft, der auch was Rassistisches hat. In Ihrem Buch beschreiben Sie aber auch sehr klar, dass das auch von Muslimen, von Deutsch-Türken kommt. – "Du bist eine Schande für unser Volk."
Şahin: Genau.
Morddrohungen aus der Mehrheitsgesellschaft
Rabhansl: Gleichzeitig aber verbunden mit einem Sex-Angebot.
Şahin: Auch und gleichzeitig verbunden mit einer euphorischen Faszination, weil ich auch für viele ein Vorbild bin. Aber ich werde immer wieder damit konfrontiert, und das war damals in Talkshows auch immer die Frage Nummer Eins. Also nach der Frage, was deine Eltern dazu sagen, wo ich immer gesagt habe, "nichts mehr, ich bin erwachsen". Dann kam die Frage: "Sie haben bestimmt ganz viel Ärger mit den strenggläubigen Muslimen." – Nein.
Okay, ich habe drei Morddrohungen bekommen. Da war vielleicht eine von migrantischer Seite. Aber die meisten Probleme habe ich mit der deutschen Mehrheitsgesellschaft, denn, ich bin Deutsche und ich lebe hier. Und wir sollen uns nicht einbilden, dass Deutschland ein sexismusfreier und rassismusfreier Ort ist, wo sich Frauen frei bewegen können, frei Kunst machen können, gleichzeitig Wissenschaft machen können und anerkannt werden. Das ist ja nicht so.
Rabhansl: Da ist wieder die fehlende Anerkennung.
Şahin: Genau.
Rabhansl: Für diesen Satz bekommen Sie hier an der Bühne gerade Applaus. Ich finde ganz bemerkenswert, wenn Sie beschreiben, dass diese Drohungen, diese Belästigungen, aber auch diese Sexangebote Sie bis in die Uni verfolgen. Sie arbeiten längst an der Universität. Und da kommen selbst an die allgemeine Fakultätsadresse, man muss es so deutlich sagen, Schwanzbilder.
Şahin: Ja. Die Schwanzbilder kommen eher an meine Adresse, nicht an die Fakultätsadresse. Aber auch Diffamierungs-E-Mails, "exmatrikuliert sie, wie kann so eine Person an einer deutschen Universität lernen?" Bei Frauen kommen dann so Sachen, wie: "Die hat sich bestimmt hoch geschlafen." Bis hin zu akuten Streitereien zwischen Professoren, wenn mich der eine Professor oder der andere Professor gar nicht haben wollte in dieser Institution, weil er einfach in seinem Weltbild nicht damit klarkommt, dass ich halt auch Rapperin war oder bin.
Kann man zugleich Wissenschaftler und Jazz-Musiker sein?
Rabhansl: Erwarten Sie, dass getrennt wird zwischen Ihrer Kunst und dann Ihrem Dasein als Wissenschaftlerin?
Şahin: Nein, überhaupt nicht. Ich erwarte, dass diese Anerkennung, die bei Männern selbstverständlich ist, auch für Frauen gültig ist – und vor allem für Women of Color. Ich meine, darum geht’s doch. Ich kenne zig Männer, okay, die machen jetzt nicht unbedingt Rap und Wissenschaft, aber die schreiben Romane oder sind noch Jazz-Musiker. Das ist dann kein Problem. Also, ich verstehe das nicht.
Rabhansl: Wenn wir noch einen letzten Augenblick bei der Deutschrap-Szene bleiben, dann ist ein Problem, das Sie beschreiben, ja auch, wie sexistisch die Texte dort sind. Welche Rollen den Frauen dort überhaupt zugestanden werden in dem Gedankengut, das in Rap-Songs verbreitet wird.
Und dann kommt als häufige Ausrede: "Na ja, du musst unterscheiden zwischen mir und meiner Kunstfigur." Überhaupt: "Das ist Kunst." Oder es ist "Entertainment".
Şahin: Genau. Ich nenne das so die "lyrische Ich-Schizophrenie" oder "lyrisches Ich-Paradoxon".
Rabhansl: Aber ist da nichts dran?
