Religiöse Übersetzungsarbeit

Von Andreas Malessa |
Was bedeuten für Katholiken die Begriffe Glauben und Wahrheit, was für Evangelische die Worte Offenbarung und Vernunft? Mit einem gemeinsamen Forschungsprojekt wollen evangelische und katholische Theologieprofessoren dies herausbekommen und mit dem wechselseitigen Verstehen die Ökumene stärken.
Drei Choralstrophen lang konnte man meinen, dies sei eine ökumenische Gemeinde. Es waren aber rund 150 evangelische und katholische Theologieprofessoren sowie hochrangige Amts- und Würdenträger beider Konfessionen, die in Tübingen das Ergebnis eines bisher einzigartigen, beinah kuriosen Forschungsprojekts feierten: Drei evangelische Professoren hatten untersucht, was Katholiken meinen, wenn sie zum Beispiel "Glaube", "Wahrheit" oder "Kirche" sagen, und drei katholische Professoren hatten erforscht, was Protestanten meinen, wenn sie zum Beispiel "Offenbarung", "Mensch" oder "Vernunft" sagen. Grundlagenforschung nennt man so etwas bei Ingenieuren. Fundamentaltheologie heißt das unter Klerikern.

Die evangelische Fakultät der Uni Tübingen und die päpstliche Lateranuniversität in Rom wagten damit den gemeinsamen Versuch, sich das charakteristisch Eigene ihrer Konfession vom jeweils anderen beschreiben zu lassen.

"Weil, die Frage ist auch: Wenn wir denselben Begriff benützen - Gnade, Sünde, Offenbarung - sprechen wir über dieselbe Sache? Oder spricht man über etwas anderes? Und das überprüfen heißt: Kompetenz erreichen, im Dialog sein und auf diesem Wege auch etwas zusammen erleben - und besonders ein Blick in eigene Identität zu werfen. Das ist sehr wichtig für uns."

Professor Lubomir Zak aus Slowenien ist katholischer Priester und lehrt an der päpstlichen Hochschule in Rom. Er ist neben dem evangelischen Professor Christoph Schwöbel einer der beiden Herausgeber des 650 Seiten dicken Ergebnisbandes dieser Arbeit, die immerhin sieben Jahre dauerte. "Sag Du mir, was für mich typisch ist" - so einfach und zutreffend heißt das hochwissenschaftliche Werk natürlich nicht, sondern "Grund und Gegenstand des Glaubens nach römisch-katholischer und evangelisch-lutherischer Lehre". Dazu der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Wolfgang Huber:

"Ich hab die Einladung gerne aufgenommen, weil ich den innovativen Charakter dieses Unternehmens gerne unterstütze und auch herausstellen möchte. Mein These, die ich auch hier in Tübingen vorgebracht habe, heißt nun zunächst einmal, dass wir es hinbekommen müssen, dass auch bei solchen Differenzen im Verständnis der Lehre vom kirchlichen Amt der wechselseitige Respekt für das Kirchesein der jeweiligen anderen Seite eine unerlässliche Voraussetzung dafür ist, dass wir ökumenische Fortschritte erzielen können - und wir es mit einer asymmetrischen Situation genau im Umgang mit dieser Thematik gegenwärtig zu tun haben."

Asymmetrisch besetzt war auch die Buchpräsentation - insofern, als zwar der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber, nicht jedoch der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitzsch, oder wenigstens der örtlich zuständige katholische Bischof Gebhardt Fürst erschienen waren. Ob aus Desinteresse am Projekt oder aus Missbilligung des forschen Alleingangs zweier Universitäten - wer weiß das so genau.

EKD-Chef Wolfgang Hubers demonstrativ gute Laune konnte das nicht trüben. Nein, das Ratzinger-Diktum aus dem Jahr 2000, Protestanten seien nicht Kirche im eigentlichen Sinne, die desaströse ökumenische Versammlung im rumänischen Hermannstadt 2007 - nein, das alles sei kein fortschreitender Niedergang, denn schließlich habe man ja im April 2007 die gegenseitige Anerkennung der Taufe unterschrieben.

"Die Taufe ist das Band der Einheit. Die Taufe ist das große ökumenische Sakrament! In Deutschland ein neues Bewusstsein für die Bedeutung der Taufe wachzurütteln, würde übrigens auch heißen, eine weitgehende Taufvergessenheit in unseren Kirchen zu überwinden."

Um Begriffe wie "Taufe" oder "Amtsautorität" geht es aber erst beim nächsten Mal. Das Forschungsprojekt der Universitäten Tübingen und Rom wird nämlich fortgesetzt.

Lubomir Zak/Christoph Schwöbel: Grund und Gegenstand des Glaubens nach römisch-katholischer und evangelisch-lutherischer Lehre
Verlag Mohr-Siebeck, 49 Euro