Rentable Sonnenenergie ohne Subvention

Von Dirk Asendorpf · 07.09.2013
Im baden-württembergischen Büsingen gilt das EEG nicht. Die 1300-Seelen-Gemeinde liegt als Exklave in der Schweiz, deren Wirtschaftsgesetze dort gelten. Wegen fehlender Einspeisevergütung für Strom aus erneuerbarer Energie wurde dort deshalb in solarthermische Fernwärme investiert.
Markus Möll: "Sind Sie zufrieden mit Ihrer Technik?"

Detlev Seidler: "Heute morgen nicht so. Weil irgendein Fühler spinnt und die Freiflächenanlage ist ausgestiegen."

Markus Möll: "Oh!"

Detlev Seidler: "Möglicherweise auch durch ein Gewitter auch die Steuerung vom ganzen Heizwerk, auch die Fernübertragung ist ausgefallen. Also irgendwas war und jetzt versuchen die Herren grad den Fehler zu lokalisieren und zu beheben."

Markus Möll: "Das ist schon mal gut, wenn die Leute da sind, die das machen dann. Wir würden wahrscheinlich da stehen und sagen: Ähh!"

Bürgermeister Markus Möll hat persönlich für den Bau des kleinen Fernwärmenetzes geworben, an das ein Drittel der Büsinger Haushalte angeschlossen ist. Im Winter wird das Heizwerk am Ortsrand vor allem mit Holzhackschnitzeln befeuert, im Sommer kommt die Energie aus den silbern glänzenden Kollektoren der Solarthermieanlage. Über die Fläche eines Fußballfelds verteilt stehen sie auf Metallständern, die nach Süden ausgerichtet sind. Wenn nicht gerade der Blitz einschlägt, funktioniert die Anlage vollautomatisch.

Der Ingenieur Detlev Seidler hat sie aufgebaut:

"Wir haben hier die Röhrenkollektoren auf sogenannten Tischen montiert, die dann mit Rohrleitungen mit der Heizzentrale verbunden sind. Und hier drin fließt das Heizungswasser. Es ist kein Wärmetauscher dazwischen, ist auch nicht notwendig, weil unser System arbeitet mit Wasser als Wärmeträger."

Solarthermie sogar im Winter
Das Wasser fließt in Kupferrohren durch die Kollektoren. Diese Rohre stecken wiederum in zwei mit einer Vakuumschicht voneinander isolierten Glasrohren. Die Sonnenstrahlung wird vom äußeren Glasrohr auf eine spezielle Absorberschicht des inneren Glasrohrs gelenkt und heizt das Kupferrohr auf. Das Wasser, das dort hindurchgepumpt wird, transportiert die Wärme in zwei große Speichertanks im Kesselhaus. Die Isolation des gesamten Kreislaufs ist so gut, dass die Solarthermieanlage sogar im Winter einen kleinen Beitrag zur Fernheizung liefern kann.

Auch das Rathaus von Büsingen ist an das Wärmenetz angeschlossen. Im Keller demonstriert der Bürgermeister die Anschlüsse:

"Mit 72 Grad kommt jetzt hier das heiße Wasser an bei uns und mit 50, 60 Grad geht's wieder zurück. Die Post ist hier mit angeschlossen und drei Wohneinheiten plus das gesamte Rathaus, das nebendran ist. Und wir sind eigentlich ganz zufrieden mit der ganzen Anlage hier. Es ist so, dass wir über den ganzen Jahreszyklus hinweg weniger an Energiekosten aufwenden müssen als vorher. Und das war ja auch mit ein Sinn, dass man sagt: Wir wollen von Primärenergie Öl weg. Und wir wollen gleichzeitig auch noch mal Kosten sparen, und das kriegen wir auch hin."

Tanks und Ölheizung wurden verschrottet, in dem leergeräumten Kellerraum können die Mieter jetzt ihre Fahrräder abstellen.

Herbert Güntert wohnt direkt am Rhein, den Keller seines historischen Bauernhauses kann er wegen der Überflutungsgefahr nicht als Heizraum nutzen. Auch er hat jetzt auf Fernwärme umgestellt und ist mit der Versorgung rundum zufrieden. Nur die Bauarbeiten haben genervt:

"Einige Zeit waren teilweise die Straßen gesperrt und in unserem Quartier konnten wir die Autos nicht mehr parkieren rund um die Häuser. Und da musste man halt ein bisschen zu Fuß gehen. Ein bisschen Geduld war von Nöten, aber wir haben es überstanden."

Wäre Büsingen keine Exlave, hätten die Bürger sicherlich wie im Rest des Landes Fotovoltaik-Anlagen auf ihre Dächer montiert. Nur weil die gesetzlich garantierte Einspeisevergütung im Schweizer Zollanschlussgebiet nicht gilt, entstand die Idee, mit der Kombination aus Biomasse-Heizwerk und Solarthermie zum Klimaschutz beizutragen.

Mögliches Vorbild für den Rest der Republik
Doch nach der Novellierung des Erneuerbaren Energien Gesetzes, die nach der Bundestagswahl ansteht, könnte das Büsinger Modell zum Vorbild für den Rest des Landes werden, hofft Detlev Seidler vom Kollektor-Hersteller Ritter-XL-Solar:

"50 Prozent der verbrauchten Energie in Deutschland ist Wärme und Solarthermie zur Wärmeerzeugung ist die effizienteste Technologie schlechthin, wird aber von der Politik stiefmütterlich behandelt. Wohingegen der Strom … Strom ist sexy! 20 Prozent des Energieverbrauches werden diskutiert als wären es 99 Prozent. Und das ist der Knackpunkt. Wenn sich das ändert in Zukunft, dann kann die Solarthermie einen ähnlichen Weg beschreiten wie die Fotovoltaik. Aber dazu gehören Rahmenbedingungen, die jetzt aktuell und in den letzten 20 Jahren nicht da waren."

Eins haben subventionierte Fotovoltaik und rentable Solarthermie gemeinsam: Energie liefern die Anlagen nur, wenn die Sonne scheint. Gut 1500 Stunden im Jahr tut sie das in Büsingen, doch das Jahr hat fast 9000 Stunden. Selbst im Sommer reicht die Sonnenstrahlung nicht immer, um das Dorf mit Heißwasser zu versorgen:

"Gestern war ein ganzer Regentag, ganz dunkel, da waren dann heute Morgen die Speicher komplett leer, wir haben dann heute Morgen eine Stunde den Ölkessel laufen lassen müssen."

Zwar schien die Sonne wieder, doch der Blitzeinschlag hatte die Solaranlage zunächst lahmgelegt. Eberhard Bauholzer war für die Reparatur zuständig, der Bürgermeister wartet schon auf ihn.

Markus Möll: "Sie wissen, der Überbringer schlechter Nachrichten wird enthauptet, gell! Sie kamen grad so her: Oh, wie sag ich's jetzt nur?"

Eberhard Bauholzer: "Gleich geht's in'd Luft. Nee, nee, alles bestens, alles bestens."

Markus Möll: "Gut."
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