Reihe "Swinging London"

Styler zwischen Clubs und Flohmärkten

Flohmarkt auf der Portobello Road in London.
Fundstätte für Retro-Mode: der Flohmarkt auf der Portobello Road in London. © picture alliance / dpa / Chris Hoffmann
Von Robert Rotifer · 20.04.2016
Vor 50 Jahren wurde London zum Hotspot der Popkultur: Das Musikleben der "Swinging City" spielte sich zunächst in kleinen Clubs ab, wobei jede Musikszene ihren eigenen hatte. Hipster-Mode fand man vor allem auf Flohmärkten oder in Secondhandläden.
Es ist der 4. Dezember 1964, noch spricht niemand von Swinging London, aber es poltert heftig in der Wardour Street. Der Gitarrist, der da die letzten Lebenszeichen aus einem gepeinigten Akkord quetscht, heißt Eric Clapton.
"Five Live", ein Album von den Yardbirds, aufgenommen im Marquee Club, als das Londoner West End vor Live-Lokalen nur so strotzte. Neben dem Marquee gab es den "100 Club", "Les Cousins" und den "Troubadour" für die Folkies, "Ronnie Scotts" für die Jazzer, das "Flamingo" und den "Scene Club" für die Mods.
Nach dem Gig trafen sich die jungen Popstars in exklusiveren Clubs wie dem "Scotch of St. James" oder dem "Bag O'Nails" und für die Teenies gab es "Tiles", ein Keller-Emporium unter der Oxford Street mit Live-Musik und Modeboutiquen.

Bands tourten durch Londons Vororte

Aber London war damals schon mehr als bloß das West End, und ein Großteil seiner Live-Szene fand jenseits des Blickfelds der Medien statt. Die größten Bands der Zeit tourten die ganze Woche über durch die Vororte. Annie Flowers wuchs Mitte der Sechziger-Jahre als Teenagerin in Hampstead, im Norden Londons auf.
"Ich war im perfekten Alter für die ganze Musikszene. Man konnte Bands billig im nächsten Gemeindesaal sehen. Ich sah die Yardbirds, Georgie Fame & The Blue Flames, und die Doors im Roundhouse. London war eine Reihe von Dörfern und man musste nicht weit fahren. Das meiste, was ich machte, passierte in meiner eigenen Gegend in Nordlondon. Es war sicher nicht elitär, fast jeder konnte sich das leisten, und auch die Kleider waren leicht zu kriegen. Viele Leute gingen zu Geschäften wie Biba oder Bus Stop, um Kleider zu kaufen, aber am Kensington Market konnte man Imitationen davon kriegen."
Um 1966 herum gewinnen mit dem Auftauchen von Retro-Moden Flohmärkte und Secondhandläden an Gewicht. "I Was Lord Kitchener's Valet" an der Portobello Road verkauft alte Uniformjacken und "Granny Takes A Trip" an der King's Road adaptiert viktorianische Kleidung für moderne Zeiten.
In St. James, gleich neben dem Scotch of St. James eröffnen Freunde von Paul McCartney mit seiner Unterstützung die "Indica Gallery", wo neue Underground Magazine wie die "International Times" verkauft werden, und wo später John Lennon Yoko Ono trifft.

Kleidung in wilden, blumige Farben

Joe Boyd, damals ein junger Amerikaner in London, erinnert sich:
"Mein Swinging London war die Underground-Szene vom Sommer 1966: Die ersten psychedelischen Events, Pink Floyd-Konzerte, und Leute, die sich in wilden blumigen Farben kleideten."
Ende 1966 macht Joe Boyd gemeinsam mit John Hopkins genannt Hoppy, UFO, Londons ersten psychedelischen Club auf, samt desorientierenden Projektionen und erst Pink Floyd, dann The Soft Machine als Hausbands, jeden Freitag in einer irischen Tanzhalle an der Tottenham Court Road. Es dauert nicht lange, bis die Behörden dem bunten Treiben ein Ende setzen.
Joe Boyd: "Wir hatten keine Alkohollizenz, das machte es so leicht. Alle tranken nur Softdrinks. Aber als die Zeitung 'News of the World' ein angeblich im UFO-Club fotografiertes Bild einer nackten 15-Jährigen druckte, mussten wir umziehen."
Als UFO zusperren musste, zog der Club weiter ins Roundhouse im bis dahin definitiv nicht swingenden Camden Town, und so beginnt der Auszug der Hipster aus dem West End, das Ende von Swinging London.
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