Rembrandts Ochse hat das letzte Wort
In seinem Debütroman illustriert Volker Demuth das Leben des Biochemikers Arne, der von verhängnisvollen Fügungen heimgesucht wird. Seine Frau und sein Kind verunglücken, er verliert seinen Job, fängt an zu trinken, nach einer bestialischen Tat verlässt er Berlin und flüchtet nach Guatemala. Auf dem Flug grübelt er über sein Leben nach - und über Rembrandts Ochsen.
Es gehört zu den bis heute gern verwendeten literarischen Mitteln, als Autor einen fingierten Herausgeber einzusetzen, dessen Aufgabe es ist, einen Rahmen für die eigentliche Erzählung zu schaffen. Goethe hat das in den "Leiden des jungen Werther" so gehandhabt, und auch Autoren des Realismus wie Theodor Storm nutzten diesen Kunstgriff zur Beglaubigung des Erzählten.
Dass die Herausgeberfiktion in der Postmoderne nicht ausgedient hat, zeigt der bislang als Lyriker und Essayist hervorgetretene Volker Demuth in seinem Debütroman "Stille Leben". Dessen Prolog definiert das Setting: Eine Geowissenschaftlerin findet in einem Haus in Guatemala ein Konvolut von Disketten, dessen Material – Aufzeichnungen, Berichte, Gespräche – eine mehrere Jahre zurückliegende, turbulente Lebensgeschichte ausbreitet.
Die folgenden vier Romanteile folgen einem Altaraufbau - linker Flügel, Mitteltafel, rechter Flügel, Predella - und rücken den Biochemiker Arne ins Zentrum. Dieser hat, davon erzählt der Romanschluss, eine bestialische Tat begangen, verlässt seinen letzten Wohnsitz Berlin und sitzt, Anfang 2002, im Flugzeug nach Guatemala. Dieser Langstreckenflug gibt Anlass zu Rückblenden und Reflexionen, was aus "Stille Leben" ein komplexes Buch macht, das mehrere Ich-Erzähler installiert und zu verschiedenen Schauplätzen (Paris, New York, Berlin, Stockholm) führt.
Arnes Biografie ist von Schicksalsschlägen geprägt. Von Kindesbeinen unter Krankheiten leidend, von denen ihm eine linksseitige Gesichtslähmung geblieben ist, verliert er seine Frau Ute und seinen Sohn Anton, mit denen er ein "Eigenheim-Familie-plus-guter-Beruf-Ideal" zu verwirklichen suchte, bei einem Autounfall. Fortan gerät sein Leben aus den Fugen; er trinkt und gibt seinen lukrativen Job bei einer Biotechfirma auf.
Dass die Herausgeberfiktion in der Postmoderne nicht ausgedient hat, zeigt der bislang als Lyriker und Essayist hervorgetretene Volker Demuth in seinem Debütroman "Stille Leben". Dessen Prolog definiert das Setting: Eine Geowissenschaftlerin findet in einem Haus in Guatemala ein Konvolut von Disketten, dessen Material – Aufzeichnungen, Berichte, Gespräche – eine mehrere Jahre zurückliegende, turbulente Lebensgeschichte ausbreitet.
Die folgenden vier Romanteile folgen einem Altaraufbau - linker Flügel, Mitteltafel, rechter Flügel, Predella - und rücken den Biochemiker Arne ins Zentrum. Dieser hat, davon erzählt der Romanschluss, eine bestialische Tat begangen, verlässt seinen letzten Wohnsitz Berlin und sitzt, Anfang 2002, im Flugzeug nach Guatemala. Dieser Langstreckenflug gibt Anlass zu Rückblenden und Reflexionen, was aus "Stille Leben" ein komplexes Buch macht, das mehrere Ich-Erzähler installiert und zu verschiedenen Schauplätzen (Paris, New York, Berlin, Stockholm) führt.
Arnes Biografie ist von Schicksalsschlägen geprägt. Von Kindesbeinen unter Krankheiten leidend, von denen ihm eine linksseitige Gesichtslähmung geblieben ist, verliert er seine Frau Ute und seinen Sohn Anton, mit denen er ein "Eigenheim-Familie-plus-guter-Beruf-Ideal" zu verwirklichen suchte, bei einem Autounfall. Fortan gerät sein Leben aus den Fugen; er trinkt und gibt seinen lukrativen Job bei einer Biotechfirma auf.
Allgegenwart von Körper und Fleisch
Während die Liebe zu Ute, einer Kommilitonin, eher sachlicher Natur war, lodert Arnes Leidenschaft auf, als er im Pariser Louvre der unberechenbaren Künstlerin Caroline begegnet. Beide sind von Rembrandts Gemälde "Geschlachteter Ochse" gebannt, wie sich überhaupt in Arnes Interesse für Küchen- und Jagdstillleben des 16. und 17. Jahrhunderts ein Leitmotiv dieses klug komponierten Romans zeigt: die Allgegenwart von Körper und Fleisch. Mal äußert sich diese im Sexuellen, mal im Politischen – etwa in den New Yorker Ereignisse des 11. September 2001.
Volker Demuth ist ein mit Diskurs- und Medientheorien vertrauter Autor, der daran festhält, die Lebensentwürfe seiner Figuren nur noch als "Episoden" erzählen zu können. Stilistisch verfängt er sich mitunter darin, zu viel Belesenheit transportieren zu wollen und Einfaches umständlich zu beschreiben. Doch wo der Roman den immer neuen Anläufen von Arne, Caroline und deren Schwester Manuela mit erzählerischen Mitteln folgt, verrät er viel von der Hilflosigkeit der Versuche, zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf ein tragfähiges Lebensmodell zu setzen. Rembrandts blutige Schlachthofbilder scheinen das letzte Wort zu behalten.
Besprochen von Rainer Moritz
Volker Demuth ist ein mit Diskurs- und Medientheorien vertrauter Autor, der daran festhält, die Lebensentwürfe seiner Figuren nur noch als "Episoden" erzählen zu können. Stilistisch verfängt er sich mitunter darin, zu viel Belesenheit transportieren zu wollen und Einfaches umständlich zu beschreiben. Doch wo der Roman den immer neuen Anläufen von Arne, Caroline und deren Schwester Manuela mit erzählerischen Mitteln folgt, verrät er viel von der Hilflosigkeit der Versuche, zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf ein tragfähiges Lebensmodell zu setzen. Rembrandts blutige Schlachthofbilder scheinen das letzte Wort zu behalten.
Besprochen von Rainer Moritz
Volker Demuth: Stille Leben
Verlag Klöpfer & Meyer, Tübingen 2013
336 Seiten, 22,50 Euro
Verlag Klöpfer & Meyer, Tübingen 2013
336 Seiten, 22,50 Euro