Reporterin über Repressalien gegen russische Künstler

"Musiker sind ein Machtfaktor"

Der russische Rapper Husky sitzt in einem Gerichtsgebäude auf einer Bank und winkt mit der rechten Hand.
Der russische Rapper Husky wurde nach einem Konzert verhaftet. © dpa/Uncredited
Sabine Adler im Gespräch mit Vivian Perkovic · 04.01.2019
Musiker wie der Rapper Husky pfeifen auf die alte imperiale Größe Russlands. Ungeschminkt beschreiben sie in ihrer Musik die triste Realität in der Provinz. Deswegen sind sie jetzt in den Fokus geraten, erklärt Osteuropa-Expertin Sabine Adler.
In Russland hat sich an den offiziellen Strukturen vorbei eine Techno-, Rapper-, und Hip-Hop-Kultur entwickelt, die ein Millionenpublikum anzieht - mit Inhalten, die dem Kreml nicht gefallen. Denn die Musiker pfeifen auf die alte imperiale Größe, die Präsident Putin so wichtig ist. Deswegen sind sie jetzt in den Fokus geraten.
Deutschlandfunk Kultur-Reporterin Sabine Adler beobachtet die Entwicklung und sagt: "Manche Künstler würden zum Suizid aufrufen, heißt es. Aber ich glaube, tatsächlich stört Putin viel mehr der Defätismus in den Texten der Rapper – die triste Realität, die da zum Beispiel beschrieben wird, vor allem in den russischen Städten, abseits der schillernden, boomenden Metropolen wie Moskau oder St. Petersburg, eben in der russischen Provinz, wo der Alltag so richtig grau und trist ist."
Im Hintergrund eine Bühne mit russischer Schrift. Davor eine Zuschauermenge.
Konzert zur Unterstützung des russischen Rappers Husky.© imago/ITAR-TASS

40 Konzerte wurden abgesagt

Ein Dorn im Auge des Präsidenten dürfte aber nicht nur die resignative Haltung sein, sondern auch die Tatsache, dass die Musiker mittlerweile in den sozialen Netzwerken eine starke Machtposition hätten und etwas vollkommen anderes unter Patriotismus verstünden als Putin selbst, erklärt die Osteuropa-Expertin.
Allein 2018 seien 40 Konzerte abgesagt worden und die Klubs, in denen die Bands auftreten wollten, durchsucht, so Sabine Adler weiter. Was für Künstler sind das, deren Auftritte massiv unterbunden werden? Das ist zum Beispiel der Rapper Husky. Als in der Stadt Krasnodar seine Fans nicht in den Saal gelassen worden seien, sei der Musiker einfach zu ihnen gekommen und habe auf einem Auto-Dach gespielt. Daraufhin sei er festgenommen worden.

Drastische Videoclips, in denen Blut fließt

Auch das Elektro-Duo IC3PEAK sorgte mit drastischen Videoclips für Aufsehen: Die Sängerin übergießt sich mit Kerosin, die Musiker essen rohes Fleisch, bis ihnen das Blut aus den Mundwinkeln läuft. Die Künstler wollten damit darauf aufmerksam machen, dass es auch ein Leben jenseits von Putin und russischer Propaganda gebe.
Maskierte Künstlerinnen der feministischen Punk-Band "Pussy Riot" bei einer Aktion in einer Moskauer Kirche, 2012
Maskierte Künstlerinnen der feministischen Punk-Band "Pussy Riot" bei einer Aktion in einer Moskauer Kirche, (2012).© dpa / picture alliance / ITAR-TASS/ Mitya Aleshkovsky
Prominente Opfer der russischen Musik-Zensur waren vor Jahren bereits die Mitglieder der Frauenband Pussy Riot. Diese engagierten sich jedoch weiterhin, sagt Adler – etwa für bessere Bedingungen im russischen Strafvollzug, unter dem sie selbst leiden mussten.
Traut sich überhaupt noch ein Musiker oder eine Band, politisch zu sein? "Musiker sind ein Machtfaktor, das weiß der Kreml. Vor 20 Jahren schaffte es kaum jemand, die Säle zu füllen, 250 Zuschauer waren viel. Jetzt beherrscht russischer Hip-Hop die Szene mit Millionen-Publikum über Internet, soziale Medien. Und das wirtschaftlich zum Teil extrem erfolgreich, etwa die Künstlerin Tatarka aus Tatarstan, eine 27-jährige Hip-Hop-Musikerin, mit Millionen-Publikum, die auf Tatarisch und Englisch singt."
(mkn)
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