Şahin: Na klar, da ist was dran. Da geht’s einfach darum, dass bei männlichen Rappern, die einerseits, wenn es um ihr Gangster-Image geht, das überhaupt nicht trennen und sagen: "Ey, alles, was ich rappe, ist real. Das, was ich sage, lebe ich auch so." Aber dann, wenn es Sexismuskritik gibt an Songtexten, dann sagen sie: "Hey, das ist nur meine Rolle als Gangsterrapper. Privat bin ich eigentlich ganz anders. Ich habe auch eine Freundin und ich bin eigentlich ganz nett." – Das beschreibe ich unter anderem, oder das hip-hop‘sche Stockholm-Syndrom von Frauen, die im Hip-Hop aktiv sind und einerseits diese Musikkultur lieben mit allem, was dazu gehört, andererseits das hochproblematisch ist und ihre Rolle halt immer wieder hinterfragen müssen, weil es nicht nur patriarchalisch ist, sondern auch sexistisch.
Hassliebe zum Hip-Hop
Rabhansl: Das Stockholm-Syndrom ist, wenn Entführte anfangen, ihren Entführer zu verehren.
Şahin: Genau. Dann entsteht so eine Hassliebe. Und da muss man die Balance finden. Das sind zwei Teile, die ich im Kapitel über Hip-Hop, wo es ja auch überwiegend um Hip-Hop-Feminismus geht, beschreibe.
Rabhansl: Das wirkt ja als erstes, Hip-Hop-Feminismus, ein bisschen wie ein Paradox. Ist es aber gar nicht.
Şahin: Ist es aber gar nicht. Ich meine, Hip-Hop-Feminismus hat Tradition. In den USA ist es in der schwarzen Hip-Hop-Bewegung gang und gäbe. Da ist es auch normal, dass Hip-Hop-Feministinnen wie Joan Morgan mit Rappern diskutieren und auch diskutieren können. In Deutschland ist das ja nicht mal möglich, einen Rapper für irgendwas zu kritisieren.
Rabhansl: Also ist das eher ein deutsches Problem?
Şahin: Ich glaube, es ist schon ein deutsches Problem, aber auch ein Kommerzialisierungsproblem. Weil Rapper und Musiker*innen mittlerweile so unabhängig sind, was einerseits gut ist, andererseits gibt es in der Deutschrap-Szene keine kritische Instanz, die mal bei gewissen Rappern Tacheles sprechend bestimmte Dinge hinterfragen kann. In Interviews zum Beispiel, weil, die brauchen die Leute.
Rabhansl: Woran liegt das?
Şahin: Am Geldverdienen liegt das. Diese Rapper haben mittlerweile so viel Erfolg, dass die nicht mal Interviews brauchen bei Hip-Hop-Medien. Also, die können darauf verzichten.
Rabhansl: Und den Fans ist das herzlich egal?
Şahin: Ja, die hören die Musik, die konsumieren die Musik und dann haben sie bestimmte Interview-Foren, wo sie ihre Lieblingsrapper begutachten können. Die werden ja auch hofiert, kommen ja auch in öffentlich-rechtlichen Sendern vor. Was meinen Sie, wie oft ich zensiert wurde, bis dato zensiert werde und nicht in öffentlich-rechtlich Sendern eingeladen wurde, weil Leute Angst hatten, dass ich irgendwie über Sex spreche oder was direkt ausspreche. Also, ich verstehe das nicht.
Rabhansl: Jetzt sind Sie hier im Deutschlandfunk Kultur.
Şahin: Ja, danke. Vor zehn Jahren hätten Sie bestimmt auch Angst bekommen.
Comeback nach zehn Jahren
Rabhansl: Zehn Jahre lang haben Sie jetzt vor allem Wissenschaft betrieben und letztes Jahr dann doch wieder, glaube ich, zwei Singles rausgebracht.
Şahin: Genau.
Rabhansl: Würden Sie sagen, dass sich in diesen zehn Jahren die Situation im Deutschrap verbessert hat?
