Regie

Im Moos liegen und Wolken schauen

Von Vanja Budde · 06.02.2014
Oh, wie schön ist Island, denken sich Filmemacher. Finanziell steht es allerdings schlecht um den isländischen Film. Regisseurin Dora Christians hat trotzdem eine Filmproduktionsfirma gegründet.
Auf Island haben alle Dinge einen Namen, auch Felsen und kleinste Flüsschen, Meeresbuchten und Bauernhöfe. Gljúfrasteinn hat der Schriftsteller Halldór Laxness sein Wohnhaus im Mosfellstal genannt, 15 Kilometer nördlich von Reykjavik.
"Für mich hat es hier angefangen, weil ich hier aufgewachsen bin. Hier hat mein Vater meine Mutter kennengelernt und der ist halt Filmproduzent und so. Meine Tante, die wohnt hier nebenan, und sie ist Regisseurin und Filmemacherin."
An ihren berühmten Großvater hat Dora Christians keine Erinnerungen, aber an dessen Witwe, ihre Oma, bei der sie als Kind jedes Wochenende verbrachte. Die zupackende Großmutter sei ihr Vorbild, sagt die junge Frau. Die Oma habe damals für die 20-köpfige Filmcrew ihres Vaters in Null komma Nichts Essen auf den Tisch gebracht. Der deutsche Journalist Ralph Christians drehte damals auf Island einen Dokumentarfilm über Halldór Laxness, verfilmte später dessen Roman "Unterm Gletscher", verliebte sich in Doras Mutter - und blieb.
Als das Mädchen zwei Jahre alt war, trennten sich die Eltern, die Kleine wuchs bei ihrer Mutter in der wilden Natur Islands auf.
"Man fährt fünf Minuten von Reykjavik weg und du hast alles. Du hast Berge, du hast Wasserfälle, du hast alles irgendwie, weißt du? Eine große Stadt, das ist nichts für mich, das ist mir auch alles zu groß und zu schnell. Hier kann man einfach raus, wandern. Und hier haben wir dieses weiche Moos und als Kind fand ich es immer das Beste, mit meinen Hunden einfach im Moos zu liegen und Wolken anzuschauen und einfach die Ruhe zu genießen. Und das, glaube ich, hat mein Opa hier auch gehabt, deswegen ist der aus Reykjavik wieder hierhin gezogen, damals, und von wo immer er war, überall auf der Welt. Er kam auch wieder zurück. Und ich glaube, wenn ich jetzt auch in die Welt wandere, dann komme ich auch irgendwann wieder."
Dora will nach der Schule Schauspielerin werden, kein Wunder, wenn man aus einer Film-Familie kommt. Sie studiert Schauspiel in Hamburg, das ist nicht allzu weit von Bremen, wo ihr Vater eine Filmproduktionsfirma betreibt. Im Sommer 2013 zieht es sie zurück nach Island, sie ergattert einen Job als Produktionsassistentin.
Mit den Walkie-Talkies rumeiern
Viele große Hollywood-Filme und Serien wie "Game of Thrones" werden auf Island gedreht. Bei "Das erstaunliche Leben des Walter Mitty" mit Ben Stiller, lernt Dora die beiden anderen jungen Frauen kennen, mit denen sie ihre Firma "Roadblock Iceland" gründet. "Roadblock" heißt sie, weil die wenigen Frauen am Set immer die miesen Jobs machen müssen, für einen Dreh die Straße sperren zum Beispiel.
"Viele Isländer, die werden ziemlich Macho schnell da in der Filmbranche und sagen dann den Frauen, jede Frau muss putzen, während wir hier mit dem Walkie-Talkie rumeiern und so tun, als würden wir was machen. Einmal war ich dann irgendwie da in Locations und ich musste drei verschiedene Sachen auf einmal machen, dann riefen die mich im Walkie-Talkie und haben gesagt: Warum hast du da irgendwie irgendwas nicht schon am Set abgeholt? Dann kam ich zum Set, wo dieser Typ mich angeschrien hat, und ich habe gesehen, wo drei andere aus meinem Team einfach da neben dem Set saßen und waren in der Sonne. Das waren alle drei Jungs. Da kam Sunna halt und hat die Männer einfach angeschrien, hat einfach die Männer angeschrien. Und dann haben wir uns auch entschieden: So, jetzt müssen wir mal was sagen."
Gemeinsam mit Sunna Gudrún Petursdottír und Hrefna Hagalín werkelt Dora Christians nun an den ersten Produktionsaufträgen.
Islands Shootingstar, der Singer-Songwriter Ásgeir Trausti hat sie für ein erstes Musikvideo engagiert, erzählt sie stolz. Seitdem wollen auch andere Bands mit "Roadblock Iceland" arbeiten, auch an Aufträgen für Kurzfilme mangelt es nicht. Erste Schritte, um Islands Filmindustrie aufzumischen.
"Wir wollten einfach, dass die jungen Leute und Frauen ein bisschen mehr zu sagen haben und zeigen können, was die draufhaben. Weil, hier haben wir nur irgendwie alte Männer in der Filmbranche, immer die Gleichen."
Weil das Leben auf Island sehr teuer ist, arbeiten Dora Christians und ihre Kolleginnen weiter auch für ausländische Großproduktionen. Langfristig wollen sie aber ihre eigenen Spielfilme produzieren. Eine erste Idee für ein Drehbuch haben sie schon.
"Das ist so ein Mädchenfilm natürlich, aber das passiert in Island. So echte Mädels, weißt du? Nicht so "Sex and the City", sondern eine ist zu dick, eine hat Drogenprobleme, und die haben so wirkliche Probleme als Mädchen. Wir wollen irgendwie so vier Mädchen in Húsavik drehen. Húsavik ist so, wo irgendwie 100 Leute wohnen. Und plötzlich kommt so ein Whale Watching. Die wollen sich halt in Touristen verlieben. Und wir müssen jetzt schreiben, was so lustig passieren kann."
Der isländische Film guckt in die Röhre
Die Umsetzung allerdings wird schwierig werden: Islands im April 2013 neu gewählte, bürgerlich-konservative Regierung der alten Krisenparteien hat jüngst die staatliche Filmförderung um 40 Prozent zusammengestrichen.
"Das ist ein Riesenproblem hier in Island im Moment. Dann kann man ja fast nichts machen. Das ist ja unglaublich und es wird nächstes Jahr schwierig sein, isländische Filme zu produzieren. Die Amerikaner kommen natürlich alle und drehen ihre Dinger, weil die noch Geld haben, aber isländische Filme – ich glaube, nächstes Jahr werden wir ganz wenige sehen."
In schwierigen Zeiten ist es gut, wenn man sich auf die Familie verlassen kann. Halldóra Lena Christians telefoniert fast jeden Tag mit ihrem Vater, der stolz ist, dass seine isländische Tochter in seine Produzenten-Fußstapfen tritt.
"Wir sind ja beste Freunde. Und der hilft mir auch ganz viel, wenn wir Kontakte brauchen oder Fragen haben. Dann ist es gut, so einen alten Sack dabei zu haben."