Rendez-vous litteraire
Im deutsch-französischen Kulturdialog wird immer wieder das mangelnde Interesse am Nachbarland beklagt. Die Berliner Akademie der Künste möchte da nicht einstimmen, sondern neugierig machen. Gemeinsam mit der französischen Botschaft und der Villa Gillet in Lyon hat sie ein französisch-deutsches Literaturfest organisiert.
Mit schöner Regelmäßigkeit nehmen Deutsche und Franzosen ungefähr alle zehn Jahre eine literarische Bestandsaufnahme vor: 1989 war Frankreich Gastland auf der Frankfurter Buchmesse, 2001 war Deutschland Schwerpunkt auf dem Pariser Salon du Livre, und dieser Tage treffen in Berlin sieben deutsche Autoren auf sieben französische Kollegen. Einer von ihnen ist Laurent Mauvignier.
"So ein Treffen ist natürlich sehr gut, es zeigt, dass es eine gegenseitige Neugier gibt. Man könnte es aber auch anders sehen: Nämlich so, dass es um die Annäherung gar nicht so gut bestellt ist, deswegen muss man sie provozieren. Denn es ist nicht so sicher, dass die Franzosen deutsche Autoren lesen, und umgekehrt."
Damit liegt der 1967 geborene Autor leider richtig, von ein paar Ausnahmen einmal abgesehen. Die Zeit der großen Debatten, die das Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland einmal geprägt hatten, ist schon lange vorbei. Bei uns steht die französische Gegenwartsliteratur meist in dem Ruf, zu sehr um sich selbst zu kreisen. Aber das habe sich, so Jörg Fessmann von der Akademie der Künste, geändert.
"Mein Eindruck ist, dass wir an einem hochinteressanten Punkt jetzt sind, weil sich in Frankreich in den letzten Jahren viel getan hat und jetzt zur Entfaltung kommt, ohne dass wir es hier in irgendeiner Form wahrgenommen haben."
Nämlich den großen Gesellschaftsroman und historische Auseinandersetzungen, vor allem mit der Nazizeit, die in Frankreich mit Verzögerung zum großen Thema der Gegenwartsliteratur geworden ist. Ein Beispiel ist Yannick Haenel. Er stellt seinen in Frankreich heftig diskutierten Roman über den Widerstandskämpfer Jan Karski vor. 1942 schickten die Alliierten diesen polnischen Offizier ins Warschauer Ghetto. Unerkannt sollte Jan Karski sich dort über die Zustände informieren. Aber seine erschreckenden Berichte über ausgehungerte Kinder und sterbende Juden fanden bei den Alliierten kaum Gehör. Yannick Haenel:
"Dieser Mann verkörpert für mich die Tragik eines Boten, auf den man nicht gehört hat. Ich fragte mich, wie Karski mit einem derartigen Wissen bis zu seinem Tod im Jahr 2000 weiterleben konnte, einem Wissen über das, was ein Historiker einmal die Preisgabe der europäischen Juden durch die Alliierten genannt hat."
Für Petra Metz, die das französisch-deutsche Literaturfest mitorganisiert hat, ist Yannick Haenels Roman ein herausragendes Beispiel für die Auseinandersetzung mit Erinnerung und Geschichte. Und für eine gelungene literarische Umsetzung.
"Wir haben uns bemüht, Autoren auszuwählen unabhängig von den Büchern, die jetzt gerade im letzten Herbst erschienen sind, sondern mehr den Fokus zu legen auf Autoren, die sich in den letzten zehn Jahren eigentlich immer weiter entwickelt haben. Interessanterweise haben von denen einige im letzten Herbst hervorragende Romane veröffentlicht. Laurent Mauvignier ist so ein Fall, Marie N’Diaye ist so ein Fall, Yannick Haenel ist auch so ein Fall."
Beim Rendez-vous Littéraire treffen je ein französischer und ein deutscher Autor aufeinander. Sie lesen aus ihren Werken, haben aber auch eigens Texte für die Begegnung verfasst. Laurent Mauvignier beispielsweise, der gemeinsam mit Ulrich Peltzer lesen wird, hat sich mit der Frage des Engagements in Literatur und Politik auseinandergesetzt. Die ästhetische Frage sei für ihn im Kern eine politische.
"Ich denke zum Beispiel häufig an den Maler Pierre Bonnard. Er hat das 20. Jahrhundert mit seinen Höhen und Tiefen miterlebt. Aber was hat er gemacht: er hat sein Leben lang seine Frau in der Badewanne gemalt. Mir gefällt es, gegen alle Widerstände an seiner ästhetischen Wahl festzuhalten. Für mich ist das eine politische Haltung in dem Maße wie es eine Geste der Freiheit ist. Denn es geht nicht darum, die Freiheit nur zu fordern, man muss sie auch ausüben. Das bedeutet Kunst für mich."
Laurent Mauvignier gehört, wie auch Yannick Haenel, zu den französischen Autoren, die sich mit Themen der jüngeren Vergangenheit auseinandersetzen. In Frankreich hat vor kurzem sein Roman "Des hommes" Aufsehen erregt. Darin rüttelt der Autor an einem französischen Tabuthema: dem Algerienkrieg. Der liege zwar schon 50 Jahre zurück, aber, so Laurent Mauvignier, gesprochen werde darüber sehr wenig.
"Mich hat das sehr gestört, seit langem schon. Und ich wollte darüber schreiben. Vielleicht möchte ich eine Schuld begleichen oder etwas ausdrücken, das nie gesagt worden ist. Aber es fiel mir sehr schwer, dieses Buch in Frankreich zu schreiben, vor allem den Teil, der in Algerien während des Krieges spielt. Berlin hat mir dabei geholfen."
