Religion

Das gestrandete Raumschiff im Taunus

Von Anke Petermann · 14.03.2014
Die Bahai-Religion hat weltweit rund sechs Millionen Anhänger, verstreut in mehr als 200 Ländern. Ihr europäisches Zentrum hat die jüngste der Weltreligionen in Hofheim am Taunus.
Aufmerksam hören die Kasseler Konfirmanden zu, was Erich Strehnisch über seine Religion erzählt. Gestiftet vom persischen Propheten Baha’u’llah Mitte des 19. Jahrhunderts, glauben die Bahai an die religiöse Einheit in der Vielfalt. In Moses, Jesus, Mohammed und ihrem eigenen Religionsgründer sehen sie Boten desselben Gottes, Verkünder einer Offenbarung, die sich stetig erneuert. Völkerverständigung ist ihr Anliegen. Deshalb verboten die Nationalsozialisten diese Religionsgemeinschaft in Deutschland. Im Iran werden die Bahai als Ketzer verfolgt. Seit mehr als zehn Jahren betreut Erich Strehnisch das Bahai- Informationszentrum in Hofheim am Taunus.
"Ich selbst komme aus dem Protestantischen. Ich habe das Christentum, als ich Bahai wurde, nicht aufgegeben. Das gibt keiner auf. Christus ist für den Bahai ein Prophet, den ich anerkenne. Das einzige, was ich mach‘, und das machen auch die Muslime, die Bahai werden: Sie werden nach wie vor Mohammed akzeptieren, aber sie lehnen die Institution ab."
Kirche ohne Priester
So wie Strehnisch selbst aus der Kirche austrat, als er Bahai wurde. Sakramente wie die Taufe, aber auch Predigten und Priester sind mit dieser Religion nicht vereinbar. Hier ist jeder Gläubige selbst für seinen Glauben verantwortlich. Mit 15 können Jugendliche entscheiden, dieser Glaubensgemeinschaft beizutreten. Für die getauften 14-Jährigen aus Kassel klingt das alles ungewohnt. Sie vermissen klare Grenzen und Gegensätze.
"Das Böse - gibt’s das im Bahaitum auch? Weil - mir ist aufgefallen, dass es sehr, sehr, sehr friedlich ist."
Das Böse, der Satan - Fehlanzeige, aber auch keine Heilsgewissheit. Die würde er vermissen, meint der angehenden Religionspädagoge Jonas Eckel, der die Konfirmanden für das Internet-Projekt www.relgionen-entdecken.de begleitet. "Was ist mit dem Absolutheitsanspruch jeder einzelnen Offenbarungsreligionen", fragt Mario Wege. Der Kasseler Pfarrer tut sich schwer damit, Jesus zu einem von vielen Propheten degradiert zu sehen.
"Also, ich bin n Mensch, der besser damit leben kann, wenn Andersgläubige ein bissel Profil zeigen. Das ist mir hier zu verschwommen. Und mir fällt es nicht schwer, meinen muslimischen Nachbarn, der hat ne Auto-Werkstatt und bietet mir im Fastenmonat Ramadan seine Gastfreundschaft an, und wir können auf Augenhöhe miteinander sprechen, das ist für mich n bissel klarer."
Die Gruppe geht ein paar Schritte vom Informationszentrum hinauf zum Haus der Andacht. In dem Kuppelbau rezitieren die Bahai aus Heiligen Schriften verschiedener Religionen, ohne sie auszulegen. 570 rautenförmige Fensterchen lassen das Sonnenlicht in den Tempel fallen. Barbara Wolf-Krause, Leiterin des Kinder-Wissensprojekts "religionen-entdecken" beeindruckt das.
"Die Schlichtheit ist schon erst mal n bisschen befremdlich, wenn man aus einer katholischen kleinen Barockkirche kommt wie ich. Aber je länger man darin sitzt, merkt man: Man kann sich hier sehr gut auf sich konzentrieren und Ruhe finden und mit Gott sprechen."
Mit dem Versöhnungsansatz der Bahai hat Wolf-Krause kein Problem.
"Eigentlich haben alle das gleiche Ziel"
"Also, mir kommt es sehr toll vor, dass es eine Religion gibt, die eine Einheit schaffen will, sozusagen. Denn ich habe mich, als ich mich Rahmen dieser Website mit Religionen beschäftigt hab‘, das Gefühl gehabt, eigentlich wollen alle das Gleiche, und eigentlich haben alle das gleiche Ziel, warum kann es nicht eine Religion sein? Das Ziel finde ich auf jeden Fall ein gutes, und ich fühle mich sehr wohl bei dem Gedanken."
Ein Besuch bei den Bahai - Anlass, die eigene religiöse und weltanschauliche Perspektive zu schärfen.