Revolution der Ermittlungstechniken

Der Tatort
Der Tatort © Stock.XCHNG / Nate Nolting
Rezensiert von Christine Westerhaus |
Den Kriminalbeamten stehen zur Aufklärung von Straftaten heutzutage eine ganze Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung. Im Primus Verlag ist nun ein Buch über die Geschichte der Kriminalistik erschienen: "Dem Täter auf der Spur" heißt es. Der Autor Peter Becker beschreibt darin anhand von vielen Fallbeispielen, wie neue Untersuchungsmethoden die Ermittlungen der Polizei in den vergangenen Jahrhunderten revolutionierten.
Der Fall des Rudolph Moshammer war nicht nur deshalb spektakulär, weil der Modezar zu den schillerndsten Persönlichkeiten der Münchner Schickeria zählte. Der Mord konnte auch durch den so genannten genetischen Fingerabdruck in weniger als zwei Tagen aufgeklärt werden. Eine DNA-Analyse von Gewebeproben am Tatort hat einen irakischen Aushilfskoch als Täter identifiziert. Er hatte ein Jahr vorher eine freiwillige Speichelprobe abgegeben, die noch in der Datenbank des BKA gespeichert war und ihm beim Vergleich mit den Spuren am Tatort zum Verhängnis wurde.

Dieser in dem Buch von Peter Becker geschilderte Fall zeigt, dass die Ermittlungen heutzutage wesentlich fortgeschrittener sind als früher. Noch im 19. Jahrhundert gab es kaum Möglichkeiten, Spuren am Tatort zu überprüfen. Die Fotografie wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt, Fingerabdrücke als Beweismaterial gab es auch erst seit Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Auch nach Einführung dieser Techniken waren die Ermittlungen äußerst schwierig, da die Karteikästen mit den archivierten Fingerabdrücken von Hand durchsucht werden mussten. Heute suchen Computer automatisch nach vergleichbaren Beweisen. Sie haben die Ermittlungen der Kriminologen seit Anfang der siebziger Jahre revolutioniert, weil nun auch verschiedene Daten kombiniert werden konnten.

Erst dadurch wurden Rasterfahndungen möglich, die heute zur Identifizierung von Terroristen und zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens eingesetzt werden. Allerdings macht der Autor ebenso klar, dass Rasterfahndungen bisher nur in wenigen Fällen erfolgreich verliefen. Die Kritik von Datenschützern, die die Persönlichkeitsrechte der Bürger sichern wollen, sei daher berechtigt.

Der Autor beschreibt die Entwicklungen der Kriminologie seit dem 18. Jahrhundert sehr gut verständlich. Seine angenehm objektiven und anschaulichen Schilderungen machen das Buch zu einem Lesegenuss. Trotz des nüchtern-sachlichen Stils ist diese Geschichte der Kriminalistik spannend, weil Peter Becker sehr viele Fallgeschichten schildert. Anhand dieser Mordfälle zeigt er geschickt, unter welchen Schwierigkeiten Kriminologen ihre Ermittlungen damals wie heute führen mussten. Gleichzeitig beschreibt er, welche Möglichkeiten den Ermittlern in den vergangenen beiden Jahrhunderten und in der heutigen Zeit zur Verfügung standen.

Der Autor nutzt diese Fallbeispiele auch, um die Kriminalistik in einen kulturhistorischen Kontext einzubetten. Zum Beispiel schildert er den Fall des Massenmörders Peter Kürten, der in den 30er Jahren ganz Düsseldorf in Atem hielt. Anhand dieses Falls zeigt er, dass die zunehmende Anonymität der Großstädte die Ermittlungen im 20. Jahrhundert immer schwieriger machten. Zudem wurden Hinweise aus der Bevölkerung immer wichtiger.

Die Rolle der Öffentlichkeit hat sich im Laufe der Jahrhunderte sehr gewandelt: Im 18. Jahrhundert waren Zeugenaussagen noch fast das einzige Beweismittel für eine Tat, im 19. und 20. Jahrhundert drangen Sachbeweise in den Vordergrund. Allerdings hatten auch im 18. Jahrhundert nicht alle Zeugenaussagen den gleichen Stellenwert: Die Aussagen von gebildeten Menschen wurden höher bewertet als die von normalen Bürgern, Aussagen von Frauen wurde nur wenig Glauben geschenkt.

Der Autor beschreibt zudem das schwierige Verhältnis zwischen Polizei und Öffentlichkeit. Zwar brauchte die Polizei einerseits die Mithilfe von Zeugen - vor allem seit die Mobilität der Täter im 19. und 20. Jahrhundert immer mehr zunahm. Andererseits war es schwierig, die Öffentlichkeit zur Mithilfe zu bewegen. Die Polizei musste feststellen, dass die Medien Verbrechen oft sehr verzerrt darstellten, sich davon aber nicht abbringen ließen. Manchmal suchten Täter auch gezielt die Öffentlichkeit, um sich selbst zu inszenieren. Dieses ambivalente Verhältnis gipfelte in dem Gladbecker Geiseldrama, bei dem die Täter ihre Forderungen an die Polizei über die Medien stellten.

Diese Fälle setzt der Autor geschickt ein, um den Wandel der Kriminologie im Laufe der Jahrhunderte anschaulich zu demonstrieren. Fazit: Ein lesenswertes Buch, das einen guten Überblick über die Geschichte der Kriminalistik gibt.

Peter Becker: Dem Täter auf der Spur
Eine Geschichte der Kriminalistik
Primus Verlag
288 Seiten, 24,90 Euro