Denn in Berlin hat Laurent Mauvignier vor zwei Jahren einen Teil dieses Romans geschrieben. Jetzt ist er zurückgekehrt, um daraus zu lesen. Das Rendez-vous Litteraire, bei dem es vor allem viele französische Autoren zu entdecken gibt, verspricht spannend zu werden. Im nächsten Jahr werden dann deutsche Autoren in die Villa Gillet nach Lyon eingeladen.
"So ein Treffen ist natürlich sehr gut, es zeigt, dass es eine gegenseitige Neugier gibt. Man könnte es aber auch anders sehen: Nämlich so, dass es um die Annäherung gar nicht so gut bestellt ist, deswegen muss man sie provozieren. Denn es ist nicht so sicher, dass die Franzosen deutsche Autoren lesen, und umgekehrt."
Damit liegt der 1967 geborene Autor leider richtig, von ein paar Ausnahmen einmal abgesehen. Die Zeit der großen Debatten, die das Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland einmal geprägt hatten, ist schon lange vorbei. Bei uns steht die französische Gegenwartsliteratur meist in dem Ruf, zu sehr um sich selbst zu kreisen. Aber das habe sich, so Jörg Fessmann von der Akademie der Künste, geändert.
"Mein Eindruck ist, dass wir an einem hochinteressanten Punkt jetzt sind, weil sich in Frankreich in den letzten Jahren viel getan hat und jetzt zur Entfaltung kommt, ohne dass wir es hier in irgendeiner Form wahrgenommen haben."
Nämlich den großen Gesellschaftsroman und historische Auseinandersetzungen, vor allem mit der Nazizeit, die in Frankreich mit Verzögerung zum großen Thema der Gegenwartsliteratur geworden ist. Ein Beispiel ist Yannick Haenel. Er stellt seinen in Frankreich heftig diskutierten Roman über den Widerstandskämpfer Jan Karski vor. 1942 schickten die Alliierten diesen polnischen Offizier ins Warschauer Ghetto. Unerkannt sollte Jan Karski sich dort über die Zustände informieren. Aber seine erschreckenden Berichte über ausgehungerte Kinder und sterbende Juden fanden bei den Alliierten kaum Gehör. Yannick Haenel:
"Dieser Mann verkörpert für mich die Tragik eines Boten, auf den man nicht gehört hat. Ich fragte mich, wie Karski mit einem derartigen Wissen bis zu seinem Tod im Jahr 2000 weiterleben konnte, einem Wissen über das, was ein Historiker einmal die Preisgabe der europäischen Juden durch die Alliierten genannt hat."
Für Petra Metz, die das französisch-deutsche Literaturfest mitorganisiert hat, ist Yannick Haenels Roman ein herausragendes Beispiel für die Auseinandersetzung mit Erinnerung und Geschichte. Und für eine gelungene literarische Umsetzung.
"Wir haben uns bemüht, Autoren auszuwählen unabhängig von den Büchern, die jetzt gerade im letzten Herbst erschienen sind, sondern mehr den Fokus zu legen auf Autoren, die sich in den letzten zehn Jahren eigentlich immer weiter entwickelt haben. Interessanterweise haben von denen einige im letzten Herbst hervorragende Romane veröffentlicht. Laurent Mauvignier ist so ein Fall, Marie N’Diaye ist so ein Fall, Yannick Haenel ist auch so ein Fall."
Beim Rendez-vous Littéraire treffen je ein französischer und ein deutscher Autor aufeinander. Sie lesen aus ihren Werken, haben aber auch eigens Texte für die Begegnung verfasst. Laurent Mauvignier beispielsweise, der gemeinsam mit Ulrich Peltzer lesen wird, hat sich mit der Frage des Engagements in Literatur und Politik auseinandergesetzt. Die ästhetische Frage sei für ihn im Kern eine politische.
"Ich denke zum Beispiel häufig an den Maler Pierre Bonnard. Er hat das 20. Jahrhundert mit seinen Höhen und Tiefen miterlebt. Aber was hat er gemacht: er hat sein Leben lang seine Frau in der Badewanne gemalt. Mir gefällt es, gegen alle Widerstände an seiner ästhetischen Wahl festzuhalten. Für mich ist das eine politische Haltung in dem Maße wie es eine Geste der Freiheit ist. Denn es geht nicht darum, die Freiheit nur zu fordern, man muss sie auch ausüben. Das bedeutet Kunst für mich."
Laurent Mauvignier gehört, wie auch Yannick Haenel, zu den französischen Autoren, die sich mit Themen der jüngeren Vergangenheit auseinandersetzen. In Frankreich hat vor kurzem sein Roman "Des hommes" Aufsehen erregt. Darin rüttelt der Autor an einem französischen Tabuthema: dem Algerienkrieg. Der liege zwar schon 50 Jahre zurück, aber, so Laurent Mauvignier, gesprochen werde darüber sehr wenig.
"Mich hat das sehr gestört, seit langem schon. Und ich wollte darüber schreiben. Vielleicht möchte ich eine Schuld begleichen oder etwas ausdrücken, das nie gesagt worden ist. Aber es fiel mir sehr schwer, dieses Buch in Frankreich zu schreiben, vor allem den Teil, der in Algerien während des Krieges spielt. Berlin hat mir dabei geholfen."
Denn in Berlin hat Laurent Mauvignier vor zwei Jahren einen Teil dieses Romans geschrieben. Jetzt ist er zurückgekehrt, um daraus zu lesen. Das Rendez-vous Litteraire, bei dem es vor allem viele französische Autoren zu entdecken gibt, verspricht spannend zu werden. Im nächsten Jahr werden dann deutsche Autoren in die Villa Gillet nach Lyon eingeladen.