Regina Nössler: "Katzbach"

Revolution im Souterrain

03:59 Minuten
Cover von Katzbach
Die zahlreichen erzählerischen Überraschungen in "Katzbach" kommen allesamt leise daher. © Deutschlandradio / Konkursbuch
Von Sonja Hartl · 12.11.2021
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Regina Nösslers Kriminalroman "Katzbach" erzählt vom Widerstand gegen die Gentrifizierung in Berlin-Kreuzberg - und vom ganz normalen, prekären Alltag in einer deutschen Großstadt, in der man nicht einmal mehr in Ruhe eine Leiche entsorgen kann.
Ein toter Mann liegt in der Wohnung von Isabel Keppler, und sie muss die Leiche irgendwie loswerden. Nun wohnt sie glücklicherweise im Souterrain, aber auch in der vom Durchgangsverkehr ständig befahrenen Katzbachstraße in Berlin-Kreuzberg, in der es nur nachts ein kleines Zeitfenster gibt, um unbemerkt eine Leiche mit einem Lastenrad in den gegenüberliegenden Victoriapark zu bringen.
Das ist der Anfang von Regina Nösslers "Katzbach", und es stellen sich natürlich sofort zwei Fragen: Wer ist der Tote? Und warum liegt er überhaupt in der Wohnung von Isabel Keppler?
Um die altbewährte Krimi-Situation rund um die Entsorgung einer Leiche wird in "Katzbach" die Lebenssituation von Isabel Keppler geschildert: Sie ist 39 Jahre alt, hat ihr Studium abgebrochen, schlägt sich mit prekären Jobs durchs Leben und mag niemanden. Noch nicht einmal ihren Hamster Godzilla. Eigentlich will sie nur ihre Ruhe haben, aber sie muss Geld verdienen und deshalb gezwungenermaßen ihre Wohnung verlassen.

So einige Männer könnten tot sein

Nach und nach entdeckt man daher in ihrem Leben so einige Männer, die letztlich tot im Kreuzberger Souterrain gelandet sein könnten: den nervigen Sohn einer älteren dementen Dame, der sie dafür bezahlt, seiner Mutter Gesellschaft zu leisten und dazu treue Ergebenheit sowie sofortige Verfügbarkeit erwartet. Einen Zufallsbekannten aus einer Kunstgalerie, den Isabel so häufig unerwartet trifft, dass der Mann auch ein Stalker sein könnte. Ihren Vermieter, der ständig unangekündigt vor der Tür steht und sie dafür bezahlt, jemanden in einem Schreibkurs zu beobachten. Und ihren Ex-Freund, der ihr Hass-Mails schickt.
Am Ende wird dann nicht nur aufgeklärt, wer der Tote ist und wie er in die Wohnung gekommen ist. Vielmehr ist man tief eingetaucht in den Alltag in dieser tendenziell eher bürgerlichen, mitten in der Gentrifizierung steckenden Kreuzberger Ecke und in das Leben von Isabel Keppler, die wunderbar widerständig ist und auf eine Reihe sehr echt wirkender Charaktere trifft.

Ausgefeilte Psychologie, kluge Dramaturgie

In "Katzbach" gibt es viele erzählerische Überraschungen, die stets leise daherkommen und wieder einmal zeigen, dass bei einer ausgefeilten Psychologie und klugen Dramaturgie grelle Wendungen völlig unnötig sind. Regina Nössler ist eine der wenigen Autorinnen mit einem gänzlich eigenen erzählerischen Stil – im Tonfall, in den Charakteren, in der gesamten Anlage der Geschichte. Und sie beweist mit jedem Buch aufs Neue, dass sie nicht berechenbar ist. "Katzbach" ist also typisch Nössler und doch wieder nicht.

Regina Nössler: "Katzbach"
Konkursbuch, Tübingen 2021
352 Seiten. 12,90 Euro

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