Restaurieren in ständiger Lebensgefahr

Von Thomas Migge · 24.07.2011
Seit Jahren unterhalten italienische Archäologen ausgezeichnete Beziehungen zu den Kulturverantwortlichen im Irak. Sie helfen nicht nur bei der Forschung, sondern auch bei der Ausbildung irakischer Restauratoren.
Grauer Rauch verfärbt den Himmel, hohe Flammen in den Ruinen zerstörter Gebäude, Sirenen der ersten eingetroffenen Hilfskräfte und Soldaten - italienische Soldaten.

Seit dem Sturz von Diktator Saddam Hussein sind italienische Soldaten im Irak im Einsatz. Zusammen mit Kollegen der NATO und der USA versuchen sie, den Frieden halbwegs aufrechtzuerhalten. Nicht wenige italienische Soldaten sind bei dieser Mission ums Leben gekommen.

Schon vor dem Sturz des Diktators lebten Italiener im Irak. Archäologen, die an zwölf Orten graben, forschen und restaurieren. Sie blieben auch während des Bürgerkriegs und sind immer noch im Land. Trotz allem. Kein anderes Land ist in Sachen archäologischer Forschung so lange hier und so präsent wie Italien.

Seit Jahren forscht und arbeitet auch Alessandro Bianchi, Archäologe und Restaurator des staatlichen italienischen Restaurierungsinstituts, im Irak. In diesen Tagen hat er die ersten Diplome für irakische Restauratoren vergeben, die von italienischen Professoren ausgebildet wurden. Nicht im sicheren Italien, sondern im Irak. Wir erreichten Alessandro Bianchi im nordirakischen Erbil am Telefon:

"Es geht darum, das Personal irakischer Museen auszubilden, nach den Methoden unseres römischen Restaurierungsinstituts, damit sie mit den Funden in ihrem Land, die langsam aber sicher verkommen, besser umgehen können."

In Ur zum Beispiel, der Wiege der sumerischen Kultur:

"Von hier kommen die schönsten Objekte der sumerischen Kultur aus dem 26. Jahrhundert vor Christus. Hier verfallen die archäologischen Reste sehr schnell, weil bisher Experten für Pflege und Restaurierung fehlten. Hier hat nicht der Krieg die schlimmsten Schäden angerichtet! In Ur haben wir sechsmonatige Kurse organisiert."

Von Ur im Süden bis nach Ninive und Erbil im Norden des Irak: Italienische Archäologen und Restauratoren, begleitet, wenn nötig, von schwer bewaffneten italienischen Carabinieri, forschen und arbeiten auch in den gefährlichsten Gegenden. Noch während des Bürgerkriegs, bei dem das Nationalmuseum für Archäologie in Bagdad Ziel von Anschlägen und von Kunstdieben wurde, waren Italiener präsent, um zu retten, was zu retten war. Dass dieses enorm wichtige Museum zum Verständnis der Kulturen im Zweistromland heute wieder besucht werden kann und seine Exponate nach modernen museumsdidaktischen Gesichtspunkten ausstellt, ist das Werk italienischer Archäologen.

Dank ihrer ausgezeichneten Beziehungen zuerst zu den Kulturverantwortlichen Saddam Husseins und dann der Übergangsregierungen gelang es den Italienern, zu allen archäologischen Orten Zugang zu erhalten. Italien schickte sogar seine weltweit einmalige Sonderpolizei gegen Kunstdiebstahl, um in Bagdad, in Babilonia und Ur in Sachen internationalem Kunstraub zu ermitteln.

Bei ihrer Arbeit im Irak steht den italienischen Archäologen und Restauratoren nicht etwa, wie man erwarten sollte, das Kulturministerium in Rom zur Seite. Alessandro Bianchi:

"Wir stehen in enger Beziehung zu unserem Außenministerium. Wir werden auch von diesem Ministerium finanziert. Und die sorgen ebenfalls für unsere Sicherheit."

Während das italienische Kulturministerium an allen Ecken und Enden spart - Opernhäuser stehen vor dem finanziellen Aus, Museen können ihre Stromrechnungen nicht bezahlen und Pompeji gammelt vor sich hin - finanziert das anscheinend gar nicht klamme Außenamt mit mehreren Millionen Euro pro Jahr archäologische Projekte im Irak. Darüber hinaus genießen die italienischen Archäologen und Restauratoren auch bei den im Irak stationierten Streitkräften anderer Staaten Gästestatus. So wohnen sie im US-amerikanischen Heerescamp, wenn sie in Nassiriya graben und forschen.

Aber riskieren Alessandro Bianchi und seine Kollegen bei der Rettung des irakischen Kulturguts nicht ständig ihr Leben?

"Wir sind auch dann unterwegs zu den Grabungsstätten, wenn es gefährlich ist. Natürlich sind wir vorsichtig. Auf jeden Fall forschen wir dort, wo sonst niemand präsent ist. Vor allem im Gebiet von Nassiriya, wo Ur und Eridù liegen. Da ist es schon recht gefährlich, wenn auch weniger als in Kriegszeiten."

Dank ihrer Hartnäckigkeit sind Bianchi und seine Kollegen zu den wahrscheinlich am besten informierten Kennern der archäologischen Stätten im Irak geworden. Dumm sei nur, meint Bianchi am Ende unseres Telefongesprächs, dass nie Touristen vorbeischauen - weder im Nationalmuseum in Bagdad noch bei den wichtigsten Grabungsstätten. Zu sehen, versichert er, gäbe es mehr als genug. Und, fügt er hinzu, von Frankfurt aus gebe es einen Linienflug direkt nach Bagdad.