Şahin: Ich bin seit zwölf Jahren in der Wissenschaft. Deutschrap hat sich total verändert – einerseits zum Guten, weil es einfach ein neues Subgenre gibt, wie die Trap-Bewegung. Da sind auch junge Leute dabei, die wissen, was Rassismus und Sexismus ist. Mit denen kann man ganz anders nochmal sprechen. Die Old-School-Rapper sind viel zu alt. Das ist wie bei alten weißen Männern – Hopfen und Malz verloren. Denen kann man auch teilweise nichts mehr erklären.
Aber dieser jungen Bewegung, das sind wieder Menschen, denen es um Kunst und Musik geht, die politische Haltungen haben und mit denen ich auch sprechen kann. Das ist die gute Entwicklung. Auch, dass Künstler*innen, Rapper*innen im finanziellen Sinne unabhängiger sind als vor zehn Jahren, ist auch eine gute Entwicklung. Sie sind nicht mehr abhängig von Plattenfirmen. Früher hat man ja Demo-Tapes verschickt und gewartet, dass man irgendwie Antwort bekommt. Heutzutage kann man das alles über Social Media verbreiten, ins Netz stellen und erfolgreich werden.
Rabhansl: Aber insbesondere für Frauen?
Şahin: Auch. Das hat auch Vorteile für Frauen. Jetzt komme ich zum Nachteil, was eine negative Entwicklung ist.
Beispiel: Ich hatte ja damals als Lady Bitch Ray diesen Begriff der Bitch, der ja schon in den 90er Jahren der schwarzen Frauenbewegung, insbesondere der US-Hip-Hop-Female-Bewegung positiv reclaimed wurde, in den Deutschrap eingeführt.
Rabhansl: Stichwort Selbstermächtigung.
Şahin: Genau. Also auch so: "Ihr nennt uns Bitch. Wir zeigen euch jetzt, wer die Bitch ist." Denn es ging um selbstbestimmte Sexualität. Und wenn ich das jetzt rückblickend beobachte, wie allein dieser Begriff sich entwickelt hat, ist es total rückschrittlich. Also, die Bitch ist im Deutschrap wieder gleichgesetzt mit einer Schlampe in dem Sinne, dass weibliche Sexualität, Sexualität von Frauen negativ bewertet wird.
Rabhansl: Also, die Anerkennung fehlt immer noch.
Wenn Frauen das Patriarchat stützen
Şahin: Genau. Und mittlerweile ist es so, dass die wenigen Rapperinnen auch diese patriarchalischen Strukturen unterstützen, weil sie auch von diesen Strukturen abhängig sind. Weil, wenn man im Deutschrap aktiv sein möchte, ist man ja abhängig von Männern. Das fängt beim Beat-Macher an, Manager, Vertriebe, das sind ja alles Männer. Man ist automatisch abhängig.
Rabhansl: Haben Sie noch genügend Stockholm-Syndrom, um das zu ertragen oder ist dann langsam mal gut?
Şahin: Ach, ich habe mittlerweile gut Übung damit. Ich habe ja auch ein gewisses Standing. Das ist jetzt nicht das Problem. Aber für mich war wichtig, diese Sachen nochmal aufzuschreiben und einen Eindruck zu vermitteln, über was für Szenen wir sprechen.
Aber es geht in dem Buch ja Gott sei Dank nicht nur um Hip-Hop und Feminismus.
Rabhansl: Das ist so. Sie sind dann vor allem in die Wissenschaft gewechselt. Der Wissenschaftsbetrieb hat sich aber, Sie haben das vorhin schon mal angedeutet, nicht als das liberale gleichberechtigte Paradies entpuppt, für das man es wahrscheinlich auch gar nicht…
Şahin: Das war witzig! Ich kam ja aus der Rap-Szene und dachte so: Ich möchte jetzt meine Doktorarbeit fertig schreiben und ich möchte mich einerseits dadurch erden und mich besinnen. Und andererseits dachte ich: Oh geil, endlich habe ich mit klugen Menschen zu tun, die mich verstehen und wo es halt nicht so sexistisch abgeht. – Und ich habe mich total geirrt, weil, die richtig verrückten sexistischen Platzhirsche sind ja in der Wissenschaft. Also, ich finde, im deutschen Wissenschaftsbetrieb sind die verrücktesten Menschen, die es gibt in diesem Sinne.
