Reihe: Schöne Bescherung

Der wirre Weg der Weserburg

Von Franziska Rattei  · 17.12.2013
Turbulenzen in der Weserburg: Im Sommer trat Direktor Carsten Ahrens zurück, der Umzug des Museums für moderne Kunst in einen Neubau platzte. Seitdem wird über den künftigen Standort diskutiert.
Seit mehr als 20 Jahren zieren die Worte des amerikanischen Konzeptkünstlers Lawrence Weiner die Weserburg, Bremens Museum für moderne Kunst. "Auf Sand gebaut" steht da in großen weißen Lettern auf den alten Speicherhäusern. Worte, die auch heute noch gelten. Denn die Zukunft der Weserburg ist auf Sand gebaut, steht auf wackeligen Beinen. Das rote Backstein-Gebäude befindet sich inmitten der Weser, auf der Teerhofinsel.
Laut Kulturressort wiegen Unterhalt und notwendige Sanierung millionenschwer – dabei muss die öffentliche Bremer Hand sparen, wo immer es geht. Anstelle einer Sanierung ist deshalb nun (mal wieder) ein eventuell preiswerterer Umzug des Museums im Gespräch. Dietrich Reusche, Betriebsratsvorsitzender in der Weserburg, schüttelt darüber den Kopf.
"Wenn jetzt so gesprochen wird: die Weserburg sei marode oder ruinös, sei eine ruinöse Immobilie. Dann muss man den Fakten doch mal ein bisschen ins Auge schauen: wo sind Zahlen, wo sind Belege für das Marode und Ruinöse. Das Fundament ist gut. Es gab 2007 ein Gutachten, das schon sehr konkret gewesen ist, was aber davon ausgeht, dass die Weserburg durchaus gut sanierbar ist."
Eine Grundsanierung sei wohl angemessen, meint Reusche. Aber dann könne der Weserburg eine lange Zukunft auf der Teerhofinsel bevorstehen. Glaubt man der lokalen Presse, dem Senat und ein paar Gerüchten, könnte die Zukunft des Museums aber auch auf der anderen Seite der Weser liegen: in den Wallanlagen, direkt neben der Bremer Kunsthalle. Deren Direktor, Christoph Grunenberg, begrüßt diese Idee aus mehreren Gründen.
"Weil dann hat man eine Konzentration von kulturellen Einrichtungen, dann profitiert man von den Besuchern, die eben mehr als eine Einrichtung benutzen und man kann natürlich auch davon profitieren, dass man verschiedene Arbeitsbereiche dieser beiden Organisationen zusammenlegt."

Der argentinische Künstler Uriburun kippte für ein Werk neongrüne Farbe in die Weser.
Nicht nur im Museum ist Kunst zu bestaunen. Der argentinische Künstler Uriburun kippte für ein Werk neongrüne Farbe in die Weser.© dpa / picture alliance / Ingo Wagner
Die Kooperationsgespräche beginnen gerade erst, aber Grunenberg könnte sich gut vorstellen, inhaltlich, organisatorisch und personell nah zusammenzuarbeiten. Und kapitale Einsparungen ließen sich ja dann am besten machen, wenn man auch geografisch nah zusammenrücke, so der Kunsthallen-Direktor.
"Es muss da eine ganz einschneidende, breite Zusammenarbeit geben. Weil sonst – muss man auch ganz ehrlich sein – sonst lohnt sich das nicht."
Die unterschiedlichen Trägerstrukturen – die Kunsthalle als privater Verein, die Weserburg als Stiftung, seien dabei auch kein unüberbrückbares Hindernis, meint Grunenberg. Genau solche Äußerungen bereiten dem stellvertretenden Direktor der Weserburg Sorgen. Peter Friese fürchtet eine - in Anführungsstrichen - "feindliche Übernahme" statt einer Kooperation auf Augenhöhe.
"Kooperieren kann ich nur mit einem Partner. Die Weserburg braucht eine eigene Leitung, ein eigenes Konzept und ein eigenes Profil. Sie kann nicht eine Unterabteilung der Kunsthalle werden. So verstehe ich Kooperation."
Privater Mäzen hat Unterstützung gekündigt
Von einer geplanten Weserburg-Unterabteilung könne keine Rede sein, sagt der Kunsthallen-Direktor Grunenberg. Eigenständigkeit und Identität des Museums für moderne Kunst sollten in jedem Fall gewahrt bleiben. Aber ein Stück weit müsse man sich schon fügen, da drüben auf der Teerhofinsel. So wie es derzeit ist, könne es kaum bleiben angesichts der prekären finanziellen Situation.
Schließlich steht der Weserburg ein hartes Jahr bevor: ein privater Mäzen hat seine Unterstützung gekündigt, ab 2014 fehlen der Weserburg jährlich 500.000 Euro. Sie wird sich trotzdem halten, ist sich Interimsdirektor Friese sicher. Was als erstes Sammlermuseum Europas begann, ist auch heute noch einzigartig – auch wenn inzwischen viele Museen mit Privatsammlern zusammenarbeiten.
"Nur bei uns wird Gegenwartskunst in einer derartigen Zuspitzung und in einem Mischungsverhältnis präsentiert, dass man das wie ein Kontrastprogramm wahrnehmen kann. Nur bei uns wird in einer Zeit, in der Ankäufe praktisch nicht mehr möglich sind und in einem Haus wie dem unsrigen, das über keine eigene Sammlung verfügt, ist es möglich, bedeutende Kunstwerke der Gegenwart zusammenzuholen und in ein Mischungsverhältnis zueinander zu setzen. Das können andere Museen – weder in Bremen noch in anderen Städten – nicht."
Noch ist die Zukunft der Weserburg auf Sand gebaut – es ist so, wie es seit mehr als 20 Jahren mit Lawrence Weiners Worten auf dem Gebäude geschrieben steht. Ein Umzug der Weserburg ist bislang nur ein Gedankenexperiment. Allerdings eines, das der Stadt viel Geld einbringen könnte - spekuliert zumindest der Betriebsrat des Museums. Das nicht denkmalgeschützte Gebäude könne ein Investor schnell abreißen, die Stadt mit dem Verkauf des Grundstücks Millionen einstreichen. Offiziell ist davon freilich keine Rede.
Carmen Emigholz, Staatsrätin für Kultur, will bis zum Sommer berechnen lassen, ob die Zahlen für die Gebäudesanierung auf der Teerhofinsel oder für einen Umzug in die Wallanlagen nahe der Kunsthalle sprechen. So oder so: das übergeordnete Ziel sei es, die Weserburg zukunftssicher aufzustellen und Gegenwartskunst attraktiv zu präsentieren in der Hansestadt. Für ein kurzes Gespräch zur Zukunft der Weserburg fehlte der Kulturstaatsrätin laut Pressesprecher die Zeit. Eine schöne Bescherung in Bremen.
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