Regisseurin über "Phaedra" in Berliner Sophiensaelen

Wunsch nach einem weiblichen Weinstein

Sahar Rahimi im Gespräch mit Timo Grampes · 07.02.2019
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Das Theaterkollektiv Monster Truck provoziert gerne. In den Berliner Sophiensaelen bringt Regisseurin Sahar Rahimi eine ambivalente "Phaedra" auf die Bühne. Das Stück thematisiert weibliche Aggression. Nicht leicht verdaulich, aber notwendig, findet Rahimi.
Das Gießener Theaterkollektiv Monster Truck provoziert gerne und rührt an gesellschaftliche Tabus. Vor einigen Jahren etwa wurde die Gruppe in Leipzig wieder ausgeladen, weil das dortige Schauspielhaus nicht wollte, dass auf seiner Bühne ein totes Schwein filetiert wird. Später dann konnte man in dem Stück "Sorry" erleben, wie ein nigerianischer Junge mit Vampirzähnen einen dicken, weißen Mann tötet.
Und nun haben sich Monster Truck das Thema Geschlechterrollen und Gewalt vorgeknöpft: "Phaedra" heißt ihr neues Stück, das am heutigen Donnerstag in den Berliner Sophiensälen Premiere feiert.

Phaedra als ambivalente Aggressorin

Phaedra, Gattin des Theseus, wird von Aphrodite verzaubert und verliebt sich in ihren Stiefsohn Hippolytos. Weil er sie nicht erhört, begeht die Verschmähte Selbstmord, legt jedoch Spuren, die Hippolytos beschuldigen, ihr nachgestellt zu haben.
Eine Szene aus dem Stück "Phaidra", inszeniert von Sahar Rahimi.
Eine Szene aus dem Stück "Phaedra", inszeniert von Sahar Rahimi.© Paula Reissig
Phaedra als fiese "Bitch", die einen Mann ins Verderben reißt – gerade in den Zeiten von #MeToo habe sie das gereizt, sagt die Berliner Regisseurin und Mitbegründerin von Monster Truck, Sahar Rahimi, die das Stück gemeinsam mit dem Dramaturgen Kris Merken auf die Bühne bringt.
Sie beschreibt ihre Motivation so: "Als die #MeToo-Debatte begann, war ich erstmal aufgeregt, erleichtert, froh: Endlich kommt ein Stein ins Rollen! Es war zunächst ein positives Gefühl. Und gleichzeitig hatte ich so eine Art von Zerrissenheit. Und ich habe mir irgendwie – in so einer Art von Trotz -, gewünscht, dass diese Anklägerinnen vielleicht auch zu Gewalttäterinnen werden oder es sind. Ich habe mir gewünscht, dass es auch aus einer weiblichen Perspektive böse wird. Eigentlich habe ich mir einen weiblichen Weinstein gewünscht." Denn: "Wir brauchen auch eine aggressive weibliche Stimme."

Hinschauen, wo es weh tut

Phaedra sei ambivalent und in einem dauernden Spannungsverhältnis: Sie sei Opfer – durch den Zauber der Aphrodite, der ihr den freien Willen ein Stück weit nimmt -, aber auch Täterin, bestätigt Dramaturg Kris Merken. So gebe es etwa eine Vergewaltigungsszene, in der die Darstellerin der Phaedra ein Art Regieanweisung für die Vergewaltigung gebe.
Rahimi ist sich bewusst, dass viele Zuschauer solche Szenen als Provokation vor dem Hintergrund der Debatte um Sexismus und Gewalt gegen Frauen empfinden werden. Die Regisseurin betont jedoch: "Wir arbeiten nicht mit der Provokation, weil uns die Provokation als solche interessiert. Aber es geht mir in der künstlerischen Arbeit schon um den Moment, in dem man etwas findet, etwas sieht auf der Bühne, was einen selbst angreift – in meinen Sicherheiten, in meinen Gewissheiten, in meinen Urteilen. Und ich suche eigentlich immer nach solchen Momenten."
(mkn)
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