Restlose Desillusionierung
Es ist wie so oft bei Tschechow: Menschen, ihrer selbst überdrüssig, treffen sich in einem heruntergekommenen Landhaus in der russischen Provinz. Die guten Jahre – wenn es sie je gab – hat man längst hinter sich gelassen.
Mittendrin in dieser Gesellschaft der zu Tode Gelangweilten: Platonow, ein desillusionierter Dorfschullehrer, der aus dem allgemeinen Mittelmaß herauszuragen scheint. Weshalb alle ihre Hoffnungen und Sehnsüchte auf ihn projizieren. Vor allem die Frauen. An den Münchner Kammerspielen hat nun Stefan Pucher Tschechows Frühwerk zum Spielzeitauftakt auf die Bühne gebracht. An die acht Stunden würde das Stück ungekürzt dauern. Pucher nimmt sich für seine Fassung gut zwei Stunden Zeit.
Pucher setzt Tschechows Untergeher als gelangweilte Beachpartygäste in Szene. Von Bühnenbildnerin Nina Wetzel hat er sich dazu einen Sandstrand auf die Bühne kippen lassen, samt Liege- und Gartenstühlen. Dahinter als Videoprojektion: das Meer.
Das ist hundsgemein und sehr geschickt: Während viele Theaterzuschauer nach dem Ende der Sommerferien den Strand vermutlich noch als Ort des süßen Nichtstun und im Hinterkopf haben, verkehrt Pucher diese Idylle des positiv erlebten Müßiggangs in ihr Gegenteil: An diesem Strand vertändeln Menschen ihr Leben in Untätigkeit. Selbst die Liebe ist nur noch ein Versuch, der Langeweile zu entgehen.
Die Strandmode (Kostüme: Annabelle Witt), die man dabei trägt, ist grotesk: Laufsteggeschmacklosigkeiten, die von einem wildgewordenen Modeschöpfer stammen könnten: schwarz-weiß gesprenkelte Kimonos, monströse Pluderhosen, absurde Hüte. Wie Haute Couture tragen die Schauspieler auch ihre Rollen zur Schau, legen eine Distanz zwischen sich und die Emotionen ihrer Figuren, die kaum Raum für Sehnsüchte lässt. Wo Tschechows Bühnenpersonal bei aller Trostlosigkeit in der Regel doch noch glaubt, liebt und hofft, herrscht bei Pucher restlose Desillusionierung.
Das gilt auch für Thomas Schmausers Platonow: ein Dorfschullehrer mit Schnaps, Scham und Melone. Immer eine Pulle Fusel in der Hand gibt er den depressiven Alkoholiker. Dieser Platonow hat überhaupt keine Lust, die Projektionsfläche für die Sehnsüchte seiner Mitmenschen zu spielen. Er weiß so gründlich über die eigene beschämende Armseligkeit Bescheid, dass sich jeder Anflug von charmantem Gehabe (das Platonow in anderen Inszenierungen bei allem Zynismus in der Regel doch an den Tag legt) verbietet. Mit fahriger Gestik, den Kopf zwischen die Schultern gezogen, obendrauf eine viel zu große Melone, die ihm immer wieder über die Augen rutscht und so seine Kümmerlichkeit betont, windet sich Schmausers Platonow durch den Abend. Keine Frage, das ist blendend gespielt. Doch wo die Regie keinerlei Raum mehr lässt für einen Funken Hoffnung, wird auch Schmerz nicht mehr spürbar. Allenfalls: Phantomschmerz. Und so beeindruckt Puchers "Platonow" zwar, aber er berührt nicht wirklich. Ein in sich stimmiger, oft auch amüsanter Abend, der den Zuschauer aber emotional auf Abstand hält.
Pucher setzt Tschechows Untergeher als gelangweilte Beachpartygäste in Szene. Von Bühnenbildnerin Nina Wetzel hat er sich dazu einen Sandstrand auf die Bühne kippen lassen, samt Liege- und Gartenstühlen. Dahinter als Videoprojektion: das Meer.
Das ist hundsgemein und sehr geschickt: Während viele Theaterzuschauer nach dem Ende der Sommerferien den Strand vermutlich noch als Ort des süßen Nichtstun und im Hinterkopf haben, verkehrt Pucher diese Idylle des positiv erlebten Müßiggangs in ihr Gegenteil: An diesem Strand vertändeln Menschen ihr Leben in Untätigkeit. Selbst die Liebe ist nur noch ein Versuch, der Langeweile zu entgehen.
Die Strandmode (Kostüme: Annabelle Witt), die man dabei trägt, ist grotesk: Laufsteggeschmacklosigkeiten, die von einem wildgewordenen Modeschöpfer stammen könnten: schwarz-weiß gesprenkelte Kimonos, monströse Pluderhosen, absurde Hüte. Wie Haute Couture tragen die Schauspieler auch ihre Rollen zur Schau, legen eine Distanz zwischen sich und die Emotionen ihrer Figuren, die kaum Raum für Sehnsüchte lässt. Wo Tschechows Bühnenpersonal bei aller Trostlosigkeit in der Regel doch noch glaubt, liebt und hofft, herrscht bei Pucher restlose Desillusionierung.
Das gilt auch für Thomas Schmausers Platonow: ein Dorfschullehrer mit Schnaps, Scham und Melone. Immer eine Pulle Fusel in der Hand gibt er den depressiven Alkoholiker. Dieser Platonow hat überhaupt keine Lust, die Projektionsfläche für die Sehnsüchte seiner Mitmenschen zu spielen. Er weiß so gründlich über die eigene beschämende Armseligkeit Bescheid, dass sich jeder Anflug von charmantem Gehabe (das Platonow in anderen Inszenierungen bei allem Zynismus in der Regel doch an den Tag legt) verbietet. Mit fahriger Gestik, den Kopf zwischen die Schultern gezogen, obendrauf eine viel zu große Melone, die ihm immer wieder über die Augen rutscht und so seine Kümmerlichkeit betont, windet sich Schmausers Platonow durch den Abend. Keine Frage, das ist blendend gespielt. Doch wo die Regie keinerlei Raum mehr lässt für einen Funken Hoffnung, wird auch Schmerz nicht mehr spürbar. Allenfalls: Phantomschmerz. Und so beeindruckt Puchers "Platonow" zwar, aber er berührt nicht wirklich. Ein in sich stimmiger, oft auch amüsanter Abend, der den Zuschauer aber emotional auf Abstand hält.