Rendite für Rares?

Vom Sinn und Unsinn des Sammelns als Geldanlage

Opelsammlung der Brüder Martin und Josef Degene in einer Halle in Nordrhein-Westfalen
Eine Sammlung alter Opel: Anlageexperten raten zu Oldtimern jenseits der 100.000 Euro. © picture alliance / Federico Gambarini / dpa
Von Tim Zülch und Ralf Bei der Kellen · 25.09.2018
Autos, Briefmarken oder Uhren: Rund ein Viertel der Bundesbürger sammelt. Die Finanzkrise und die folgende Niedrigzinsphase haben dieses Hobby auch als Möglichkeit der Geldanlage attraktiv gemacht - aber funktioniert das tatsächlich?
Guten Abend. Ich bin Sammler. Ich habe schon immer gesammelt: als Kind erst Steine, dann Schmetterlinge – worüber ich heute nur ungern spreche – schließlich die unvermeidlichen Briefmarken, später Schallplatten, Gitarren, Autos und – aktuell – Mikrofone.
Guitar Doc: "Ja, das ist ja männlich. Sammeln. Kennst Du einen Mann, der nicht irgendwas sammelt?"
Spekulationen über genetische Prädispositionen oder Defizite in der oralen Phase sollen hier aber außen vor bleiben. Fakt ist: Für viele Menschen ist das Sammeln ein integraler Bestandteil ihres Lebens. Rund ein Viertel der Bevölkerung Deutschlands sammelt.
Als Sammler ist man immer auch ein Süchtiger – in verschiedenen Schweregraden. Nachschub für meine Sammelleidenschaften zu bekommen, gestaltete sich in den letzten Jahren zunehmend schwieriger. Denn plötzlich zogen die Preise an, auf fast allen Gebieten.
Mit der Frage "Essen oder Sammeln?" konfrontiert, fiel mir die Antwort nicht schwer. Aber was war da eigentlich passiert? Ganz einfach: Deutschland hatte begonnen, zu sammeln.
Hermann Josef Tenhagen: "Also das Anfassbare, das haptische Anlegen ist schon sehr ausgeprägt. Von daher gibt es eine Tendenz: Es ist viel Geld da, es gibt in anderen Bereichen nicht viel Rendite. Naheliegend ist, dann fängt man an zu sammeln und guckt, ob man daraus nicht auch eine Geldanlage machen kann."
"Schallplatten als Wertanlage – das neue 'schwarze Gold'?"
"Oldtimer als Geldanlage: Diese Modelle lohnen sich besonders."
"Zweistellige Renditen: Briefmarken als Anlageobjekt."
"Die Gitarre als Liebhaberstück und Geldanlage"
Seit der Finanzkrise 2008 und der daraufhin einsetzenden Niedrigzinsphase wird in den Medien immer wieder die Flucht in Sachwerte als Alternative zu den klassischen Anlagemöglichkeiten propagiert.

Das Zinsprodukt als historisch sichere Anlage

"Die Deutschen legen ja gerne konservativ an, also sicher. Und hinter 'sicher' stand historisch immer ein Zinsprodukt, wo der Zins sicher ist", erklärt Hermann Josef Tenhagen. Finanz- und Anlageexperte vom Verbraucherportal Finanztip.
"Die gibt es im Augenblick nicht. Es gibt zwar sichere Zinsen, aber die sind bei der Sparkasse dann 0,01 Prozent. Und auch für Festgeld, wenn's ein Gutes ist, gibt es ein Prozent und das ist natürlich nicht toll.
Andere Anlagen wären Immobilien gewesen, das kaufen die Deutschen auch wie blöd, oder man kauft Aktien. Aber das ist den Leuten zu abstrakt, und es geht rauf und runter an der Börse. Da haben die Leute Respekt davor."
Laut einer Studie der Steinbeis-Hochschule Berlin vom Juli 2014 sammeln knapp sechs Millionen Bundesbürger auch oder ausschließlich aus Investitionsgründen. Aber wie sicher ist es, sein Geld in Sachwerten anzulegen? Was macht diese Anlageform reizvoll? Um dies herauszufinden, bin ich gemeinsam mit meinem Kollegen Tim Zülch, einem erklärten Nicht-Sammler, dessen Blick von keinerlei Suchtverlangen getrübt ist, noch mal einige Stationen meiner eigenen Sammelleidenschaften abgeschritten.