Rabhansl: Verrückt ist ja erstmal nicht schlecht.
Şahin: Nein, nicht im positiven Sinne, nicht im künstlerischen Sinne. Die sind verrückt. Also, das sind so die verkrachten Existenzen und Profilneurotiker, überwiegend Männer, die es irgendwo in einem anderen Bereich nicht geschafft haben und da nach Anerkennung lechzen.
Und es fing halt damit an: Dass ich es von Vornherein nicht einfach habe – hat man ja als Frau eh nicht in der Wissenschaft –, dann mit meinem Hintergrund und vor allem insbesondere mit meiner Zweitidentität als Lady Bitch Ray. Das war ein Problem.
Platzhirschtum in der Wissenschaft
Rabhansl: Wann haben Sie das gemerkt?
Şahin: Ich habe es sofort gemerkt. Am Anfang dachte ich: Okay, es geht um Qualifikation. Es geht um Kompetenzen. Aber es ging nicht um Kompetenzen. Es geht einfach um Stigmatisierung. Es geht um Platzhirschtum. Und um was es auch geht, ganz wichtig: Es geht um Fame. Es geht um Bekanntsein. Das heißt, viele der alten weißen Männer im Hochschulbetrieb waren darauf neidisch, dass ich schon einen Namen hatte. Und wenn ich was geschrieben habe, Artikel, dass das sofort gelesen wurde von viel mehr Menschen, als wenn sie was schreiben würden. Da fing das an. Wir haben uns gebattlet.
Rabhansl: Sie haben sich gebattlet. Und Sie battlen auch in Ihrem Buch weiter. Ich zitiere mal einen Satz: "Was beim Rap fette Luxuskarren und twerkende Bitches als Schwanzverlängerungen der Rapper sind, sind in der Fuckademia wissenschaftliche Mitarbeiter*innen und die Veröffentlichungen der Alten-weißen-Mann-Profs..." – der Satz geht dann noch weiter.
Wie hat denn so eine Hochschule reagiert, wenn Sie solche Sätze sagen?
Şahin: Die hat noch gar nicht reagiert. Was wollen sie tun? Ich glaube, die haben es schon aufgegeben. Die haben Angst, dass, wenn sie mich mit irgendwas konfrontieren, dass das in die Öffentlichkeit gelangt, denn ich werde ja nicht ruhig sein. Aber – und genau das ist der Punkt – ich spreche ja in dem Punkt auch von der "leisen Diskriminierung", die im Hochschulbetrieb gang und gäbe ist. Da wird nicht öffentlich diskriminiert. Das passiert latent.
Rabhansl: Erzählen Sie ein Beispiel.
Şahin: Es fängt damit an zum Beispiel: Ihr Vertrag wird einfach nicht verlängert. Das ist übrigens auch typisch deutsch. Wenn ein Konflikt da ist, nicht konfrontieren, nicht die Meinung sagen, sondern hintenrum einfach den Vertrag nicht verlängern.
Rabhansl: Das geht aber sehr vielen im Wissenschaftsbetrieb so.
Şahin: Sicherlich. Ich muss dazu fairerweise sagen, der Wissenschaftsbetrieb ist ja grundsätzlich patriarchalisch. Das heißt, es ist für alle Menschen erstmal schwer, auch für Männer. Das ist einfach so. Es gibt sehr wenig Stellen, noch weniger Professuren. Es ist für alle erstmal hart.
Wenn schwarze Frauen die Diversity beweisen sollen
Rabhansl: Im Jahr 2019 würden Ihnen weiße Männer Mitte 40, die versuchen, eine Professur zu kriegen, wahrscheinlich sagen: "Ich kriege jetzt gar keine mehr. Der Zug ist abgefahren."
Şahin: Ja. Aber wahrscheinlich haben die schon ihre Stellen. Und dann sind die auch noch trotzdem neidisch auf mich, weil die denken: "Oh, die kann irgendwie so unkonventionell sein, was ich eigentlich die ganze Zeit sein wollte."
