Rente mit 67 – Chance oder Zumutung?

Die Rente mit 67 spaltet die Gesellschaft und die Politik. Die Befürworter halten sie angesichts der demografischen Lage und des drohenden Fachkräftemangels für alternativlos, Kritiker sehen darin eine faktische Rentenkürzung.
Nur ein geringer Prozentsatz erreiche überhaupt die aktuelle Grenze von 65 Jahren, geschweige denn dieses erhöhte Eintrittsalter. Nun legte Arbeitsministerin Ursula von der Leyen den Bericht zur Beschäftigung älterer Menschen vor, sein Titel: „Aufbruch in eine altersgerechte Arbeitswelt“. Sein Tenor: Die Älteren haben mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt denn je.

Stimmt das? Und wie soll diese „altersgerechte Arbeitswelt“ aussehen?
Wo liegen die Chancen, wo die Grenzen und Probleme der Rente mit 67?

„Der Arbeitsmarktsituation hat sich tatsächlich dramatisch verbessert in den letzten Jahren“, konstatiert auch Prof. Dr. Matthias Knuth. Der Arbeitsmarktforscher vom Institut für Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg gießt aber auch Wasser in den Wein: Zwar sei die Erwerbstätigkeit der 55- bis 64-Jährigen in den letzten zehn Jahren gestiegen, doch es gebe nach wie vor einen anderen Trend: Auch die Arbeitslosigkeit der Älteren habe zugenommen, ein Großteil der Arbeitslosen ab 58 Jahren tauche in der Statistik nicht mehr auf, viele flüchteten in die Frühverrentung und nähmen hohe Abschläge in Kauf, darunter viele gering Qualifizierte.

Den Politik- und Sozialwissenschaftler beschäftigt aber auch ein anderer Aspekt:

„Die Frage, ab wann ist man alt, wird sich weiter relativieren, es wird keine Grenze mehr geben. Dabei muss man zwischen sozialen und gesundheitlichen Bedingungen unterscheiden, und da kann man schon im Jugendalter die Basis legen. Die Schere zwischen den Glücklichen und Unglücklichen wird weiter auseinandergehen. Die einen werden bis 75 weiterarbeiten, andere werden mit 50 verbraucht sein.“

Daher sei die Rentenfrage auch schon ein Thema für die Jüngeren und Fitten:

„Was für Jüngere ein Thema wird, ist die Frage: Was habe ich jetzt für einen Arbeitsplatz und wie lange kann ich ihn in der Belastung durchhalten? Die psychische Belastung hat zugenommen: Ständig fünf Sachen gleichzeitig machen, unterbrochen werden, Projekte anfangen, die nicht beendet werden, Termindruck.“

Auf diese Belastungen müsse die viel beschworene altersgerechte Arbeitswelt Rücksicht nehmen.

„Ältere Menschen sind wie Rohdiamanten, sie haben Know-how, sie sind viel besser, als viele denken“, mit diesem Motto versucht Dirk Uwe Krüger Chefs zur Einstellung Älterer zu überzeugen. Der gelernte Industriedesigner und Personalvermittler gründete im Jahr 2003 die Agentur „Zeit-Sprung“, die auf die Vermittlung von Arbeitnehmern spezialisiert ist, die älter als 40 Jahre alt sind.

„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sie viel mehr Potenzial haben, als man annimmt. Man kann davon ausgehen, dass hier durchschnittlich 20 Jahre Berufserfahrung vorzuweisen sind.“

Seine Erfahrung: Ab 40 könne es schon – je nach Sparte – schwer werden, einen Bewerber unterzubringen.

„Ab 55 da ist es schon fast aus, da muss ich mit Engelszungen reden. Fast nicht mehr möglich ist es, wenn eine Sechs davor steht. Da ist es auch für gut Qualifizierte kaum mehr möglich, einen Job zu finden.“

Die klassischen Vorurteile der Arbeitgeber:

„Zu alt, zu teuer, zu unflexibel oder auch, dass sie überqualifiziert sind.“

Seine Gegenargumente:

„Wer sind die Eliten in Deutschland in der Wirtschaft und der Politik? Wie hoch ist das Durchschnittsalter in den Vorstandsetagen? Ich nehme an, das ist über 50. Diese Leute, die Unternehmen leiten, haben dafür gesorgt, dass die Wirtschaft boomt. Und in der Politik? Die Bundesrepublik steht politisch gut da. Es gibt also viele gute Erfahrungen, und ich frage mich, warum sollen andere über 50-Jährige nicht auch gut sein?“

Prinzipiell sei es richtig, das Rentenalter zu erhöhen. „Ich bin aber nicht dafür, dass generell bis 67 gearbeitet werden muss, ich würde es flexibler halten wollen.“ Er plädiert für eine Art Lebenszeitkonto, dass, wer lange gearbeitet und eingezahlt hat, auch mit 65 in Rente gehen kann, ohne gravierende Einbußen zu haben. Wer aber erst mit 30 angefangen habe, zu arbeiten, könne gut und gern bis 67 arbeiten,

„also ein Mix aus Lebensarbeitszeit gepaart mit der Frage, was ist das für ein Beruf. Es kann nicht jeder bis 67 arbeiten. Politiker können das tun, die können auch bis 80 arbeiten, aber der berühmte Dachdecker?“

Man müsse die Älteren anders integrieren. Es gäbe bereits Arbeitszeitmodelle und Programme für junge Mütter, warum gehe man nicht ähnlich flexibel mit Älteren um? Viele Ältere müssten Angehörige pflegen oder seien nur noch eingeschränkt belastbar – dafür müssten Modelle geschaffen werden.

„Das sind strategische Überlegungen: Man muss für die, die körperlich nicht mehr so mithalten können, Rahmenbedingungen schaffen und sei es auch durch eine Kooperation mit einem Fitnessstudio. Man kann das bezuschussen, Massagen anbieten, Ruheräume, was auch immer, damit der ältere Arbeitnehmer einen Anreiz hat und gesund bleibt.

Die meisten Arbeitgeber haben keine strategische Planung: Wie sieht der Arbeitsmarkt aus? Wie sieht er in 10 bis 15 Jahren aus? Wo muss ich an welchem Rädchen drehen, damit da keine Lücke entsteht? Wie schaffe ich eine gesunde Altersmischung, denn die Jüngeren lernen von den Älteren. Das war immer schon so, und das muss noch mehr gefördert werden.“

„Rente mit 67 – Chance oder Zumutung?“
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit Prof. Dr. Matthias Knuth und Dirk Uwe Krüger. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 / 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Informationen im Internet:
Über Prof. Dr. Matthias Knuth
Über Dirk Uwe Krüger