Erste Station: Die Schallplatte

Bereits im Jahr 2009 ließ der Journalist Philipp Krohn für einen Artikel im Finanzteil der "FAZ" seine Plattensammlung bewerten. Der Titel des Artikels: "Von der Performanz der Plattensammlung".
Darin kam er zu dem Schluss, dass seine Plattensammlung mit knapp 2 Prozent Wertsteigerung pro Jahr über die letzten 17 Jahre eine höhere Rendite erzielt hat, als viele Finanzprodukte.
Nahaufnahme von Schallplattenhüllen.
Bringt die gute alte Plattensammlung mehr Rendite als Finanzprodukte?© imago / Imagebroker
"Mit Sicherheit ist die Information angekommen bei Händlern – und auch nicht nur grundsätzlich Plattenhändlern –, dass man mit Vinyl durchaus eine Wertsteigerung erzielen kann, eine enorme vielleicht sogar", sagt Dennis Plauck, der Chefredakteur des in Dortmund ansässigen Mint-Magazins, dem "Magazin für Vinylkultur".
Ingo Vaupel ist Plattenhändler in Berlin. Die Investoren-Klientel ist ihm nicht unbekannt: "Es gibt schon Leute, die das als Wertanlage sehen, und es gibt auch Leute, die Platten kaufen, nicht, um sie zu hören, sondern um sie in den Panzerschrank zu stellen. Durchaus."
Eine der Platten, die in den letzten Jahren eine große Wertsteigerung erlebt haben, ist sicherlich "Monster Movie", das Debüt der Kölner Krautrock-Band Can aus dem Jahr 1969.
1992 sah ich ein Exemplar der ersten Ausgabe dieser LP in einem Berliner Plattenladen. Der veranschlagte Preis: 400 D-Mark. Gekauft habe ich dann die Nachpressung für 15 D-Mark. Wäre ich heute in derselben Situation, würde ich auf dem Weg zum Bankautomaten vielleicht einen neuen Sprint-Rekord in der U-50-Klasse aufstellen. Denn laut der Webseite popsike.com wurde ein gut erhaltenes Exemplar im November 2017 für 8189 Euro auf eBay versteigert.
Für Ingo Vaupel ist das aber noch lange nicht das Ende der Fahnenstange: "Die kursiert auch schon mal im fünfstelligen Bereich. Durchaus möglich bei dem Ding. Also ich weiß, dass die vor 15 Jahren schon 10.000 als Spitzenpreis erreicht hat."