Aber was auch so ein Merkmal des deutschen Hochschulbetriebs ist, ist: Es gibt in gewissen Fakultäten auch eine Frauenquote, Gott sei Dank, sonst wären die nirgendwo. Aber Quote und Diversität im deutschen Hochschulbetrieb bedeutet, weiße Frauen einzustellen. Und wenn dann Frauen mit Migrationshintergrund eingestellt werden, sind es meistens Tokens, also Frauen, die entweder für die Quote herhalten müssen: "guck mal, wir haben noch eine Frau, die Interkulturalität macht", oder eine schwarze Frau: "ach, guck mal, wir wissen, was Diversität ist, wir haben eine schwarze Frau". Also diese typische Tokenisierung. Ja.
Und das ist die Grenze. Und irgendwelche anderen Menschen, kritische Menschen, die bleiben außen vor. Es ist eine harte Szene. Da ist man einfach nicht drin.
Rabhansl: Sie schildern eine Situation in dem Buch, dass Sie sich mit einer Professorin an einer anderen Uni über ein Forschungsprojekt unterhalten wollen und dann von der fast einen Job kriegen. Was passiert da?
Şahin: Genau. Sie hat mir einen Job angeboten. Ich hatte sie gar nicht nach einer Stelle gefragt. Das war kurz nach meiner Promotion. Und wir hatten uns total gut über Forschungsthemen unterhalten. Danach hat sie mich angerufen und diese Stelle wieder zurückgenommen. "Sie haben mir gar nicht gesagt, dass Sie Musik machen." – Warum auch, wir haben doch über ein anderes Thema gesprochen. Und das Thema war unter anderem auch Feminismus. Und dann habe ich gesagt: "Wir haben doch noch über Feminismus gesprochen. Sie sind selbst eine Frau. Sie wissen doch, wie hart das ist. Und ich habe es halt nicht einfach. Wieso nehmen Sie mir die Stelle wieder weg, die Sie mir eigentlich vor zwei Tagen zugesprochen hatten." – "Ja, es tut mir leid." Da wird ja auch nicht mehr argumentiert, sondern dann haben wir irgendwann aufgelegt.
Aber das spiegelt eigentlich genau die Situation wider, die im Hochschulbetrieb normal ist. Das Schlimme ist auch, dass es halt so wenig Menschen nach außen tragen, die betroffenen Frauen oftmals einfach die ganze Situation meiden, sexuelle Übergriffe untergehen, weil der Prof einfach so mächtig ist und niemand sich traut, diesem Prof was zu sagen.
Rabhansl: Ich hatte den Eindruck, dass Sie in sehr vielen Bereichen kritisieren, dass die Anerkennung, die Sie da feministisch erkämpfen wollen, auch deswegen nicht zustande kommt, weil es nicht ausreichend Solidarität unter Frauen gibt.
Şahin: Das ist auch ein Problem. Ich meine, die Schuld jetzt einfach nur den Frauen zuzuschieben, ist nicht fair, weil, wir leben – wie gesagt – in patriarchalischen Strukturen. Das hat ein System. Das wird überwiegend von Männern getragen, aber auch von einigen Frauen. Ich weiß nicht, wie es in anderen Bereichen ist. Aber wir wissen, dass in Bereichen, in denen Frauen eine Rarität sind und dann auch mal eine Stelle bekommen als Professorin, dass das nicht gerade Frauen sind, die andere Frauen fördern und Feministinnen sind. Die kommen total selten vor.
Rabhansl: Das zieht sich als Thema durch: Sie beschreiben das an der Uni. Sie beschreiben das aber auch im Hip-Hop: Sie haben die Deutschrapperinnen genannt, die dann selber sexistische Texte rappen.
Şahin: Oder patriarchalische Strukturen unterstützen, genau.
Solidarität und Salonfeminismus
Rabhansl: Ich hatte auch den Eindruck, dass Sie das auch unter Feministinnen gegenseitig kritisieren. Sie gehen ja sehr hart ins Gericht mit sehr vielen Feministinnen, die die Generationen vor Ihnen sind – Alice Schwarzer und ähnliche, denen Sie vorwerfen, die würden einen rein weiß-deutschen Blick auf alles werfen. Mit denen wollen sie auch nichts zu tun haben. Da sind Sie dann wiederum auch nicht bereit, Solidarität zu üben?
