Reggae

Traum von den vereinigten Staaten Afrikas

Mit einem Megafon steht der Ivorer Tiken Jah Fakoly vor einer Gruppe von Jugendlichen.
Die Stimme der Jugend? Tiken Jah Fakoly mit Megafon auf dem Cover seiner Platte "Dernier Appel". © Wrasse Records
Von Jutta Petermann · 15.07.2014
Der Ivorer Tiken Jah Fakoly ist gefürchtet bei den Mächtigen seines Heimatlandes. Messerscharf sind die Analysen über Korruption, Misswirtschaft und Ausbeutung, die er auch auf seinem neuen Album "Dernier Appel" in eingängigen Reggae verpackt.
Wer Frieden will, muss bei sich selbst anfangen – das ist in etwa die Quintessenz des Albums "Dernier Appel" von Tiken Jah Fakoly. Den Song Diaspora singt er darauf gemeinsam mit seinem früheren Erzfeind Alpha Blondy. Der war nicht nur jahrelang sein musikalischer Rivale, sondern unterstütze auch noch das gegnerische politische Lager in ihrer im Bürgerkrieg versunkenen Heimat, der Elfenbeinküste.
Doch die beiden wollten ein Beispiel dafür geben, dass Versöhnung möglich ist. Sie haben ihren Krieg der Worte, den sie früher auch mit Songs gegeneinander führten, beendet. Es ist ein starkes Signal und ein letzter Appell, denn laut Fakoly läuft die Zeit ab für den gesamten Kontinent:
"Das ist ein Appell an die Einheit Afrikas, an die Mobilisierung ganz Afrikas. Ich glaube, dass kein afrikanisches Land von alleine vorankommt. Was Zentralafrika angeht, was Mali angeht, ich denke, Afrika – seine Länder sind in der Vergangenheit ausgebrannt. Aber Afrika befindet sich in einem normalen Prozess. Religionskriege zum Beispiel hat es auch in Nordirland vor gar nicht so langer Zeit gegeben. Man kann nur hoffen, dass der Dialog lebendig bleibt und dass in diese Region Stabilität zurückkehrt."
Optimistisch ist er also trotz allem, und das strahlt auch seine Musik aus. Tiken verwebt seinen immer geschmeidigen Reggae auf dem Album „Dernier Appel" mit traditionellen Instrumenten aus Westafrika und ergänzt ihn vereinzelt auch um Soul- und Popklänge.
Grauer Vollbart, Rastazöpfe und ein Megafon
Auf dem Cover der CD sieht man den großen Mann mit halblangen Rastazöpfen und einem langsam grau werdenden Vollbart mit einem Megafon, hinter ihm jubelnde Kinder und Jugendliche. Deutlicher geht's kaum. Fakoly will Sprachrohr sein für Afrikas Jugend.
Fakoly: "Ich wende mich vor allem an die Afrikaner. Niemand anderes kann für uns Afrika verändern. Ich schau mir die Geschichte von Ländern an, die heute stabil, sind demokratisch und entwickelt, und da sieht man, dass sich Menschen dieser Länder erhoben haben, die die Dinge voranbringen wollten. Wir dürfen nicht warten, dass alles aus dem Westen kommt. Es stimmt, da gibt es viele Ungerechtigkeiten, und es gab Sklaverei und Kolonialismus, aber ich denke, wenn wir nicht selbst die Beine in die Hand nehmen, bewegt sich Afrika nie."
Melodiöse und farbenfrohe Songs
Fakoly träumt von den vereinigten Staaten von Afrika, die den USA und Europa etwas entgegenzusetzen haben. Mit ihm träumen auf "Dernier Appel" neben dem schon erwähnten Alpha Blondy auch die nigerianische Soulsängerin Nneka und der deutsche Reggae-Musiker Patrice, dessen Vater aus Sierra Leone stammte. Das ist eine künstlerische Melange, die politisch engagierte Texte in atmosphärisch warme, melodiöse und farbenfrohe Lieder hüllt. Gesungene Pamphlete zum Mitsummen und Tanzen. Fakoly sieht sich in der Tradition Bob Marleys, will Bewusstsein schaffen. Und er glaubt unerschütterlich an die Kraft der Musik:
"Ja, die Politik ist stärker als die Musik, aber man muss den Kampf weiterführen. Ich denke, dass in der Geschichte aller Völker Künstler eine besondere Rolle spielten. Wir versuchen einfach, unseren Teil beizutragen in diesem Kampf. Uns hört man zu und deshalb können wir eine Rolle spielen, und das versuche ich zu machen."
Label: Wrasse Records
EAN: 602537808496