Steigende Vinyl-Preise in Zeiten des Internets

Überhaupt – das Internet und mit ihm die weltweite Vernetzung von Sammlern und Händlern hat den Preisen ordentlich Auftrieb gegeben. Was die Werthaftigkeit der Vinyl-Schätze angeht, ist Plauck durchaus zuversichtlich:
"Was man bestimmt sagen kann: Eine wirklich seltene Beatles-Platte, das Led Zeppelin-Debüt mit türkisfarbener Schrift, solche Dinge, die werden vermutlich auch in 20, 30 Jahren noch von großem, vielleicht größerem Wert sein als heute. Weil das einfach Genreklassiker sind."
Und die sind quasi die "Blue Chips" der Szene. Wobei rare Platte nicht gleich teure Platte sein muss. Im Zuge der Sammel-Manie entwickeln manche Menschen völlig überzogene Vorstellungen. Wie der Besitzer einer deutschen Beatles-Fehlpressung, der seine Platte in der Sendung "Bares für Rares" zur Schau stellte.
Herr Neu: "Und ich habe dann mal nachgegoogelt, und es ist tatsächlich in verschiedenen Zeitungsberichten, 'Wirtschaftswoche' unter anderem, da wird berichtet, dass Beatles-Platten unter anderem zwischen 23.000 und auch 80.000 (Lichter: Oh!) versteigert werden."
Die Popularität dieses Sendeformats kann man als weiteren Beleg für die Hausse in der Sammelleidenschaft ansehen. Dachböden werden durchstöbert und Erbstücke auf den Markt geworfen. Gewinnerwartungen steigen.
Herr Neu: "So, wie ich das in den Foren mehr oder weniger nachgeforscht habe, denke ich mal, ist diese Platte sicher mehr als 30.000 wert."
Händler: "Ja, was soll mer do mache?" (Tusch)
Dennis Plauck: "Ja, also, das ist nicht so der Musikfan eigentlich, sondern da ist jemand, der wittert da jetzt plötzlich den ganz großen Reibach und fällt dann ja mehr oder weniger auf die Nase damit. Also, ich glaube, seinen Ruhestand finanziert er mit der Platte nicht."
Das höchste Angebot von Lichters Händlergremium lag übrigens bei realistischen 300 Euro. Auch im relativ jungen Investitionsgebiet des Vinylsammelns hat es in einzelnen Bereichen schon Konjunkturen gegeben. Plattenhändler Ingo Vaupel:
"Also, das Rock'n'Roll-Zeug war in den 80er-, 90er-Jahren unglaublich teuer, da sind auch vierstellige Beträge für so einige Platten gezahlt worden, das kriegst du heute nicht mehr, das ist vorbei. Es haben auch Leute früher Höchstpreise für Swing-Platten bezahlt, das dürfte heute auch schwieriger sein als damals.
Also wenn ich eine teure Platte habe, dann muss ich auch einen kennen, der mir da teuer Geld für gibt – sonst ist es einfach eine Platte wie alle anderen."

Wertschätzung kann auch symbolisch sein

"'Wert' heißt ja 'Wertschätzung'. Also irgendjemand oder eine Gruppe von Menschen muss irgendetwas wertschätzen", sagt der Ökonom und Soziologe Michael Hutter, emeritierter Professor der TU Berlin Er hat sich mit dem Sammeln von Kunst auseinandergesetzt, aber auch das Sammeln zu Wertakkumulationszwecken insgesamt in den Fokus genommen:
"Und dieses Wertschätzen kann natürlich eine ganz banale Ursache haben, nämlich die Tatsache, dass etwas als Hammer verwendbar ist – aber es kann eben auch eine symbolische Ursache haben – dass man etwas mit der Vergangenheit in Verbindung bringt, dass man die Form schätzt, dass man Ähnlichkeiten sieht zu etwas anderem, was bereits wertgeschätzt wird, und so weiter. Also dieses 'Wertschätzen' ist genau das, was am Beginn der Sammelleidenschaft steht."
Die Wertschätzung einer signifikant großen Gruppe von Individuen verleiht den Dingen erst ihren Wert. Das beginnt meistens in einem kleinen Kreis von Kennern. Irgendwann springen dann auch Menschen auf den Liebhaber-Zug auf, die kaum eine emotionale Beziehung zu den Objekten haben, erklärt Hutter:
"Weil etwas, was also mehr so eine Art Schrebergartenexistenz hatte, wo man also Blumenzwiebeln austauschte, wird plötzlich überformt von diesen sehr viel potenteren, liquideren Akteuren, sodass die Sammler praktisch keine Chance mehr haben, mit ihren Finanzmitteln da überhaupt noch einzugreifen."
Mit anderen Worten: Je teurer seltene Platten werden, desto schwieriger wird es für Musikliebhaber – die eher selten über größere Mittel verfügen –, diese Platten noch zu erwerben. Nun ist das bei Musik kein gravierendes Problem, da es vieles für wenig Geld bei den Streaming-Diensten oder gar umsonst im Internet zu hören gibt. Ganz anders verhält es sich da mit:

