Renaissancewerke mit dem Canticorum-Ensemble

Lost Treasures - Schätze der Marienbibliothek zu Lübeck

Eine Backsteinkirche mit zwei Türmen steht im nebeligen Abendlicht.
In St. Marien zu Lübeck spielte einst Buxtehude, den Bach unbedingt hören wollte. © imago images / Shotshop
Moderation: Olga Hochweis · 25.11.2020
Die Bibliothek an St. Marien in Lübeck war einst voller Drucke und Stimmbücher von Meistern der Renaissance. Sie wurden für die Chorknaben gesammelt. Heute liegt die Sammlung stückweise in Wien. Das Canticorum-Ensemble hat daraus musikalische Schätze eingespielt.
Die Kompositionen erzählen eine besondere Geschichte, sie sind Teil der ehemaligen Marienbibliothek Lübeck. An St. Marien war Dietrich Buxtehude ab 1668 jahrzehntelang als Organist tätig war – zu Lebzeiten weltberühmt und vielbewundert nicht nur von Johann Sebastian Bach, der sich bekanntlich zu Fuß auf den 400 km langen Weg gemacht hat, um vom großen Meister persönlich zu lernen.
Die monumentale Orgel an der Westseite der Kirche, an der Buxtehude einst gespielt hat, wurde im 2.Weltkrieg zerstört. Erhalten geblieben aber ist über Jahrhunderte die Chorbibliothek von St. Marien: denn auch die Vokalmusik wurde in St. Marien intensiv gepflegt.

Sammlung für den Knabenchor

Ab 1546 hatten die Kantoren von St. Marien mit der Ansammlung von Werken begonnen, die der Knabenchor von der Chorempore im Osten der großen Kirche für die Gottesdienste intonierte: Psalmen, Messen, Magnificat-Kompositionen, aber auch Motetten und geistliche Konzerte. Annähernd 130 Jahre lang wurde in Lübeck gesammelt, bis ins Jahr 1674 hinein. Die Sammlung umfasste 69 Sätze gedruckter und einen Satz handschriftlicher Stimmbücher.

Digitale Wiedervereinigung

Aus Platzgründen gaben die Lübecker Stadtherren die Marienbibliothek im Jahr 1814 an die neugegründete Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Spätere Versuche der Bürger Lübecks, die Sammlung zurückzukaufen, scheiterten. Denn in Wien hatte man die einzelnen Werke längst aus ihren Ledereinbänden herausgelöst und in die dortige Sammlung integriert.
Heute existiert die Sammlung der Marienbibliothek in Lübeck, dank einer rekonstruierten Inventarliste, als virtueller Katalog. Die amerikanische Musikwissenschaftlerin Kerala Snyder hat ihn erstellt.
Essentielle Werke daraus, etwa von Orlando di Lasso, Giovanni Gabrieli, Hans Leo Haßler und Clemens non Papa, hat das Vokalensemble Canticorum ausgewählt und aufgenommen. Das Canticorum-Ensemble setzt sich aus Sängerinnen und Sängern des WDR Rundfunkchors zusammen. Auf Renaissance und Frühbarock liegt das besondere Augenmerk.
Und wie immer am Ende des Monats blicken wir zurück auf die Neuerscheinungen der letzten Zeit:
St. Pantaleon, Köln
Aufnahmen vom Juli und Oktober 2018/2019
Lost Treasures - Werke der ehemaligen Marienbibliothek Lübeck
von Gabrieli, Haßler, Palestrina, Hollander, Croce u.a.

Ensemble Canticorum:
Benita Borbonus, Sopran
Sabine Kallhammer, Sopran
Beate Koepp, Alt
Kanako Sakaue, Alt
Christian Dietz, Tenor
Joachim Streckfuß, Tenor
Alexander Schmidt, Bariton
Manfred Bittner, Bass

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