Reiche in der Pandemie

"Jetzt wäre der Moment, Solidarität zu üben"

07:50 Minuten
Die Illustration zeigt einen tiefen Graben zwischen einem reichen Stadtviertel und einem armen Stadtviertel. Auf jeder Seite stehen sich drei Menschen gegenüber.
Die ökonomische Kluft zwischen Arm und Reich hat sich während der Coronakrise weiter vertieft, beobachtet die Journalistin Julia Friedrichs. © imago / Ikon Images
Julia Friedrichs im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 30.04.2021
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"Wer hat, der gibt": In einem offenen Brief fordert eine neue Initiative, Reichtum umzuverteilen. Die Coronakrise gehe zulasten niedriger Einkommen, meint auch die Autorin Julia Friedrichs. Sie vermisst Angebote der Reichen, zu teilen.
Reichtum umzuverteilen durch eine gerechtere Steuerpolitik, gerade in Zeiten der Coronakrise: Das fordert die Initiative "Wer hat, der gibt" in einem offenen Brief an die Bundesregierung. Viele Prominente haben unterzeichnet, so der Schriftsteller Christoph Hein, der Armutsforscher Christoph Butterwegge und die Schauspielerin Maren Kroymann.
Julia Friedrichs im Porträt
„Wo sind denn die Reichen, wenn man sie mal braucht?“, fragt die Autorin Julia Friedrichs.© picture alliance / ZB /Karlheinz Schindler
Die Ansicht, dass die Lasten der Pandemie ungleich verteilt sind, teilt auch die Autorin Julia Friedrichs. In ihrem Buch "Working Class" fragt sie: "Wo sind denn die Reichen, wenn man sie mal braucht?"
Diese Frage habe sie während ihrer Recherchen sehr beschäftigt, betont Friedrichs: "Wir haben eine sehr hohe Vermögenskonzentration am oberen Ende und es gab da wenige Initiativen, dass Menschen gesagt haben: Wo kann ich mich beteiligen, wo kann ich etwas abgeben?"

190 Dollarmilliardäre steigern ihr Vermögen

Vermögen seien teils "drastisch" gewachsen, niedrige Einkommen hingegen geschrumpft, so die Autorin: "Auch in Deutschland ist es so, dass die 190 Dollarmilliardäre ihr Nettovermögen während der Coronapandemie noch mal um fast 100 Milliarden Dollar haben steigern können. Das ist ja schon ein Batzen."
Dass Unternehmer durch eine höhere Besteuerung aus dem Land getrieben werden könnten, hält Friedrichs für ein "Hilfsargument": "Fakt ist, dass kaum ein Industrieland Vermögen und große Erbschaften so niedrig besteuert wie Deutschland. Wir finanzieren unser Land durch Abgaben auf Arbeit und auf Konsum. Das trifft vor allem die Menschen, die von ihrer Arbeit leben. Ich glaube, dass das ein Missverhältnis ist, das man angehen muss."
Menschen müssten das Gefühl haben, dass es "im Grunde fair" zugehe, findet Friedrichs. "Es geht nicht darum, Ungleichheit zu beseitigen, Ungleichheit kann auch eine Triebfeder sein", sagt sie. Doch gerade bei den Vermögen habe diese "ein Ausmaß erreicht, wo es ins Gegenteil kippt". Initiativen wie "Wer hat, der gibt" sieht sie als wichtigen Impuls: "Es gibt in Deutschland Menschen, die hatten exzellente Jahrzehnte. Jetzt wäre der Moment, Solidarität zu üben."
(bth)
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