Zweite Station: Gitarren

"Die Gitarre war eigentlich immer ein Gebrauchsgegenstand. Kultig. Aber ein Gebrauchsgegenstand. Dass die einen Wert haben, das kam erst meines Erachtens nach, Mitte 80er. 80er-Jahre Jahre ging das los", sagt der Guitar Doc.
"Da kam dieses Bewusstsein überhaupt erstmal her: 'Vintage? Klar, das isses.' Und dann stiegen auf einmal diese Dinger, die sonst nur durch die Gegend gepfeffert wurden, stiegen im Preis. Und das ist heute bis ins Unermessliche. Und es geht weiter, weil es kommen ja keine neuen Gitarren nach. Es kommen aber Gitarristen nach. Also stiegt der Wert immer mehr, weil auch die Nachfrage immer mehr wird."
Fünf Gitarren aus der Sammlung von Richard Gere bei einer Christies Auktion.
Die Nachfrage regelt den Wert: Alte amerikanische Gitarren bei einer Christie's Auktion.© picture alliance / abaca / Dennis Van Tine
Die Werkstatt von Lutz Heidlindemann liegt in einer Hinterhof-Remise im Berliner Stadtteil Kreuzberg. In der Gitarristen- wie in der Sammler-Szene ist er bekannt als der "Guitar Doc". Er baut neue Gitarren aus alten Hölzern und restauriert alte Schätze. Heidlindemann zeigt auf eine Gitarre in seinem Ausstellungsraum:
"Also es gibt Instrumente wie meine 54er Junior, die jetzt in letzter Zeit total durch die Decke gegangen ist. Also, die hättest du vor vier Jahren noch für 3000 gekriegt, heute kostet sie 7500. Die Nachfrage prägt letzten Endes die Rendite. Und die Nachfrage ist immer: Gibt es irgendeine Band, wo einer spielt, der gerade die spielt? Und dann auch noch dieses Baujahr? Und dann wollen sie alle dieses Ding haben. Und dann – sssst, geht das – hopp."
Bei den großen Gitarren-Herstellern wie Fender und Gibson sind vor allem die Gitarren der Jahre bis 1972 wertvoll.
Guitar Doc: "Da ist die Qualität auch dermaßen abgesackt von den großen Herstellern in den USA. Gerade bei den amerikanischen Firmen, da wurden damals die Instrumente schwer, unpräzise gefertigt und haben einfach keinen Charme mehr gehabt. Das haben die Leute natürlich gemerkt und gesagt, hey, warte mal, die aus den 60ern waren ja viel besser. Aus den 50ern."
Und, so muss ich hier schmerzvoll erfahren, die einzigen beiden Gitarren, die ich jemals wieder verkauft habe, sind natürlich die, die heute am wertvollsten wären.

Unterschied zischen Preis und Qualität des Instruments

Obwohl es ein Teil seines Broterwerbs ist, steht Heidlindemann dem Kauf von Gitarren als Investitionsobjekte kritisch gegenüber. Für ihn ist entscheidend, wie "gut" eine Gitarre ist, nicht wieviel sie wert ist. Seine Augen funkeln geradezu, wenn er von Begegnungen mit Renditejägern erzählt:
"Ich hab kürzlich einen Scout hier rausgeschmissen, der gekommen ist und gesagt hat: 'Ich möchte die, die, die, die und die.' Da hab ich gesagt: 'Jau, find ich gut – kriegste nicht. Für wen sind denn die Gitarren?' Worauf er gesagt hat: 'Ja, ich hab da Kunden, der eine sitzt da, der andere da, die haben mich beauftragt, loszugehen, Instrumente zu kaufen.' Dass hier einer einfach so reinkommt – das mach ich nicht. Und das kommt eigentlich andauernd vor."
Wobei der Guitar Doc durchaus anerkennt, dass Sammler Instrumente auch für kommende Generationen bewahren. Aber – auch die beste alte Gitarre ist ihres Daseinszwecks beraubt, wenn sie nicht gespielt wird. Deshalb freut sich Heidlindemann, wenn sich die Interessen auf halber Strecke treffen:
"Und jetzt hab ich eine schöne Geschichte gehabt, wo ein alter Stammkunde von mir gesagt hat, dass sein Schwiegervater ihm ermöglicht, jetzt ein Instrument zu spielen, aber der Schwiegervater weiß, er hat damit auch eine Kapitalanlage. Das ist eine Kombination, da bin ich dabei, das finde ich super. Ich hab einen leidenschaftlichen Gitarristen, der freut sich wie Bolle, und ich hab jemand anderen, der im Hintergrund steht und sagt: So, mit dem Jungen, das passt alles, guter Händler, machen wir den Deal. Find ich gut.
Also, du wirst immer Zeiten haben, wo es abschießt, und dann wird's Zeiten geben, wo es stagniert oder vielleicht sogar ein bisschen den Keller runtergeht. Aber – ich kann mir das nicht vorstellen, dass es in 100 Jahren keine Gitarren mehr gibt. Vielleicht ist das naiv, aber – da lebe ich dann gerne in Naivität (lacht).
Nee. Also, jetzt ganz spitz gesagt: Ein Rembrandt wird auch immer seinen Wert erhalten."
Michael Hutter: "Die Gitarren, die da hohe Preise erzielen, sind sehr limitiert in der Menge und solange es andere gibt, die diese Wertschätzung mit mir teilen, werde ich sie für einen ähnlichen Preis verkaufen können. Warte ich jetzt noch 20 Jahre, dann kann ich sie nicht mehr verkaufen, weil die Generation nach mir kauft Buchla-Sythesizer."
Vielleicht unterstützt sogar die digitale Welt, dass die Sehnsucht nach was Authentischem ... aber ich glaube, in jedes gute E-Auto gehört hinten auf die Rückbank einfach 'ne Gitarre."

