Reisen durch verschiedene Stile und Epochen

Von Gerrit Stratmann |
Im Chor „Sturm und Klang“ singen junge Berufstätige und Studenten. Mit Pop, Swing, Klassik oder Kinderliedern stehen sie ganz in der Nachfolge sehr unterschiedlicher Traditionen.
Münster, Dienstagabend im Hittorf-Gymnasium. Während draußen ein Eisregen niedergeht, wünscht der Chor „Sturm und Klang“ dem Besucher drinnen musikalisch einen schönen Tag. Denn entgegen seinem Namen ist Sturm und Klang eigentlich …

„… ein ganz aufgeschlossener, freundlicher, vielleicht familiärer Chor schon, und dieser atmosphärisch freundliche, helle, familiäre Charakter, der steht für mich im Mittelpunkt.“

Jörg Bitting ist 33, Lehrer für Geschichte, Deutsch und Musik, und seit 2001 einer von zwei Chorleitern bei Sturm und Klang. Die andere Hälfte der Doppelspitze ist Kerstin Moser. Die Grundschullehrerin übernahm den Chor bereits 1998 und holte Bitting später ins Boot. Seitdem laufen die Proben doppelt so effizient: Wenn Jörg Bitting die Männerstimmen einstudiert, kümmert sich Kerstin Moser parallel um die Frauen.

„Und zwar seid ihr noch ein bisschen vorsichtig. Ihr braucht nicht so vorsichtig sein, ja?“

Warum sie damals die Leitung des Chores übernommen hat, weiß sie selber nicht mehr so genau:

„Das kann ich eigentlich gar nicht gut erklären, weil ich damals gesagt habe, als ich gefragt wurde: Das geht nicht, ich hab keine Zeit! Und dann hab ich aber eine Woche lang nachts nicht mehr in Ruhe schlafen können, weil's mich einfach so in den Fingern gejuckt hat. Und nach einer Woche hab ich dann gedacht, wenn ich jetzt so viel Zeit damit verbringe, drüber nachzudenken, ob ich es mach oder nicht, kann ich es ja auch gleich machen. Und ich hab's bis heut noch nicht bereut.“

Pop, Folk, Klassik – die 20 Sängerinnen und Sänger haben sich auf kein bestimmtes Genre festgelegt. Andrea Bitting war schon drei Jahre Mitglied des Chores, bevor ihr Mann als Chorleiter dazukam. Dank ihrer tiefen Stimme unterstützt sie die sechs Männer im Tenor. Ihre Liebe gilt zwar vor allem den Gospelstücken. Aber im Grunde hofft sie bei jedem Lied immer auf den besonderen Moment:

„Es geht gar nicht darum, dass die Töne gerade sind, sondern es geht darum, dass das Gefühl bei allen da ist. Also, selbst wenn die Töne schief sind, aber bei allen die Nackenhaare hoch gehen, ist es eigentlich das, was man erreicht in einem guten Gospel.“

Katrin: „Also ich find's immer ganz toll, wenn man ein Stück anfängt zu erarbeiten, und dann mitzukriegen, wie so ein Stück wächst. Und wenn man dann da so steht und das Lied ist fertig und auf einmal hört es sich einfach ganz toll an, das find ich einfach total faszinierend, das macht riesig Spaß.“

Katrin Knüfer ist ebenfalls Grundschullehrerin und seit 2004 bei Sturm und Klang im Sopran. Die wenigen Jahrestermine des Chores haben bei ihr einen festen Platz im Kalender: das Probenwochenende, das Weihnachtsmarktsingen und natürlich die ein bis zwei öffentlichen Konzerte. Viel zu wenig sind das, bedauert Tatjana Hauser – ebenfalls Grundschullehrerin – und beklagt mit spielerischer Entrüstung, dass andere Chöre viel mehr Zuhörer anziehen:

„Unsere Konzerte sind immer wunderschön, aber wir singen ganz viel für Freunde und Familien. Und eigentlich wünschen wir uns alle, dass ganz Münster mal merkt, was wir für ein toller Chor sind. Und wenn wir dann auf andere Konzerte gehen, dann ärgern wir uns immer, was es für Chöre gibt, die gar nicht so toll sind wie wir, die aber Riesenräume füllen und ganz viel Werbung machen, und wir immer denken, Mensch, irgendwas machen wir falsch.“

Bei der Gründung des Chores 1991 war keiner der jungen Berufstätigen oder Studenten von heute mit dabei. Aus dieser Anfangszeit stammte nur noch der Name, den der Chor bis vor einem Jahr getragen hat: Mixture Vokale hieß er bis dahin. Antiquiert, unaussprechbar und zu steif, lautete das einhellige Urteil. Jedoch die Namensfindung gestaltete sich schwieriger als gedacht. Erst 2010, erinnert sich Tenor Jens Joest, brachte das gemeinsame Chorwochenende endlich den ersehnten Durchbruch:

„Also solange ich dabei bin, war eigentlich immer so ein Running Gag: Hat nicht einer einen schönen, neuen Namen für uns? Aber es gab irgendwie keine brauchbaren Vorschläge, und dann hat man auf der Rückfahrt von diesem Chorwochenende in einem der Autos – wir waren da mit Fahrgemeinschaften unterwegs – einfach mal überlegt: Komm, es kann doch nicht sein, dass wir keinen Namen finden, haben angefangen zu spinnen und bei dieser Sammlung ist dann der Name bei rumgekommen, den wir jetzt heute tatsächlich auch haben.“

In der Musik geht Sturm und Klang auf Reisen durch verschiedene Stile und Epochen. Mit seinen Auftritten bleibt er jedoch dem Münsterland treu. An Wettbewerben nimmt der Chor nicht teil. Leiterin Kerstin Moser möchte keinen unnötigen Leistungsdruck in dem Freizeitprojekt aufbauen. Das verdürbe ihr und Jörg Bitting nur die Freude daran, und die – da sind sich beide einig – ist einfach unverzichtbar auf den Proben.

Kerstin: „Wenn alle ein Schmunzeln auf den Lippen haben, dann klingt der Chor einfach besonders gut, und eigentlich ist es immer dann, wenn wir mit Spaß proben, am effektivsten.“

Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im „Chor der Woche“ sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der „normalen“ Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.