Reife TV-Girlies und wortgewaltiger Geschlechterkampf

Vorgestellt von Hans-Ulrich Pönack · 28.05.2008
"Sex and the City" ist der Kinofilm zur gleichnamigen TV-Serie und auch hier geht es nur um Männer, Mode, Manolos sowie die Freundschaft weiblicher Großstadtsingles. "Interview" ist ein Remake eines Films des verstorbenen Filmemachers Theo van Gogh in dem ein Journalist und eine Soap-Darstellerin wortreich sich bekriegen.
"Sex and the City"
USA 2008. Regie: Michael Patrick King. Darsteller: Sarah Jessica Parker, Kim Cattrall, Kristin Davis, Cynthia Nixon, Chris Noth, David Eigenberg u.a. FSK: ab 12. Länge: 145 min.

"Sex and the City" von Michael Patrick King (USA 2007), dem 53-jährigen amerikanischen Drehbuch-Autor, TV-Produzenten und TV-Regisseur der gleichnamigen Fernsehserie. Für seine Arbeit wurde er mit zwei Emmys ausgezeichnet. Mit dem Film nach der TV-Serie hat Michael Patrick King nunmehr seinen ersten Kinofilm abgeliefert. Also: Heute geht es im Kino mal nicht um Serienkiller, soziale Spannungen, düstere Dauer-Depressionen, Special Effects, Animationsspäße, alte Abenteurer, Detektive, korrupte Polizisten oder Tarzan-Helden, sondern es geht vielmehr um: Stilettos von Manolo Blahnik (das sind Designer-Luxus-Schuhe), perfekte, also sündhaft teure Wohnungseinrichtungen, um Designer-Handtaschen, um Männerfleisch, Eheleid, Familien-Glück, also um Männer, Mode, Sex, also um das ganze schöne Traum- und Illusionsprogramm von TV-Serie und jetzt Kinofilm.

"Sex And The City", das waren zunächst bzw. ursprünglich autobiographische Kolumnen von Candace Bushnell, die sie Anfang der 90er Jahre regelmäßig in der Zeitung "New York Observer" veröffentlichte. Später entstand das Buch nach den Kolumnen, das dann 1996 zum Bestseller avancierte. Danach kam die erfolgreiche TV-Serie: Vom 6. Juni 1998 bis zum ersten Quartal 2004 liefen dann - beim privaten TV-Kanal "HBO" - 94 Folgen; hierzulande wurden sie (ab dem 18. September 2001) bei "Pro 7" ausgestrahlt. Dauer-Thema, natürlich: vier Frauen über 30 und ihre amourösen Erlebnisse in der Großstadt New York; ihre Freundschaft, ihre Auseinandersetzungen, ihre Diskussionen und Gedanken zu vielen Fragen zwischenmenschlicher Beziehungen.

Nebenbei erfuhren interessierte Männer augenzwinkernd, wie und über welche Themen Frauen sprechen, wenn sie sich über Liebe, Sex und Kerle aussprechen. In "Wikipedia" ist zu lesen: "Der Erfolg der Serie, die Sexualität und Beziehungen der städtischen Frauen ab 30 in der heutigen Zeit zum Thema hat, deckt zugleich Klischees und Rollenzuschreibungen des Geschlechterverhältnisses auf und geht spielerisch reflektierend, aber stets publikumstauglich und konsensfähig mit ihnen um".

Die Serie wurde natürlich häufiger von Frauen als von Männern gesehen. Nun kommt also "das bekannte (TV-)Personal" auf die große Leinwand: Sarah Jessica Parker (43) als quirlig-modebewusste Kolumnistin/Bestseller-Autorin Carrie Bradshaw; Kim Cattrall (51) als sexbesessene Public Relations-Beraterin Samantha Jones; Cynthia Nixon (42) als zynisch-frustrierte Ehefrau, Mutter und Anwältin Miranda Hobbes; Kristin Davis (43) als konservative Charlotte York, die in ihrer Rolle als Anwalt-Ehefrau mit chinesischem Adoptivkind glücklich ist.

Man bildet eine Art "Mädels-WG", die sich immer wieder trifft, um zu palavern, herumzuzicken, um sich zwischen Penthouse und Starbuck permanent auszutauschen über Gefühle, Mode, Sex, Männer und umgekehrt; über gelebte Gefühle in jedweder Emotionsbreite. Reife TV-Girlies in einem nunmehr größeren (Leinwand-)Schaufenster. Beziehungsweise: Das Bunte-Bühne-Mädels-Kino, mit umfangreicherem Schau- und Hör-Wert: Von der Kostüm-Designerin des Films, Patricia Field, stammt der Ausspruch:

"Ich schätze, die vier Hauptfiguren ziehen sich insgesamt weit über 300 Mal um".

Sie sei sicher, dass es in dem Film über 1000 Kostüme gebe. Und vom Erfolgs-Ein-Mann-Bühnenstück "Caveman" stammt bekanntlich die Erkenntnis: Frauen benötigen täglich mindestens 7500 Worte, Männer etwa 2500. Dabei gibt es auch eine "bewegende Story": Carrie ist sich mit ihrem Lover, Mr. Big (Chris Noth), einig, die Hochzeit winkt, in einem weißen Traumkleid. Doch dann kriegt er plötzlich "kalte Füße", sagt ab. Trauer und Trösten sind nun innerhalb der WG angesagt, dann aber...

Hatte "Schlimmes" erwartet, mit meinen männlichen Vorurteilen, bin aber angenehm überrascht. Das hier wird flott-flockig-bunt-charmant-quatschig-komisch, typen-fein und darstellerisch überzeugend belichtet, geschildert, vorgeführt. Und dass die vier Protagonistinnen bisweilen auch ungeschminkt in Seele und Körper erscheinen, lässt die Weiber-Show ebenso reizvoll wie sympathisch erscheinen. Immerhin 144 Kino-Minuten werden nie langweilig.