Dritte Station: Der Oldtimer

"Wert von Oldtimern steigt stark!"
"Oldtimer immer beliebter!"
"Weltrekord-Erlöse. Sammler zahlt 48,4 Millionen Dollar für altes Auto"
Die Schlagzeilen bei der Suche zum Thema "Oldtimer als Geldanlage" sind beeindruckend. Tatsächlich steigt der Oldtimer Index DOX, in dem 88 Fahrzeuge beispielhaft bewertet werden, im Schnitt um fünf bis zehn Prozent pro Jahr. Wobei einzelne Modelle noch weit höhere Renditen erzielen. Da wundert es wenig, dass die Zahl der Oldtimer, die auf deutschen Straßen unterwegs sind, auch steigt. Knapp 500.000 sind es nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes mittlerweile – fast ein Prozent aller Fahrzeuge.
Ein Einfamilienhaus in Berlin Lankwitz. Claus Peter Fischer geht die Stufen zu seinem Keller hinunter, knipst das Licht an und zeigt auf ein knappes Dutzend Motorräder. An den Wänden: eine Art Ahnengalerie mit alten Ost-Motorrädern.
"Die ganze Familie ist Motorrad gefahren", erzählt Fischer: "Sowohl meine, als auch die von meiner Frau. Und zwar meine Familie nach da und die meiner Frau nach da. Der da ist mein Sohn, der da mit der Pudelmütze, das bin ich, mein Vater, dann meine Mutter auf dem Motorrad, mein Opa, Großeltern."
Der Tank einer Simson Spatz Maschine mit dem charakteristischen Schriftzug.
Der Tank einer Simson Spatz mit dem charakteristischen Schriftzug© imago / Steffen Schellhorn
Claus Fischer sammelt hauptsächlich DDR Motorräder. MZ, Simson, aber auch eine tschechische Jawa befindet sich in seiner Sammlung. Seine finanzielle Motivation fasst er so zusammen:
"Ich restauriere die Dinger. Und wenn ich sie restauriere, müssen sie ungefähr so viel wert sein als das, was ich reinstecke. Also: Schrott plus Teile, Arbeit zähle ich nicht, sollte nicht teurer sein, als das Teil dann selber."

