Retro auf dem schwarzen Teppich
In San Sebastián an der baskischen Küste findet seit Freitag das 58. Internationale Festival statt. 202 Filme werden insgesamt zu sehen sein, 15 davon stehen im Wettbewerb um die "Concha de Oro", die goldene Muschel.
"Where is Villa?" "Where is Villa?" Ein US-amerikanischer Soldat peitscht einen mexikanischen Landarbeiter. 7000 Soldaten sollen Revolutionsführer Pancho Villa fangen, tot oder lebendig. CHICOGRANDE war ein ungewöhnlicher Eröffnungsfilm, halb Western, halb Revolutionsepos, im Stil lateinamerikanischen Politkinos der 1960er- und 1970er-Jahre.
Sein Film sei ein Gegenentwurf zu den aktuellen Jubelfeiern der mexikanischen Regierung anlässlich von 200 Jahren Unabhängigkeit und 100 Jahren mexikanischer Revolution sagt der 73-jährige Regisseur Felipe Cazals mit leichter Ironie:
"Ich will an etwas erinnern, was Lateinamerika immer wieder erlebt hat: Die USA können einfach nicht begreifen, warum wir ihnen die Wohltaten mit denen sie uns überschütten so schlecht danken. Davon handelt mein Film."
15 Filme stehen im Wettbewerb um die "Concha de Oro" die goldene Muschel. Der rote Teppich ist schwarz dieses Jahr. Ein Designer-Gag, aber auch der Grundton der ersten Filme war durchaus dunkel: Wirkte schon der Eröffnungsfilm wie ein holzschnittartiges Museumsstück politischen Kinos, so lässt sich Gleiches über NEDS, dem neuesten Film des schottischen Regisseur Peter Mullen sagen. Er erzählt vom hoffnungslosen Teufelskreis von Armut Gewalt und Gegengewalt an britischen Schulen der 1970er-Jahre.
Der koreanische Wettbewerbsbeitrag lässt einen brutalen Serienkiller literweise Blut verspritzen und eine spanische Komödie führt in die 1960er-Jahre mit sehr vorhersehbaren komischen Momenten, die auch direkt den 60er-Jahren entstammen könnten – Retro auf dem schwarzen Teppich. Geradezu erfrischend war der viereinhalbstündige Film des 69-jährigen chilenische Filmemacher Raul Ruiz, der in seinen mehr als 120 Filmen immer einen ganz eigenen und provokanten Ausdruck gefunden hat: "Misterios de Lisboa" adaptiert in verschachtelter Erzählstruktur den gleichnamigen portugiesischen Roman aus dem 19. Jahrhundert:
"Der Film zeigt das 19 Jahrhundert in Echtzeit. Menschen laufen, wie sie eben laufen müssen, einen Kutsche fährt durchs Bild, und das sieht man in voller Länge. Menschen steigen Treppen hinauf und hinunter. Es gibt Momente des Schweigens, die nicht dramaturgisch gerechtfertigt sind. Und mit all dem versuche ich den Umgang mit der Zeit im 19 Jahrhundert zu rekonstruieren."
Nach neuen Ausdrucksformen sucht auch eine junge Generation spanischer Filmemacher, von der spanischen Ausgabe der Zeitschrift "Cahieres du Cinema" schon als der "rebellische Frühling des spanischen Films" bezeichnet. Gemeinsam ist ein langsamerer, intensiverer Erzählrhythmus, ein stärkerer Zugang zur Psychologie und das Spiel mit Fiktion und dokumentarischen Elementen.
Charakteristisch ist das Debüt der jungen Regisseurin Elena Trapé im Wettbewerb für den besten Nachwuchsfilm. "Blog" erzählt von einer Gruppe 15-jähriger Mädchen, die einen Geheimbund im Internet gründen mit dem Ziel gleichzeitig schwanger zu werden. Virtuos inszeniert Elena Trapé die Gruppe fast dokumentarisch und greift immer wieder auf die Internetoberfläche als strukturierendes Element zurück:
"Ich wollte im Zuschauer Gefühle wecken, die ein konventioneller Spielfilm nicht hätte wecken können. Ich mag die Arbeit mit pseudodokumentarischen Elementen, aber ich wollte niemals einen Dokumentarfilm machen. 'Blog' ist ein Spielfilm als Dokumentarfilm verkleidet und das weckt ganz andere Emotionen beim Zuschauer. 'Blog' musste einfach auf diese Art gemacht werden!"
