Rentenerhöhung: Der nächste Schritt zum "Kampf der Generationen"?

Von Kostas Petropulos |
Mit seiner trickreichen Rentenerhöhung rechtzeitig vor der Bundestagswahl hat Bundesarbeitsminister Olaf Scholz eine breite Widerstandsfront zum Leben erweckt: Junge Bundestagsabgeordnete, die Wirtschaft und nahezu die gesamte Presse verurteilen diesen Schritt. Hier, so das Argument, werde der Grundsatz der Generationengerechtigkeit verletzt. Die Wohltat für die Alten bedeute nämlich eine unfaire Mehrbelastung für die erwerbstätige Generation - also für die Jugend.
Das klingt spontan ganz einleuchtend. Aber der genaue Blick auf den Rentenstreit zeigt Konfliktlinien, die nichts mit dem Alt-gegen-Jung-Muster zu tun haben.

So ist im letzten Jahr das deutsche Volkseinkommen insgesamt kräftig gestiegen. Dennoch hätte es regulär in diesem Jahr nur für eine Mini-Rentenerhöhung gereicht. Der Grund: Die Renten werden im Wesentlichen nur von den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aufgebracht. Komplett außen vor bleiben dabei Beamte, Selbständige und die Bezieher von Vermögenseinkommen.
Anders gesagt: An der Versorgung der Ruhestandsgeneration beteiligt sich nicht die gesamte junge Generation, sondern nur ein Teil von ihr. Eine Ungerechtigkeit, die nicht ins Alt-gegen-Jung-Raster passt.

Hinzu kommt eine weitere Konfliktlinie. Die gesetzliche Rente funktioniert nach dem Umlageprinzip. Die heutigen Beitragszahler sparen also nichts für ihre eigene, künftige Rente an; vielmehr wandern ihre Beiträge direkt in die Taschen der Ruheständler – also ihrer Elterngeneration.

Von diesem System profitieren demnach besonders Kinderlose Rentner und Rentnerinnen. Während ihres Erwerbslebens haben sie sich nicht nur die immensen Kosten für das Aufziehen von Kindern gespart; zugleich konnten sie durchgängig erwerbstätig bleiben und damit die maximal möglichen Rentenansprüche erwerben. Im Gegensatz dazu fallen gerade die Renten von Müttern sehr oft beschämend niedrig aus – und das obwohl vor allem sie den größten Anteil beim Aufziehen der Nachwuchsgeneration geleistet haben.

Im Klartext: Das heutige Umlagesystem zwingt die erwerbstätige Generation dazu, kinderlose Rentner weitaus besser zu versorgen als die eigenen Eltern – also Familien contra Kinderlose. Ebenfalls keine Generationenfrage.

Das gilt praktisch für alle Bereiche, die immer wieder ins Feld geführt werden, um vor einem Kampf der Generationen zu warnen – ganz besonders für die oft zitierte gewaltige Staatsverschuldung. Um die Belastungen für die junge Generation nicht noch weiter anschwellen zu lassen, gibt es sogar eine Initiative von Bundestagsabgeordneten, die verfassungsrechtlich festgelegte Verschuldungsgrenze zu verschärfen.

Tatsächlich liegen die Dinge hier ebenfalls etwas komplizierter. Sicher müssen die heute angehäuften Schulden von der künftig aktiven Generation beglichen werden. Aber genau davon profitiert eben auch ein Teil des Nachwuchses.

Bekanntlich sind die Schulden der einen, die Forderungen der anderen. Die junge Generation erbt daher nicht nur die finanziellen Lasten von ihren Eltern, sondern ebenfalls ihr gewaltiges Vermögen. Der gesellschaftliche Sprengstoff liegt freilich darin, dass diese Erbschaften höchst ungleich auf die junge Generation verteilt sind. Nur eine kleine Minderheit gehört zu den Gewinnern.

Wo man auch hinschaut: Die populäre Formel von der Generationengerechtigkeit, die es zu beachten gälte, erweist sich als große sozialpolitische Luftnummer. Tatsächlich dient sie nur dazu, die verschieden Konfliktlinien in unserer Gesellschaft zu verschleiern. Es ist daher an der Zeit, sich von der Angst vor dem Kampf der Generationen zu verabschieden und sich der ungeschminkten Wirklichkeit in unserem Land zu stellen.


Kostas Petropulos, Publizist, 1960 in Dresden geboren, studierte Deutsche und Geschichte in Tübingen. Seit 1987 als freier Journalist vor allem als Autor von wirtschafts- und familienpolitischen Themen hervorgetreten. 1995 Mitbegründer des Heidelberger Büros für Familienfragen und soziale Sicherheit, das er seit Ende 1996 leitet.
Kostas Petropulos
Kostas Petropulos© privat