Restaurierte Motorräder als eine Art Notgroschen

Viele seiner Sammelgegenstände haben mit seiner Biografie zu tun. Seit Vater war Postbote und fuhr eine Simson Spatz. Fischer machte aus zwei alten eine neue und ließ sie in Gelb mit Post-Logo lackieren. Das Erstzulassungsdatum einer der MZs ist der Tag seines 18. Geburtstages. Eine andere ist auf den Tag seiner Einschulung datiert:
"Nun kann ich sie nicht mehr verkaufen, deshalb stehen die alle noch hier (lacht). Irgendwo ist es schon eine Geldanlage. Also wenn's mal ganz hart auf hart kommt, würde ich auch diese Motorräder verkaufen, um nicht aus dem Haus ausziehen zu müssen zum Beispiel ... Wertanlage als solche? Nur, dass das Geld nicht verloren geht, mehr eigentlich nicht."
Und Sohn Michael ergänzt: "Deshalb, wenn man investieren will und Fahrzeuge als Geldanlage nutzen will, dann muss man, schätze ich schon, in äußerste Raritäten investieren."
So wie zum Beispiel Karl J. Kraus. Wie viele Oldtimer er besitzt, möchte er nicht sagen.
Vor einigen Jahren hat er einen ehemaligen Supermarkt erworben. Dort lagern seine Schätze, darunter einige Vorkriegsautos. Ein englischer Lagonda von 1936, Rolls Royce, Baker Sports Car, einige davon mit einem Wert von mehreren hunderttausend Euro. Vorsichtig hebt Kraus eine der Planen beiseite. Wenige Schritte entfernt poliert ein Mitarbeiter Kratzer aus dem Lack eines anderen Autos.
Der Autosammler Karl J. Kraus und seine Ehefrau sitzen im gut gepflegten Lagonda.
Der Autosammler Karl J. Kraus und seine Ehefrau sitzen im gut gepflegten Lagonda.© Tim Zülch
Karl J. Kraus: "Vorbereitet für den Concours de Elegance, Baujahr 1936. Das ist das zweite Auto aus der neuen Serie von Lagonda nach der Insolvenz. Das Merkmal des Autos waren der 4,5 Liter-Sechszylinder-Motor mit 140 PS. Im Lack ist der aufgearbeitet worden, der ist in der Technik aufgearbeitet worden. Und ansonsten nur gut gepflegt und häufig gestreichelt."
Wenige Auto-Minuten von der Oldtimerhalle entfernt ist der Firmensitz des Unternehmers. Seit zehn Jahren sammelt Karl J. Kraus alte Autos – vor allem sehr alte und seltene Exemplare:
"Ich sammele also Autos, von denen nicht so viele produziert wurden. Porsche ist natürlich ein Auto, wovon sehr viele produziert wurden. Wenn Sie dann aber zum Porsche Turbo kommen und dann wiederum Cabrio, dann haben Sie eine Stückzahl von 600 Stück über fünf Jahre. Und dann lohnt sich auch, so ein Auto mit Liebe zu behandeln, im Zweifel reparieren zu lassen oder selbst zu reparieren, und das auf Vordermann zu bringen. Das ist dann sowohl Leidenschaft als auch nicht gerade wirtschaftliche Dummheit."
In der Tat raten Anlageexperten zu Oldtimern jenseits der 100.000 Euro, da bei diesen zum einen Wertsteigerungen wahrscheinlicher sind und zum anderen die Unterhaltskosten wie Garagenmiete und Ähnliches nicht so ins Gewicht fallen. Zehn Jahre lang stiegen die Preise für Oldtimer massiv. Erst in den letzten zwei Jahren hat die Nachfrage nachgelassen.