Taucht die junge katalanische Regisseurin in die Welt der 15-Jährigen ein, so beschäftigt sich ein anderer Debütfilm mit den letzten Dingen: In der deutsch-schweizerischen Koproduktion "Satte Farben vor Schwarz" erzählt Sophie Heldman die Geschichte eines alten Ehepaares, das sich Liebe bis in den Tod geschworen hat und als der Mann an Krebs erkrankt, die definitive Entscheidung trifft. Für die 37-jährige Regisseurin Sophie Heldman handelt es sich um eine tief romantische Liebesgeschichte, aber auch um ein Porträt der Generation ihrer Eltern und den gesellschaftlichen Umgang mit Alter und Sterben:
"Und da kann man, und so ist das auch für mich immer gewesen, durchaus Kritik anbringen. Man kann das auch anschauen und von einer ganz anderen Ecke kommen und sagen, es ist die Geschichte einer verpassten Emanzipation von einer Frau, es ist die Geschichte von extremen Hedonisten. Man kann das alles sagen und ich würde das immer verstehen als Diskussionsbeitrag um für sich eine Position zu finden, um mit einer existierenden gesellschaftlichen Frage umzugehen."
Der Film lebt von dem subtilen Zusammenspiel der beiden Hauptdarsteller, Senta Berger und Bruno Ganz:
""Die Frau hat ein Bündnis mit diesem Mann, dass sie mit ihm zusammen sterben will. Der Mann muss sowieso sterben, weil er sterbenskrank ist. Für die Frau ist das eine etwas andere Situation und die Fragen, die sie sich sozusagen erhoffen in diesem Umkreis, das entspringt eigentlich erst dem Ende, wenn es darum geht "Was ist mit Sterbehilfe?". Ich bin Schweizer, wir haben in Zürich eine Einrichtung, die heißt "Dignitas". Und da kommen die Leute - und man redet deswegen auch von Sterbetourismus für die Menschen aus Deutschland, weil da die Gesetzeslage anders ist - dahin, um da sterben zu dürfen, weil das da erlaubt ist."
Sein Film sei ein Gegenentwurf zu den aktuellen Jubelfeiern der mexikanischen Regierung anlässlich von 200 Jahren Unabhängigkeit und 100 Jahren mexikanischer Revolution sagt der 73-jährige Regisseur Felipe Cazals mit leichter Ironie:
"Ich will an etwas erinnern, was Lateinamerika immer wieder erlebt hat: Die USA können einfach nicht begreifen, warum wir ihnen die Wohltaten mit denen sie uns überschütten so schlecht danken. Davon handelt mein Film."
15 Filme stehen im Wettbewerb um die "Concha de Oro" die goldene Muschel. Der rote Teppich ist schwarz dieses Jahr. Ein Designer-Gag, aber auch der Grundton der ersten Filme war durchaus dunkel: Wirkte schon der Eröffnungsfilm wie ein holzschnittartiges Museumsstück politischen Kinos, so lässt sich Gleiches über NEDS, dem neuesten Film des schottischen Regisseur Peter Mullen sagen. Er erzählt vom hoffnungslosen Teufelskreis von Armut Gewalt und Gegengewalt an britischen Schulen der 1970er-Jahre.
