Reisen #instaworthy

"Impression management" statt Erholung

Eine Frau schießt am Strand von Limassol (Zypern) ein Selfie. Zu ihren Füßen sitzt ein braungescheckte Katze.
Nicht einmal die süße Katze darf mit aufs Bild - nur me, my selfie and I © picture alliance / dpa / Katia Christodoulou
Catarina Katzer im Gespräch mit Ute Welty · 04.08.2018
Das exotischste Reiseziel, die schönste Bräune - und dann alles in wunderschönen Fotos auf Instagram gepostet. Ist das noch Urlaub?, fragt die Psychologin Catarina Katzer und warnt vor drei gravierenden Nebenwirkungen dieses Trends.
Me, My Selfie and I - Urlaub ist zum gnadenlosen Wettbewerb der Ich-Inszenierung geworden. Ist nur noch wert, bereist zu werden, was sich in perfekt konfektionierten Fotos auf Instagram teilen lässt?
Beim Reisen trete das eigene Erleben immer mehr in den Hintergrund, kritisiert die Kölner Cyberpsychologin Catarina Katzer. Statt um das Gefühl, einen Sonnuntergang zu sehen oder am Strand den Sand zwischen den Füßen zu spüren, gehe es um das, was wir anderen darüber mitteilten: "Also, das Produkt eigentlich, das ich mit dem Smartphone mache und das ich anderen zeigen kann, die dann das Gefühl bekommen, auch daran teilzuhaben."

Wir werden immer narzisstischer

Dieser Trend hat Katzer zufolge gewaltige Nebenwirkungen: Zum einen verliert der Urlaub seinen Erholungsfaktor. Kraft zu tanken oder einfach nur am Strand rumzuhängen spielten bei dieser Art von Reisen keine große Rolle mehr, kritisiert sie.
Ein Hochzeitspaar sitzt auf einem Felsen am Strand und macht ein Selfie
Ein Hochzeitspaar am Strand© Tatiana Gonzales/Unsplash
"Es muss das Besondere sein und es muss vor allen Dingen so wertvoll sein, dass ich es anderen über Instagram oder Whatsapp oder Facebook mitteilen kann, dass die sagen: Wow, Mensch, was machen die für einen außergewöhnlichen Urlaub!" Und es sei einfach auch anstrengend, immer neue Superlative zu finden.
Touristen machen vor dem Trevi-Brunnen in Rom Selfies.
Wer ist hier eigentlich die Sehenswürdigkeit? Die Touristen oder der Trevi-Brunnen in Rom.© imago stock&people
Zum anderen werde dadurch der Trend zum Narzissmus verstärkt. "Wir sehen auch anhand internationaler Studien, dass seit den 2000er-Jahren gerade die jungen Menschen deutlich narzisstischer und deutlich ich-zentrierter werden und dass sozusagen auch das Umfeld drumherum, die Freunde, auch der Partner, da ein bisschen instrumentalisiert werden, dass sie benutzt werden, um bestimmte Fotos zu machen, oder auch um mitzuteilen, schaut mal, ich bin in einer ganz tollen Gruppe."

Das Smartphone ist zum Körperteil geworden

Schließlich vergrößert sich Katzer zufolge auch die Abhängigkeit vom Smartphone, das für viele fast schon zum Körperteil geworden sei: "Wir tragen es entweder in der Hosentasche, in der Brusttasche oder viele laufen ja immer mit dem Gerät in der Hand rum." Und wenn das Smartphone dann doch einmal nicht dabei sei, entwickelten viele gewissermaßen "Phantomschmerzen".
Die Lösung? Digital Detox sei sinnvoll, meint Katzer. Allein schon, um das Verhältnis zum Smartphone zu reflektieren und wie dieses einen verändert hat. "Ich sehe, dass viele Menschen, die solche Zeiten einlegen, ganz entspannt zurückkommen und auch eine ganz andere – ich würde sagen: Selbstwirksamkeit für sich und für ihr Umfeld auch wieder entwickeln."
"Wir müssen wieder einen Schritt zurückgehen, wir müssen uns auch bewusst machen, dass eigentlich das wirkliche Erleben, das nicht durch den Screen gefiltert ist, im Endeffekt diese emotionale Erinnerung auch prägt und speichert und dass das eigentlich das Wichtige ist."
(uko)
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