Extreme Preissteigerungen bis vor zwei Jahren

Alexander Gregor ist Projektleiter der Motorworld Manufaktur, einer Schrauberhalle, die gerade in Berlin Spandau aufgebaut wird:
"Bis 2016 sind die Preise extrem gestiegen. Alles wurde unfassbar teuer. Jeder interessierte sich plötzlich für Oldtimer. Es ist tatsächlich so, dass es bis 2016 ganz viele Leute gab, die haben das als reines Investment gesehen. Deswegen sind dann die Preise wirklich explodiert in schwindelerregende Höhen. Und das ist jetzt einfach mal erreicht, die Spitze und jetzt geht es in ein normales Level zurück, denke ich."
Erst vor kurzem wurde ein Ferrari 250 GTO für gut 41 Millionen Euro bei Sotheby's versteigert. Auch andere Sportwagen schießen preislich durch die Decke, sagt Gregor:
"Das sind Ringeltauben, das sind sehr seltene Autos, und es gibt genau den Menschen, der sagt, ich will genau dieses Auto haben. Der normale Sammler, der guckt sich um auf dem Markt und der hat natürlich festgestellt, dass die Preise viel zu hoch werden. Das heißt, der normale Sammler guckt sich dann um nach Alternativen."
Doch die Jubelmeldungen der Auktionshäuser verzerren die Wahrnehmung. Lange nicht jeder Oldtimer steigt im Preis. So hat ein Rolls Royce Silver Shadow in den letzten zehn Jahren im Oldtimer Index 5,7 Prozent an Wert verloren. Für den Normalsammler hat Alexander Gregor folgende Empfehlung parat:
"Es gibt tatsächlich sehr, sehr viele japanische Fahrzeuge. Das sind tolle Fahrzeuge, die sind technisch einwandfrei, gut entwickelt, die haben teilweise sehr gute Geschichten, sehr gute Historien, aber bisher sind die in Deutschland noch nicht angekommen."

Vierte Station: Die Briefmarke

"Ein männlicher Briefmark erlebte / was Schönes, bevor er klebte. / Er war von einer Prinzessin beleckt. / Da war die Liebe in ihm erweckt." (Joachim Ringelnatz, Der Briefmark)
Franz-Josef Pütz: "Es haben damals zur gleichen Zeit zu viele gesammelt, das gleiche Thema gesammelt: Bundesrepublik Deutschland, Berlin oder auch DDR – das Phänomen ist dort genauso gewesen. Man hat, ja, ich will nicht sagen 'überflüssiges Kapital', aber man hat vom Ersparten etwas abgeknapst und hat Briefmarken gekauft."
Sieben Briefmarken der Saarpost auf schwarzem Hintergrund.
Marken der Saarpost: Philatelie ist laut einer Studie das am häufigsten aufgegebene Sammelgebiet.© imago / Becker&Bredel
Die Liebe zu den Postwertzeichen in Franz-Josef Pütz erweckt hatte der Vater, als er dem Sechsjährigen eine Briefmarke schenkte. Heute ist Pütz stellvertretender Vorsitzender des Philatelistenverbandes Berlin-Brandenburg:
"Und diese Dinge sind heute im Wert derart verfallen, dass man damit die Wände tapezieren kann. Der Auktionator sagt: Herr Pütz, wie viel Zentner darf ich ihnen mitgeben?"
Briefmarkensammeln ist laut der erwähnten Studie der Steinbeis-Hochschule Berlin das am häufigsten aufgegebene Sammelgebiet. Vor 20 Jahren war es mit 35 Prozent das verbreitetste Sammelgebiet, heute steht es – nach Büchern und Münzen – immerhin noch an dritter Stelle.
"Es ist natürlich ein Generationenproblem", erklärt Pütz: "Die jungen Sammlerinnen und Sammler, die gibt's kaum noch, die beschäftigen sich mit Elektronik und lenken sich in anderer Weise ab. Von daher war der Markt übersättigt. Und das ist halt der Grund."
Ende der 1970er, Anfang der 1980er-Jahre wurde die Briefmarke als "Aktie des kleinen Mannes" gefeiert. Wenn ich mir zu Weihnachten einen Satz Marken aus den 1960er-Jahren wünschte, hatten meine Eltern kein Problem, 40 bis 50 Mark dafür auszugeben. Heute sind es vor allem die extrem seltenen Marken, die wertstabil sind und im Preis noch steigen.