Şahin: Doch. Ich bin auf jeden Fall bereit für Dialog. Aber ich bin auch bereit für Streit. Seitdem Feminismus wieder en vogue geworden ist durch die MeToo-Bewegung oder andere Entwicklungen, nenne ich das: "weißer, aalglatter, weiß gespülter Salonfeminismus". Einerseits sind Probleme da. Andererseits ist jeder harmoniebedürftig und will sich sofort mit Leuten solidarisieren. Aber ich kann auch mit Menschen befreundet sein und sie trotzdem politisch kritisieren. Das ist das eine.
Das andere: zur Bewegung weißer Feministinnen der zweiten Welle der Frauenbewegung. Die haben, wenn wir die Beispiele Islam nehmen oder das muslimische Kopftuch, einen sehr einseitigen Diskurs gefahren – und das nicht nur ein paar Jahre, sondern jahrzehntelang. Beim Kopftuch und beim Islam haben sie das so lange betrieben, bis das Image des Kopftuchs nur noch von Unterdrückung geprägt ist. Das finde ich ziemlich einseitig und problematisch.
Also, das Kopftuch kann verschiedene Bedeutungsvarianten haben, auch patriarchalische. Die muss man auch benennen. Man muss auch patriarchalische Strukturen in islamischen Communities kritisieren. Man muss auch Islamismus kritisieren, gerade als Feministin. Aber ich finde es unfair, dass diese "Zweite-Welle-Feministinnen" das immer so dominiert haben, den ganzen Diskurs. Und dass der Bereich der Intersektionalität, dass andere Frauen, muslimische Frauen, schwarze Frauen, einfach unsichtbar waren.
Und jetzt sind wir in so einer Zeit, wo sich das seit höchstens zehn Jahren neu durchmischt, wo auch andere Frauen sichtbar werden. Aber die kritischen Dialoge fehlen immer noch. Das kritisiere ich.
Ich finde, wenn man sich für feministische oder queer-feministische oder rassismuskritische Themen stark macht, dass man miteinander auch streiten muss und dass man die Menschen, die bestimmte Diskurse fahren und bestimmte Politiken fahren, direkt konfrontieren muss. – Darum geht’s mir.
Es ist kompliziert mit dem Kopftuch
Rabhansl: Sie haben zum Thema Kopftuch einen sehr ausführlichen Teil in dem Buch, was auch daran liegt, dass Sie dazu promoviert haben. Da arbeiten Sie die verschiedensten Bedeutungsebenen heraus, so viele Bedeutungsebenen, dass ich am Schluss eigentlich nur wusste, dass – egal wie ich glaube mir eine Meinung zu bilden – ich ziemlich sicher daneben liege.
Şahin: Das ist der Punkt. Also, man muss halt auch die Diversität des Kopftuchtragens beachten, wie bei vielen Sachen im Leben.
Rabhansl: Sie listen da, glaube ich, wirklich eine ganze Seite lang einfach nur mal Faktoren auf, die man alle zu beachten hat, wenn man über das Kopftuch redet.
Şahin: Ja, weil diese Faktoren jahrzehntelang nicht berücksichtigt wurden und man die ganze Zeit von individuellen Faktoren spricht. Also, da muss man die auch benennen.
Rabhansl: Können Sie eine Handvoll nennen?
Şahin: Ja. Ich meine, wenn wir über das Bedeutungssystem des Kopftuchs reden, dass es einerseits ein religiöses Zeichen ist, ein ursprünglich patriarchalisches Zeichen. Aber es kommt immer auf die Kopftuchträgerin selbst an, auf ihre Weltansichten, politische Einstellung, auf ihr Islamverständnis, wie sie das Kopftuch trägt.
Rabhansl: Und in diesem Bereich teilen Sie aus gegen die weiß-deutschen Feministinnen dieser früheren Generation. Sie teilen aber auch aus gegen junge muslimische Kopftuch tragende Feministinnen, die daraus ein rein privates Zeichen machen und das entpolitisieren wollen. Das gefällt Ihnen auch nicht.
