Renaissance des Science-Fiction-Jazz

Per Klarinette durch die Galaxis

Szene aus der deutschen Science-Fiction-Serie "Raumpatrouille" (1966) mit Wolfgang Völz, Dietmar Schönherr. Eva Pflug und Claus Holm
Szene aus der deutschen Science-Fiction-Serie "Raumpatrouille" (1966) © imago stock&people
Von Jan Tengeler · 08.05.2017
Mit Sun Ra wurde der Jazz in den 50ern galaktisch, einige Jahre später ging es auch im deutschen Fernsehen mit der "Raumpatrouille" dank Peter Thomas' Klangexperimenten jazzig ins All. Heute feiert der Sci-Fi-Jazz eine Renaissance in der Musikszene - wir haben uns umgesehen.
Dieser Countdown dürfte vielen Fernsehzuschauern noch bekannt sein – denn so begann vor gut 50 Jahren "Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion", Deutschlands erste Science-Fiction-Serie:
Die Stimme für den Countdown wurde mit einem Vocoder verfremdet – heute in der Musikproduktion oft verwendet, damals noch ein absolutes Novum. Peter Thomas war dafür genauso verantwortlich wie für die Filmmusik, die Big Band Jazz, Neue Musik und psychedelische Klänge verband.
Passend zum 50. Jubiläum hat Peter Thomas im letzten Jahr ein Update seiner Musik geliefert, gemeinsam mit dem Mocambo Astronautic Sound Orchestra. Die Kompositionen sind die Gleichen, dafür hatte sich die Instrumentierung verändert, unter anderem durch den Einsatz einer Steel Drum.

Mit der Big Band ins All

Peter Thomas hat mit seinem futuristisch anmutenden Big Band Sound viele Musiker beeinflusst und das macht er bis heute. Zum Beispiel den Hamburger Kontrabassisten, Komponisten und Produzenten Felix Behrendt. Der verband in seinem Hörspiel "Kommander Börte" abenteuerliche Science-Fiction-Geschichten mit imposanten Big Band Sounds und auch sein "Felice Sound Orchestra" glitzert in einem futuristischen Sounddesign wie die Sterne am Nachthimmel.
Natürlich gibt es viele Einspielungen deutscher Jazzmusiker, zu denen das Adjektiv "spacig" irgendwie passt. "Sci-Fi Jazz" im engeren Sinne muss das aber nicht unbedingt sein. Und: was könnte man mit dem Begriff denn überhaupt beschreiben? Der Kölner Saxofonist und Klarinettist Niels Klein gibt mit seinem Quartett "Tubes and Wires" einen Einblick.
"Meine Gedankenwelt, in der die Musik entsteht, ist schon geprägt von meiner Vorliebe für Sci-Fi-Literatur, Lem und Dick, die philosophische Variante, es geht um Visionen, was passieren kann, um gesellschaftliche Zusammenhänge… Ich mag an Sci-Fi beides, das Gedankenvolle, aber ich steh' auch auf Raumschiffe und Raketen, die optische Funseite, das spiegelt sich alles in der Musik wieder."

Experimente mit dem Klarinett

Die Band "Tubes and Wires" von Niels Klein ist ein unkonventionell agierendes Quartett. Lediglich das Schlagzeug ist hier ausschließlich als Schlagzeug zu hören. Die anderen drei Musiker - Gitarre, Tasteninstrumente und Gebläse - können und sollen verschiedene Rollen übernehmen, als Melodie oder Harmonieinstrument, aber auch in der Bassfunktion. Niels Klein spielt verschiedene Klarinetten, die er zudem durch Effekte verfremdet.
"Die Stücke für die Band schreibe ich speziell für diese Band. Ich arbeite mit einem speziellen Klarinetten-Setup, das mir harmonische Möglichkeiten bietet. Das ist ein selbstgebasteltes intuitives System, wo aus der Beschäftigung mit Effekten und Klarinetten etwas entsteht, auf das ich sonst nicht kommen würde…. Ich verwende eine Hammy Pedal, aus einem Ton werden zwei zusammen mit einem Delay, das wiederholt sich, dann wird etwas zweistimmige, dann wird das gegeneinander gespielt, dann kann ich vierstimmig spielen… Ich suche stundenlang: Welche Sachen sind möglich?"

Avantgarde und Astrologie

Sci-Fi Jazz – Niels Klein lässt sich dabei nicht nur von entsprechenden Filmen und Literatur inspirieren, sondern auch von anderen Musikern. Eines seiner Vorbilder ist Scott Robinson. "ScienSonic Laboratories" nennt sich die Firma, mit der der US-amerikanische Multi-Instrumentalist zukunftweisende Jazzmusik aufnimmt und veröffentlicht. Ein Teil der Erlöse geht sogar an die "Space Foundation", die wiederum eng mit der NASA zusammenarbeitet. Und natürlich darf bei Robinson auch der Verweis auf Sun Ra und sein Arkestra nicht fehlen.
Der Pianist und Komponist hat bereits in den 1950er Jahren gezeigt, was Sci-Fi-Jazz bedeuten kann. Nämlich eine Welt voll unerhörter, avantgardistischer Klänge, die der umstrittene Musiker zudem mit astrologischen Predigten und Philosophien untermauert hat. Vor 2 Jahren hat Robinson denn auch eine Neuauflage des Albums "The Heliocentric Worlds of Sun Ra" veröffentlicht, das erstmals 1965 erschien: Die Mischung aus zuweilen minimalistisch anmutender Klassik und Big Band Free Jazz gilt bis heute als Meilenstein dessen, was Sci-Fi-Jazz bedeuten kann.
Hören Sie dieses wegweisende Album hier:
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