Reha-Patient oder Erfolgsmodell?

Sie sollte eines der wichtigsten Reformvorhaben der rot-grünen Bundesregierung werden. Jetzt droht die Gesundheitspolitik zur ersten Sollbruchstelle der frischgebackenen großen Koalition auszuwachsen. Nicht zuletzt deshalb haben sie Union und SPD zunächst aus den Verhandlungen ausgespart.
Der Streit aber schwelt weiter: Die Union will die Pläne von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt zur Gleichbehandlung von Kassen- und Privatpatienten auf keinen Fall mittragen. Die SPD-Politikerin wolle die umstrittene Bürgerversicherung durch die Hintertür einführen und die Privatversicherung abschaffen. Das gebe der Koalitionsvertrag nicht her, so die Kritik seitens CDU und CSU.

Auch der Protest der Ärzte ließ nicht lange auf sich warten: Sollten die Honorare angeglichen werden, drohten immense finanzielle Einbußen und Praxisschließungen, warnte der Ärzteverband Hartmannbund und kündigte einen "heißen Winter" an. Ministerin Schmidt verteidigt indes ihren Vorstoß, mit dem sie die bestehende "Zwei-Klassen-Medizin" und Ungleichbehandlung abschaffen will.

Die Bilanz nach knapp zwei Jahren Gesundheitsreform: Der Patient ist chronisch krank, Prognose ungewiss. Behandlungsmöglichkeiten: Durch politischen Streit und Machtpoker seitens der Lobbyisten sehr eingeschränkt. Dazu ein Milliardenloch bei den Kassen, zu hohe Kosten, Ärztestreiks - ein Teufelskreis.

Nur, wie kann das defizitäre Gesundheitssystem finanziert werden?
Wie kann das Gesundheitswesen modernisiert werden, ohne dass den Versicherten noch mehr in die Tasche gegriffen und die Leistungen noch stärker eingeschränkt werden müssen?

"Unser Problem ist, dass wir als Versicherte möglichst wenig zahlen, aber als Patient die beste Versorgung haben wollen", bringt es Jürgen Wasem, Professor für Medizin-Management an der Universität Duisburg-Essen auf den Punkt. Der Politikberater hat in mehreren Gremien, u.a. in der Herzog-Kommission, an Empfehlungen für die Gesundheitspolitik mitgearbeitet. "Wir können nicht die Privatversorgung abschaffen und den Ärzten sagen, ihr habt zehn bis zwölf Prozent Umsatzbeinbußen, was de facto ein Gewinneinbruch von 20 Prozent ist. Das würden viele Praxen nicht überleben. Gleichzeitig können wir aber die Honorare in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erhöhen, weil ja der Beitragssatz nicht steigen soll."

An diesen Fragen arbeitet derzeit auch Franz Knieps, Abteilungsleiter im Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung. Er hat an den Hauptpunkten der Reform mitgearbeitet und gilt u.a. als einer der Baumeister der so genannten Integrierten Versorgung, die eine bessere Zusammenarbeit von Ärzten, Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen gewährleisten soll. Der studierte Jurist war jahrelang im AOK-Bundesverband tätig und arbeitete als Berater für die Weltgesundheitsorganisation und die Europäische Union.

"Reha-Patient oder Erfolgsmodell? - Das deutsche Gesundheitssystem zwei Jahre nach der Reform" – darüber debattiert Gisela Steinhauer gemeinsam mit Prof. Dr. Jürgen Wasem und Franz Knieps heute von 9 Uhr 07 bis 11 Uhr in der Sendung "Radiofeuilleton – Im Gespräch" bei Deutschlandradio Kultur. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800 / 2254-2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Informationen im Internet unter:
Lehrstuhl Medizin-Management an der Uni Duisburg Essen
Bundesministerium für Gesundheit