Şahin: Nein. Es geht gar nicht um mein Austeilen oder um meine Meinung. Das sind Fakten. Ich beschreibe die Entwicklung in Deutschland. Das ist einmal diese zweite Welle, diese weiß-deutschen Feministinnen überwiegend, bekannteste Vertreterin ist Frau Alice Schwarzer, die jahrzehntelang einen einseitigen Diskurs gefahren sind, wo sie auch bestimmte Feministinnen mit muslimischem Background als "Kronzeuginnen" tokenisiert haben, um ihre Aussagen zu bestätigen. Das ist die eine Entwicklung.
Die andere ist eigentlich eine positive Entwicklung, dass Intersektionalität sichtbar wird, junge Feministinnen Queerness und Intersektionalität sichtbar machen und sagen: "Hey, es gibt auch muslimische Frauen. Es gibt schwarze Frauen." Wir brauchen einen Feminismus, wo alle Frauen und queere Menschen berücksichtigt werden.
In diesem Kontext wurde das Thema islamischer Feminismus auch laut. Wenn das draufsteht, muss islamischer oder muslimischer Feminismus auch drin sein. Da sah ich in den neuen Entwicklungen Defizite, weil Frauen mit Kopftuch sich Feministinnen genannt haben, aber andererseits patriarchalische oder islamistische Strukturen gestärkt haben. Und das kritisiere ich und das gehört auch zum muslimischen oder islamischen Feminismus.
Ich wollte einfach klarstellen, was islamischer Feminismus ist und wie man das in dieser intersektionellen Ebene einbeziehen kann.
Rabhansl: Und wir merken, dass Sie da als Wissenschaftlerin gearbeitet haben. Jetzt haben Sie gerade schon viel mehr wieder wie eine Wissenschaftlerin geklungen.
Şahin: Sagen Sie bloß nicht, Sie haben nichts verstanden.
Der steinige Weg der Nichtanpassung
Rabhansl: Doch. Ich habe ja auch das Buch gelesen.
Auch da scheint es mir wieder um Anerkennung zu gehen. Wenn wir damit unser Gespräch vielleicht abbinden: Ich habe Sie am Anfang gefragt, ob es um Anerkennung geht – im Hip-Hop, in der Wissenschaft, vielleicht auch durch Kopftuchtragen oder durch Kopftuchablegen.
Sie selber schreiben am Ende den Satz: "Ich werde mich nie anpassen." – Das ist ja ein ziemlich steiniger Weg. Ist das trotzdem auch so Ihr Ratschlag an junge Frauen, die nicht die Anerkennung kriegen, die sie haben wollen – Nichtanpassung?
Şahin: Ich glaube, wo ich das geschrieben habe, an der Stelle geht’s um den Hochschulbetrieb. Genau. Ich werde mich diesen Strukturen nie anpassen.
Rabhansl: Ich habe aber den Eindruck, diesen Satz könnten Sie generell sagen, oder?
Şahin: Ja, ja, ich passe mich selten gerne an.
Rabhansl: Wäre das so ein Ratschlag, den Sie geben, auch wenn es so ein steiniger Weg ist?
Şahin: Ja. Es kommt immer auch auf die Widerstandskraft an, wie viel man an Widerstand ertragen kann. Ich finde, das ist ein sehr steiniger Weg. Und man braucht viel Kraft. Aber wenn ich Menschen und vor allem jungen Frauen was raten kann, sage ich: Such dir die Kämpfe aus, zum einen. Zum anderen: Höre auf dein Bauchgefühl und passe dich nicht diesen Strukturen an. – Das sage ich insbesondere in diesen Hochschulstrukturen.
Rabhansl: Das sagt Reyhan Şahin, auch bekannt als Lady Bitch Ray, Undercover-Feministin, wie sie sich nennt, Hip-Hop-Künstlerin, Sprachwissenschaftlerin und Autorin des Buches "Yalla, Feminismus". Vielen Dank.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.