Region im Wandel

Eine neue Seidenstraße

Der wie ein Halbmond geformte so genannte Mondsee oder Mondsichelsee (chin.: Yueyaquan) in der Wüste bei Dunhang in der chinesischen Provinz Gansu.
Aus einer Oase am alten Handelsweg soll eine Metropole werden - die neue Sonderwirtschaftszone an der Seidenstraße © picture-alliance/ dpa / Imaginechina
Von Ruth Kirchner  · 27.08.2014
"Doppelte Seidenstraßen-Strategie" nennt es die chinesische Führung: Die beiden traditionellen Handelswege der Seidenstraße sollen wiederbelebt werden. Das Ziel ist ein Wirtschaftskorridor, der asiatische, afrikanische und europäische Staaten einbindet.
Manche Dinge fangen klein an. Zum Beispiel mit einer Geldbörse aus Kunstleder. Wenn Tao Huazhuo am Tage mehrere Geldbörsen verkauft – für zwei bis drei Euro das Stück – dann ist er schon ganz zufrieden. Besser als gar nichts. Herr Tao kommt aus Südchina, wo man weiß, wie man Geld verdient.
In seiner Heimat, der Region rund um die einstige Sonderwirtschaftszone Shenzhen, begann einst das chinesische Wirtschaftswunder. Jetzt will er es nach Kashgar bringen – das neue Shenzhen, wie es in der Propaganda genannt wird. Das es noch nicht so läuft wie geplant, ficht Herrn Tao nicht an:
"Guangdong und Shenzhen haben 30 Jahr für die Entwicklung gebraucht. Hier reden wir ja erst von drei Jahren. Die Verkaufshallen sind ja erst seit einem Jahr fertig."
Herr Tao verkauft seine Geldbörsen und billigen Handtaschen in der neuen Sonderwirtschaftszone von Kashgar, gleich außerhalb des Zentrums der alten Oasenstadt. Guangdong ist weit weg, aber zur Grenze nach Pakistan, Kirgistan und Zentralasien sind es nur 200 Kilometer. In den letzten drei Jahren sind daher in Kasghar riesige Markthallen entstanden – in der Hoffnung auf den grenzüberschreitenden Handel. Eine Freihandelszone ist in Planung. Doch viele Gebäude stehen noch leer. Herr Tao hat dennoch große Pläne:
"Wir sind hierher gekommen um ein Export-Geschäft aufzubauen mit Südasien, mit Pakistan, Kirgistan, diesen landwirtschaftlich geprägten Ländern, mit denen wir bislang kaum Geschäfte machen."
Traum vom blühenden Handelszentrum Kashgar
Die Träume des Hern Tao sind auch die Träume der chinesischen Regierung. Kashgar soll wieder ein blühendes Handelzentrum werden – wie vor hunderten von Jahren. Peking will den Bau einer Eisenbahnlinie von Kasghar über Islamabad bis zum pakistanischen Tiefsee-Hafen Gwadar am Arabischen Meer prüfen; eine weitere Route soll über Kirgistan und Usbekistan Richtung Westen führen. Derzeit fahren bereits vier Mal die Woche Güterzüge von China durch Kasachstan, Russland und Polen bis nach Duisburg und zurück. Die alte Seidenstraße, so Staatschef Xi Jinping, soll wiederbelebt werden:
"Um engere wirtschaftliche Beziehungen zu knüpfen, engere Zusammenarbeit und Entwicklung zwischen den eurasischen Ländern, sollten wir unsere Modelle der Zusammenarbeit erneuern und einen wirtschaftlichen Gürtel entlang der Seidenstraße schaffen. Das ist eine großartige Aufgabe."
Die Entwicklung des Zonenrandgebiets der Sowjetunion
China geht es dabei vor allem um den Handel, um alternative Transportwege zu den langen Seerouten, aber auch um den Zugang zu Rohstoffen etwa in Kasachstan. Das führt mancherorts zu Ängsten vor neuen Abhängigkeiten von dem übermächtigen China. Zumal die Volksrepublik für viele zentralasiatische Länder bereits jetzt der wichtigste Handelspartner ist. Aber, sagt Jürgen Conrad von der Asiatischen Entwicklungsbank in Peking, eigentlich könnten alle nur von einer engeren Zusammenarbeit profitieren:
"Innerhalb der Sowjetunion war Zentralasien in einer Randlage, sozusagen das Zonenrandgebiet der Sowjetunion und das ist nie gut für Wirtschaftsentwicklung. Seit den 90ern ist die Ostgrenze wieder durchlässiger und jetzt gibt es sehr viele Initiativen, um die Grenze durchlässiger zu machen. Das heißt vor allem natürlich: Entwicklung der Infrastruktur mit dem Ziel letztlich Zentralasien zu reintegrieren mit China, aber auch Zentralasien zu etablieren als eine Brücke zwischen Ostasien, Russland, Indien und Pakistan, Kaukasusgebiet und über den Kaukasus und Russland mit Europa."
Solche Projekte brauchen Zeit, sind nicht auf Jahre, sondern auf Jahrzehnte angelegt. Noch gibt es viele Probleme im Kleinen, mühsame Grenzüberquerungen, Bürokratie.
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