Reise in ein Universum der Männlichkeit

Ernest Hemingways Protagonisten sind Großwildjäger, Hochseeangler, Stierkämpfer - der Schriftsteller erschuf eine durch und durch männliche Welt. Zu seinem 50. Todestag am 2. Juli erscheint eine Hörspieledition mit acht Werken.
"Um Mitternacht kämpfte er wieder. Und diesmal wusste er, dass der Kampf sinnlos war."

Allein weit draußen auf dem Ozean hat der alte Santiago den Fisch seines Lebens am Haken: Ein herrlicher Schwertfisch, länger als Santiagos Boot. Zwei Tage und zwei Nächte dauerte der Kampf mit dem Fisch. Und nun kommen die Haie.

"Sie kamen in einem Rudel, und er konnte nur die Linien, die ihre Flossen auf dem Wasser machten, sehen und ihr Leuchten, als sie sich auf den Fisch stürzten. Er schlug mit seiner Keule auf Köpfe ein und hörte Rachen aufspalten und das Beben des Boots, als sie sich unten festbissen."

"Der alte Mann und das Meer": Für diese Novelle bekam Hemingway 1954 den Literaturnobelpreis, im "Best of" fehlt sie natürlich nicht. Hemingway war Mitte 50 damals, einer der erfolgreichsten und bekanntesten US-amerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Er fuhr zum Hochseeangeln, schoss Löwen in Afrika, boxte, begeisterte sich für den spanischen Stierkampf und trank Unmengen Whiskey. Um eben jene Testosteron-geschwängerte Welt kreisen auch seine Werke.

Gespräch in der Bar in Key West: 'Hallo Harry, wohin?' - 'Tach, ich komm gleich' - 'Was hat er denn mit dem Halunken zu schaffen, dem Simmens? Geht’s ihm denn so dreckig?' - 'Und ob‘s ihm dreckig geht, er hat ziemlich Pech momentan. Da bleibt ihm ja nichts anderes übrig, als Sprittouren zu fahren.'"

1955 inszenierte der "Süddeutsche Rundfunk", heute SWR, Hemingways Roman "Haben und Nichthaben" 1955 als Hörspiel. Zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Stunde Null in Deutschland sollten die Hörer sich ins ferne Key West, Florida, versetzen können, wo Harry Morgan beim Schnapsschmuggel hätte bleiben sollen, statt finstere Gangster nach Kuba zu schippern.

"Fieser kubanischer Gangster: 'He, passt auf Jungs, er hat ne Flinte!' - Knatter, Schießerei, Geschrei, Harry (zu sich): 'Oh, jetzt hat mich so ein Saukerl erwischt.'"

Die Edition versammelt acht Hörspiele, die meisten aus den 50er Jahren. "Best of Hemingway" ist damit auch eine reizvolle Reise zurück in die analoge Frühzeit des deutschen Rundfunks: Maschinengewehre klingen wie Knallfrösche und knirschender Kies soll Afrika Steppen versinnbildlichen. Aber diese rudimentäre Geräuschkulisse passt gut zum minimalistischen Stil Hemingways, der auch Reporter und Kriegsberichterstatter gewesen war.

"'Das Hörspiel bringt: Das kurze, glückliche Leben des Francis Macomber - Löwenjagd in Afrika! Große Safari!'"

In dieser Kurzgeschichte aus dem Jahr 1936 offenbart Hemingway, der vier Mal verheiratet war, seinen äußerst seltsamen Blick auf Frauen: Francis, ein reicher Playboy aus Amerika, ist vor einem angeschossenen Löwen panisch davongerannt. Jagdführer Wilson musste die Raubkatze töten. Francis Frau Margaret reagiert abends im Zelt mit tiefer Verachtung:

"'Willst du dich schon legen?' - '"Ja. Wilson meint, wir müssten sehr früh aufstehen, wenn wir die Büffel in günstigem Gelände treffen wollen. Er hofft, an der Tränke.' - 'Das ist dann wohl nicht so gefährlich, was? Das könntest selbst du, meint er wohl.' - 'Lass das. Ich hab jetzt genug davon.' - 'Von was?'"

Ein wahrer Mann muss auch angesichts tödlicher Gefahr standhaft bleiben, man kann verlieren, aber darf nie aufgeben, lieber tot als feige sein: Solch antiquierte Vorstellungen von Männlichkeit vermittelt Hemingway auch in den weiteren Werken der Edition: "Wem die Stunde schlägt", "Schnee auf dem Kilimandscharo", "In einem andern Land". In der Boxer-Geschichte "Um eine Viertelmillion" und in dem Stierkampf-Drama "Der Unbesiegte".

"'Die Leute kommen, um Blut zu sehen. Es ist also keine schöne Geschichte, die ich Ihnen erzähle. Sie ist auch nichts für Tierfreunde, Großmütterchen oder Kindergärten.'"

Stierkämpfer Manuel Garcia hat als typischer Hemingway-Held seine besten Zeiten hinter, als er auf einen wahren Riesen von Stier trifft, dem Garcia kaum gewachsen ist, der ihm alles abverlangt. Dieses Hörspiel von Karl Ebert, der in den 50er Jahren viele Hemingway-Storys für den Rundfunk inszenierte, ist einer der Höhepunkte der beeindruckenden Edition, weil es die Corrida aus der Sicht des Toreros schildert, der sich mutterseelenallein in der Arena dem Stier stellen muss.

"Garcia (zu sich): 'So, jetzt halt! Muleta entfalten. Eins seiner Hörner ist gesplittert, als er gegen die Barrera knallte. Der lässt dich nicht aus den Augen, bleibt in Defensive, spart sich auf. Muleta, hu, Toro! Toro! Seine Beine straffen sich. Hoch mit der Muleta, da kommt er!' (Stier schnaubt ins Mikro) '"Nah war das, verdammt nah. Aber ich war keinen Zentimeter gewichen!'"

Der manisch-depressive Hemingway verhandelt in seinen Geschichten fundamentale Fragen des Lebens: Krieg und Tod, Liebe und Hass, Kampf ums Überleben, Treue und Verrat. Auch die Hörspiele kreisen immer wieder um diese Fragen. Das stört aber nicht: Im Gegenteil entwickelt die thematische Redundanz auch dank der reduzierten altmodischen Machart der Hörspiele einen Sog, dem man sich – auch als Frau - nicht entziehen kann.

Besprochen von Vanja Budde

Best of Ernest Hemingway: Die große Hörspieledition
Der Audio Verlag, Berlin 2011
8 CDs, 49,99 Euro; auch als Einzeltitel erhältlich zu je 9,99 Euro
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