Der koreanische Wettbewerbsbeitrag lässt einen brutalen Serienkiller literweise Blut verspritzen und eine spanische Komödie führt in die 1960er-Jahre mit sehr vorhersehbaren komischen Momenten, die auch direkt den 60er-Jahren entstammen könnten – Retro auf dem schwarzen Teppich. Geradezu erfrischend war der viereinhalbstündige Film des 69-jährigen chilenische Filmemacher Raul Ruiz, der in seinen mehr als 120 Filmen immer einen ganz eigenen und provokanten Ausdruck gefunden hat: "Misterios de Lisboa" adaptiert in verschachtelter Erzählstruktur den gleichnamigen portugiesischen Roman aus dem 19. Jahrhundert:
"Der Film zeigt das 19 Jahrhundert in Echtzeit. Menschen laufen, wie sie eben laufen müssen, einen Kutsche fährt durchs Bild, und das sieht man in voller Länge. Menschen steigen Treppen hinauf und hinunter. Es gibt Momente des Schweigens, die nicht dramaturgisch gerechtfertigt sind. Und mit all dem versuche ich den Umgang mit der Zeit im 19 Jahrhundert zu rekonstruieren."
Nach neuen Ausdrucksformen sucht auch eine junge Generation spanischer Filmemacher, von der spanischen Ausgabe der Zeitschrift "Cahieres du Cinema" schon als der "rebellische Frühling des spanischen Films" bezeichnet. Gemeinsam ist ein langsamerer, intensiverer Erzählrhythmus, ein stärkerer Zugang zur Psychologie und das Spiel mit Fiktion und dokumentarischen Elementen.
Charakteristisch ist das Debüt der jungen Regisseurin Elena Trapé im Wettbewerb für den besten Nachwuchsfilm. "Blog" erzählt von einer Gruppe 15-jähriger Mädchen, die einen Geheimbund im Internet gründen mit dem Ziel gleichzeitig schwanger zu werden. Virtuos inszeniert Elena Trapé die Gruppe fast dokumentarisch und greift immer wieder auf die Internetoberfläche als strukturierendes Element zurück:
"Ich wollte im Zuschauer Gefühle wecken, die ein konventioneller Spielfilm nicht hätte wecken können. Ich mag die Arbeit mit pseudodokumentarischen Elementen, aber ich wollte niemals einen Dokumentarfilm machen. 'Blog' ist ein Spielfilm als Dokumentarfilm verkleidet und das weckt ganz andere Emotionen beim Zuschauer. 'Blog' musste einfach auf diese Art gemacht werden!"
Taucht die junge katalanische Regisseurin in die Welt der 15-Jährigen ein, so beschäftigt sich ein anderer Debütfilm mit den letzten Dingen: In der deutsch-schweizerischen Koproduktion "Satte Farben vor Schwarz" erzählt Sophie Heldman die Geschichte eines alten Ehepaares, das sich Liebe bis in den Tod geschworen hat und als der Mann an Krebs erkrankt, die definitive Entscheidung trifft. Für die 37-jährige Regisseurin Sophie Heldman handelt es sich um eine tief romantische Liebesgeschichte, aber auch um ein Porträt der Generation ihrer Eltern und den gesellschaftlichen Umgang mit Alter und Sterben:
"Und da kann man, und so ist das auch für mich immer gewesen, durchaus Kritik anbringen. Man kann das auch anschauen und von einer ganz anderen Ecke kommen und sagen, es ist die Geschichte einer verpassten Emanzipation von einer Frau, es ist die Geschichte von extremen Hedonisten. Man kann das alles sagen und ich würde das immer verstehen als Diskussionsbeitrag um für sich eine Position zu finden, um mit einer existierenden gesellschaftlichen Frage umzugehen."
Der Film lebt von dem subtilen Zusammenspiel der beiden Hauptdarsteller, Senta Berger und Bruno Ganz:
""Die Frau hat ein Bündnis mit diesem Mann, dass sie mit ihm zusammen sterben will. Der Mann muss sowieso sterben, weil er sterbenskrank ist. Für die Frau ist das eine etwas andere Situation und die Fragen, die sie sich sozusagen erhoffen in diesem Umkreis, das entspringt eigentlich erst dem Ende, wenn es darum geht "Was ist mit Sterbehilfe?". Ich bin Schweizer, wir haben in Zürich eine Einrichtung, die heißt "Dignitas". Und da kommen die Leute - und man redet deswegen auch von Sterbetourismus für die Menschen aus Deutschland, weil da die Gesetzeslage anders ist - dahin, um da sterben zu dürfen, weil das da erlaubt ist."