Fokus auf extrem seltene Exemplare

Der Ökonom und Soziologe Michael Hutter spricht einen Aspekt an, von dem auch Sammler auf anderen Gebieten berichten:
"Und gleichzeitig gibt es etliche Schwellenländer, die Mittelschichten entwickeln und die Oberschichten entwickeln, die noch einen viel höheren Statusbedarf haben – weil sie bisher darin nicht vorgekommen sind. Und den können sie nur befriedigen, indem sie sich in Statusgemeinschaften einkaufen, die in diesen Erstweltländern geschaffen worden sind.
Und da gibt es eben wiederum dieser Unterschiedlichkeiten, da kann es dann auch jemanden geben, der eben auf Autos geht oder auf Gitarren, weil das auch seinen Leidenschaften entspricht."
Oder eben – auf Briefmarken. Denn auch unter russischen Oligarchen, arabischen Ölscheichs und chinesischen Milliardären gibt es potente Philatelisten. Und die haben nicht nur Nachholbedarf, sondern suchen auch eine Rückbindung an die eigene Geschichte.
Die chinesischen Briefmarken haben, was die Zeit der Kulturevolution angeht, einen riesigen Boom erlebt. Er ist etwas abgeflacht, aber da Mao so einen hohen Stellenwert hatte, wollte man natürlich alles von ihm haben, was ging. Und da zu den Zeiten vor der Kulturrevolution schon chinesische Briefmarken gegen Devisen ins westliche Ausland verkauft wurden, aber auch im Bereich der sozialistischen Staaten nach der DDR und Polen und Tschechoslowakei gingen, konnte man dort jetzt noch mal diese Dinge finden und kauft sie zurück."
Pütz bringt das Thema Sammeln als Wertanlage auf den Punkt, wenn er sagt:
"Das Entscheidende ist, dass es einen Markt gibt. Und ein Händler sagte mir einmal, es kam ein Kunde zu ihm, der sagte: 'Ich habe hier eine ganz seltene Marke. Die bringt bestimmt viel Geld.' Darauf hat der Händler ihm gesagt: 'Jaja, das ist sicher eine ganz seltene Marke. Aber die Käufer dafür, die sind noch seltener!'"
Die Wertigkeit eines Sammelobjekts hängt immer von der Anzahl der Menschen ab, die einem Gegenstand diesen Status zuerkennen. Beziehungsweise: ihn begehren – oft aus rein emotionalen Gründen. Und das kann sich, wie man am Beispiel der Briefmarken sehen kann, innerhalb nur einer Generation völlig ändern. Was gestern gesuchter Fetisch war, ist heute wertloser Klump.

Lust am Sammeln oder rationale Investition?

Der Soziologe und Ökonom Michael Hutter geht noch einen Schritt weiter:
"Die Investitionserklärung ist meines Erachtens fast schon eine Schutzbehauptung. Weil man gilt dann als einigermaßen rational, weil man das ja tut, um zu investieren. Aber eigentlich stehen sehr viel lustvollere Überlegungen im Hintergrund. Und wenn man das eben über Investitionsargumente noch rechtfertigen kann – umso besser."
Hermann Josef Tenhagen von Finanztip bläst, was die Rationalität des Sammelns als Geldanlage betrifft, in ein Ähnliches Horn.
"Gut zu sammeln und erfolgreich, ist eine Menge Arbeit und braucht eine Menge Expertise. Das kann man nicht so nebenher machen. Wenn ich die Zeit dafür nicht habe oder Lust nicht auf die konkreten Objekte, soll ich's bleiben lassen. Dann, wenn es eine reine Geldanlage ist, dann ist ein Aktienfonds sicher die bessere Geldanlage als Schallplatten, Kunstwerke oder Oldtimer."
Und wenn Sie jetzt wissen möchten, was mein persönliches Fazit aus der Beschäftigung mit dem Thema ist: Ich bleibe auf meinen gehorteten Schätzen sitzen, denn es ist mir egal, ob sie im Preis steigen oder fallen. Sie sind Teil meiner Biografie. Punkt. Und eine Befriedigung für meine noch immer vorhandene Sucht habe ich auch gefunden: Ich sammle jetzt wieder Briefmarken.
Die sind billig – und Spaß daran hatte ich ja schon mit 10. Sollten Sie also demnächst einen mittelalten Herren sehen, der einer etwas jüngeren Dame anbietet, ihr seine Briefmarken zu zeigen, dann wissen Sie, dass es sich hier um eine Investition in die Zukunft handeln kann – aber nicht muss.
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