Es ist keineswegs großer Männer-Stress, sich dies hier auch anzutun; ansonsten aber werden, natürlich, viele Frauen hierauf fliegen, nicht wahr? Während wir uns an den guten alten Loriot-Spruch amüsiert erinnern: "Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen".

"Interview"
USA 2007. Regie: Steve Buscemi. Darsteller: Steve Buscemi, Sienna Miller, Michael Buscemi, Tara Elders, David Schecter, Molly Griffith. FSK: ab 12. Länge: 84 min

<im_44733>"Interview" (NUR IM ZUSAMMENHANG MIT DEM FILMSTART)</im_44733>Der 50-jährige Steve Buscemi zählt seit vielen Jahren zu den besten Außenseiter-Typen im amerikanischen Independent-Kino. Mit seiner unverwechselbaren Physiognomie und Mimik wird er vor allem für neurotische oder paranoide Charaktere und Verlierertypen besetzt (wie zum Beispiel 1992, in "Reservoir Dogs - Wilde Hunde", dem Debütfilm von Quentin Tarantino; oder 1998 in "The Big Lebowski" von den Coen-Brüdern, wo schließlich "seine Asche" eine wesentliche dramaturgische Rolle spielt, oder 2003 in "Big Fish - Der Zauber, der ein Leben zur Legende macht"). Im Film "Fargo - Blutiger Schnee", ebenfalls von den Coen-Brüdern (1996), wird der von ihm gespielte Carl Showalter wiederholt als "irgendwie schräg" beschrieben; und genau für diesen Typus wird Buscemi immer wieder gerne engagiert.

Der ehemalige Möbelpacker, Eisverkäufer und Feuerwehrmann, der nebenbei Unterricht am renommierten New Yorker Lee-Strassberg-Schauspielstudio nahm, dreht auch selber Kinofilme: "Trees Lounge", zu dem er auch das Drehbuch verfasste, war 1996 sein Regie-Erstling; im Jahr 2000 folgte "The Animal Factory - Rache eines Verurteilten".

Sein dritter eigener Kinofilm ist das amerikanische Remake eines gleichnamigen holländischen Films aus dem Jahr 2003 von Theo van Gogh. Der niederländische Filmregisseur, Publizist und Satiriker wurde bekanntlich am 2. November 2004 von einem islamischen Fundamentalisten ermordet. Noch zu Lebzeiten hatte der Regisseur, ein Urenkel von Theo van Gogh, dem Bruder Vincent van Goghs, drei amerikanische Remakes seiner (insgesamt 19 fertig gestellten) Filme geplant: "06" (von 1994), "Blind Date" (von 1996) sowie "Interview", allesamt kämpferische Geschlechter-Duelle.

"Das Interview" ist ein reiner Dialog-Spannungsfilm. Von Anfang an dominieren Worte. Wie Gewehrschüsse abgegeben, zielen sie direkt, konsequent und beabsichtigt auf den anderen, um ihn zu verletzen, aus der Reserve zu locken oder auch um eine bissige Pointe anzubringen. Ein intellektuelles Machtspiel der Gedanken und der Seelen von 84 Minuten. Wie ein verbaler Boxkampf aufregend angesiedelt.

Der Ort: Ein großzügiges New Yorker Loft. Einer der beiden Kontrahenten: Der Journalist Pierre Peders. Der hat sich vor allem als Kriegsberichterstatter seine Sporen verdient, hat während seiner Reisen um die Welt viele schreckliche, grausame Dinge gesehen, die ihn haben desillusioniert werden lassen. Mit Gewalt und Unmenschlichkeit ist er bestens vertraut.

Gerade als er in einem politischen Skandal ermittelt, bekommt er einen "Sonderauftrag": Er soll die populäre Soap-Darstellerin Katya interviewen. Für ihn eine journalistische Degradierung, was er auch deutlich in Worte und Körpersprache zum Ausdruck bringt. Doch was in einem Lokal beginnt, dann abgebrochen wird, setzt sich in ihrer Wohnung fort.

Und dabei erweist sich die vermeintliche Halb-Blondi-Promi durchaus als schlagfertige Gegnerin, die ihm gut bis überlegen Paroli zu bieten weiß. Ein "sportlicher" Schlagabtausch zwischen zwei Kulturen, Welten, Typen, der nie so verläuft, wie man vermutet. Zwischen "echt" und "gemacht", zwischen "boshaft" und "sanft", zwischen "klug" und vermeintlich "doof". Mit intellektuellem Charme, mit schwarzem Humor und bissigen Intrigen; mit einer geballten Ladung an sexueller Spannung. Mit pikanten Pointen-Fouls. Und wie ein leidenschaftliches Verbal-Schachspiel angelegt, bei dem ständig Verlierer- und Gewinner-Seite wechseln. Bis die Entscheidung verblüffend wie unerwartet feststeht.

Ein packendes Kammerspiel, ein reizvoller Darsteller-Wettkampf. Weil "Kontrahentin" Sienna Miller (Nebenrolle als labile Partygängerin in "Alfie"/2005) mit Buscemis Rotz-Kerl prächtig mitzufighten versteht; eine tolle Akteurin.

Und auch hier, natürlich: Das ewige Geschlechter-Duell, Frau/Mann im ewigen Clinch; prima-funktionierend, weil raffiniert-unterhaltsam-klug wie gedanklich-knisternd wie komisch-clever-pointiert dargeboten. Die Blonde und der Intellektuelle: Mal ein ganz anderer, mal ein wirklich außergewöhnlicher Kinofilm.