Reise voller Schrecken

"Der Glanzrappe" ist das schönste Pferd der Welt, und in Robert Olmsteadts Roman ist es der kleine Robey, der es reiten darf. Doch der Junge muss auf der Suche nach seinem Vater auch schlimmste Gemetzel durchleben, alle Schrecken und Grausamkeiten des US-Bürgerkrieges im 19. Jahrhunderts - der Autor beschreibt sie mit ungemein poetischer Kraft.
Von wegen eine "amerikanische Ilias", ein ritterliches Ringen auf "geheiligtem Boden" wie der Pulitzerpreisträger Bruce Cat-ton einst eines seiner Bücher über den amerikanischen Bürger-krieg nannte. Ein grauenhaftes Gemetzel war diese Auseinander-setzung zwischen dem rohstoffreichen Süden und dem industrialisierten Norden der USA, der auf eben diese Rohstoffe ange-wiesen war.

Zahllose Bücher, historische und populärwissenschaftliche Wer-ke, aber auch Belletristik, sind über diesen von 1861-65 tobenden Krieg geschrieben worden. Noch nie aber wurden dessen Greuel mit einer derart poetischen Grausamkeit von geradezu goyahafter Kraft dargestellt wie in dem Roman "Der Glanzrap-pe", dem jetzt bei Eichborn in der Anderen Bibliotek erschienenen neuen Roman des amerikanischen Schriftstellers Robert Olmstead, seinem dritten auf Deutsch.

Mit eindringlich knappen, geradezu hypnotisch schlichten Sätzen schildert Olmstead die Schönheit der noch fast unberührten Natur im Süden des seinerzeit weitgehend ländlichen Amerikas und setzt dann einen jähen Kontrapunkt: die Randerscheinungen des Krieges, niedergebrannte Farmhäuser, gemeuchelte Zivilisten, Mord, Raub und Fledderei im Gefolge der Heerscharen - der Untergang allen Anstands, der mit dem Krieg einhergeht.

Der Leser erlebt dies aus der Perspektive eines Farmerjungen aus den Bergen im Süden, einer Art amerikanischem Simplicissimus. Robey Childs ist vierzehn Jahre alt, "alt genug, um das Land zu bestellen, aber noch nicht alt genug, um dafür zu sterben", als er von der Mutter losgeschickt wird, um den Vater aus dem Krieg heimzuholen, weil sie die Sache des Südens für verloren hält.

Auf der ersten Etappe seiner Reise bekommt er ein prachtvolles Pferd geschenkt, den titelgebenden Glanzrappen aus dem Nachlass eines toten Kavallerieoffiziers, mit dem er durch ein geschundenes Land reitet, in dem Prediger ihre Schutzbefohlenen schänden und Mordbrenner ganze Familien auslöschen. Er wird niedergeschossen, verliert den Rappen, wird auf der Suche nach ihm als Spion festgenommen, gerät in ein rasch zum Gemetzel ausartendes Gefecht zwischen Unionstruppen und Konföderierten.

Und ist dennoch nicht auf das Grauen vorbereitetet, das ihn am Schlachtfeld von Gettysburg erwartet, wo er den tödlich ver-wundeten Vater inmitten Tausender Leidensgenossen vorfindet. Hier wird die Suche nach dem Vater zur Suche nach sich selbst, dem Mann, der Robey werden muss, wenn der Vater nicht mehr ist.

Mit kargen, fast bockigen Dialogen und nüchtern-trockenen Gedankenbildern wird dieser Werdegang geschildert, pragmatisch und doch mit einer ungemein poetischen Kraft. Olmstead erzählt souverän, erklärt nichts und lässt den Leser die Leerstellen füllen, die er bewusst setzt.

So schreibt ein sehr selbstbewusster Schriftsteller, der an seine Leser glaubt und sie teilhaben lässt an der Kunst des Erzählens. An den Träumen eines Jungen, der das schönste Pferd auf der Welt reiten darf, die schlimmsten Alpträume seines Lebens übersteht und daraus seine ureigenen Lehren zieht.

Rezensiert von Georg Schmidt

Robert Olmsteadt: Der Glanzrappe
Übersetzt von Edith Nerke und Jürgen Bauer
Die Andere Bibliothek, Eichborn Verlag, Frankfurt 2008
260 Seiten, 28 Euro