Reihe: Junge deutsche Architekten

Sich treu bleiben ohne Rücksicht auf die Auftragsbücher

Von Lotta Wieden · 02.01.2015
Anfang 30, gerade noch auf der Uni - und schon ein paar Preise gewonnen, einen Umzug von Weimar nach Berlin bewältigt und mit den Aufträgen klappt es für Max, Nicolas und Bastian auch gut. Den Auftraggebern nach dem Mund reden wollen sie allerdings nicht.
Und, schon wieder ein erster Preis! Diesmal für den Entwurf einer Musikschule in Baden-Württemberg.
Das Jahr 2014 war das bislang erfolgreichste für Max Niggl, Nikolas Savić und Bastian Sevilgen, sie alle sind Anfang 30: Kennengelernt haben sich die drei als Studenten an der Bauhaus-Universität Weimar. Ihre Stärke: Entwürfe für große öffentliche Bauvorhaben – Museen, Theater, Bibliotheken.
Noch während des Studiums gründen sie eine Firma, gewinnen Preise – lange bevor sie sich offiziell überhaupt Architekten nennen dürfen. Darunter: der 1. Preis für den Entwurf eines Kulturhauses auf dem Campus der Goethe-Universität in Frankfurt/Main und – ebenfalls Platz 1 – für den Neubau einer Probebühne in Gießen. Nur gebaut haben sie bislang noch nie, denn sämtliche Wettbewerbe gewannen Sie als freie Mitarbeiter anderer, bereits etablierter Architekturbüros.
Nikolas Savić: "Weil es um super viel Geld geht, es geht um viel Verantwortung, und es geht um sehr viel Erfahrung, die man mitbringen muss um ein Projekt durchzuführen. Ich meine: Wo bringt man denn die Erfahrung mit, ein komplettes Gebäude für fünf oder zehn Millionen zu bauen, wenn ich 30 bin und das noch nie gemacht hab?"
Aus eben diesem Grund steigen die meisten Berufsanfänger nach dem Studium erst einmal bei großen Büros ein: als Angestellte. Schon im Kleinen anpassen statt nach eigenen, großen Lösungen zu suchen? Wollten wir nicht, sagt Max Niggl.
Bereits an der Uni trafen er und seine Mitstreiter auf ihren ersten Auftraggeber: ein Dozent mit gut laufendem aber überlastetem Architekturbüro in Bayern. Aus dem Mentoren-Verhältnis entstand nach und nach eine Partnerschaft, in der die drei Berufsanfänger ihre Stärken im Entwerfen ausspielen und – quasi als Subunternehmer des etablierten bayrischen Büros – von Anfang an – an hochklassigen, geladenen Wettbewerben teilnehmen konnten.
Max Niggl: "Also wir mussten von Anfang an Geld verdienen, wir mussten auch davon leben, was in Weimar jetzt nicht viel war: also jeder braucht vielleicht 600 Euro, da waren wir noch Student, da hat das gereicht. Das Büro hat 200 Euro gekostet, also es war relativ wenig, aber wir haben es halt verdient."
Die Stärken und Schwächen des andere erkennen
Im Nachhinein hätten sie wohl einfach die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit getroffen, sagt Nikolas Savić: So wie den Umzug nach Berlin-Neukölln, wo heute ihr Büro liegt – im Erdgeschoss eines Gründerzeithauses zwischen "Pizza-Prima", Klunker-Kranich und Tattoo-Shop: Zwei Arbeitsräume, hohe Fenster – früher war hier mal ein Second Hand für Elektro-Geräte drin. Jetzt stehen hier drei 27-Zoll Bildschirme. In der Küche läuft die Espressomaschine:
"Ich glaub' ein großer Vorteil ist, dass wir jetzt die ganzen drei Jahre, in denen wir zusammen arbeiten, auch gelernt haben unsere Stärken und Schwächen zu kennen und immer jeden Schritt, den wir gemacht haben, egal ob jetzt Büro-Organisation oder Entwurf oder was auch immer, immer aufgebaut haben. Das ist fast wie so ein kollektives Gedächtnis... Und die Phase kommt natürlich auch in anderen Büros, wenn man sich selbstständig macht. Aber wir haben das quasi jetzt schon, zu einem sehr, sehr frühen Zeitpunkt... und wir haben quasi gemerkt nach ner Zeit: Okay, wir sind befreundet und wir können gut miteinander arbeiten – was irgendwie auch ein Sechser im Lotto ist, weil das ist nicht selbstverständlich."
"Dreigegeneinen" – diesen Namen wollen die drei Büroinhaber auch als Ansage in Sachen Diskussionskultur verstehen: Kein erzwungener Konsens, sondern offener Meinungsaustausch, Kontroversen, Reibung:
"Aber daraus entstehen eben auch diese ganzen kreativen Prozesse und gute Ergebnisse."
Jüngstes Beispiel: ein Kommentar zum geplanten Romantikmuseum in Frankfurt Main. Mutlosigkeit warf das junge Berliner Architekturbüro den Frankfurter Stadtvätern vor – nicht irgendwo, sondern im Internet auf ihrer Website und auf facebook. Fanden nicht alle gut:
Nikolas Savić: "Max fand das nicht so gut, dass wir uns so klar geäußert haben, weil das haben eher Basti und ich gesagt, dass wir das jetzt so rein schreiben, und dazu Stellung beziehen. Max fand das nicht so gut ."
Max Niggl: "Also ich fand's auch nicht so komplett mutlos, was da so produziert worden ist."
Bastian Sevilgen: "Aber es ist auch so ein Grundproblem bei Architekten wie man sich positioniert oder auch nicht. Normalerweise ducken Architekten immer, und reden immer dem Bauherren oder auch dem Auftraggebern irgendwie nach. Wodurch man in so eine Rolle kommt, dass man irgendwie gar nichts mehr machen kann, und auch darüber ausgenutzt wird, auch wenn es ein öffentlicher Auftraggeber ist, kann das nicht schaden, weil es kommt irgendwie auch wieder zurück. Sicherlich verprellt man vielleicht mal einen Auftraggeber, wenn man sagt: Mach ich nicht, ist hässlich oder finde ich sinnlos, aber der nächste Auftraggeber findet das vielleicht genau das gut, dass man eine Haltung hat."
Haltung zeigen, das wollen die drei auch im nächsten Jahr: Wenn sie zum ersten Mal bauen (mit einem Partnerbüro): ein Hotel in Trier. Und wenn sie zum ersten Mal einen großen Wettbewerb unter ihrem eigenem Namen gewinnen – ohne Partner im Rücken. Sollten sie auch damit Erfolg haben, ist die Gründungsphase von "dreigegeneinen" endgültig vorbei.
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