Regen auf Knopfdruck

Von Andreas Robertz · 12.05.2013
Die zum New Yorker Stadtteil Queens gehörende Halbinsel Rockaway wurde vom Hurrikan Sandy im Oktober 2012 heftig verwüstet. Genau hier hat das New Yorker Museum of Modern Art nun einen futuristisch anmutenden Ausstellungskubus installiert. Gleich die erste große Ausstellung zeigt Visionen einer nachhaltig-ökologischen Welt.
Da steht er mit seinem Hut auf der Straße und fegt Müll weg, während er ununterbrochen "Ja ja ja" und "Ne ne ne" stöhnt. Joseph Beuys' berühmte Performance "Sweeping Up" als Versinnbildlichung seiner "soziale Skulptur" ist Vorbild für die Expo 1: New York, die unter dem Titel "Dark Optimism" das ganze Gelände des PS1, dem alten Schulhaus in Queens besetzt hat. Oder etwas anders formuliert: Gleich im Eingang steht ein Model des Eifelturmes als Symbol der Idee einer Weltausstellung, an dem sich zwei Schiffsmodelle der Titanic wie bei einem Karussell drehen. Dazu MoMa-Chefkurator Klaus Biesenbach:

"Dark Optimism - Düsterer Optimismus, das heißt, es gibt eine Zukunft, aber man muss richtig daran arbeiten. Es ist ein Optimismus, der nur funktioniert, wenn man ihn als Apell versteht."

Der Idee einer "Großausstellung" folgend, haben die Veranstalter zwölf Module ausgerichtet, neben der Ausstellung "Dark Optimism", eine Schule mit täglichen Veranstaltungen zum Thema "Neue Utopien", eine Künstlerkolonie, entworfen von der argentinischen Architektengruppe "a77", die nach pragmatisch-ästhetischen Lösungen nach plötzlichen Katastrophen sucht, ein eigenes Kino, ein Garten auf dem Dach, die Großinstallation "Rain Room" und das Kulturzentrum "Rockaway Call For Ideas", ein ziemlich markantes silbernes vielflächiges Halbrund, das wie ein halber Fußball direkt am zerstörten Strand von Rockaway Beach liegt und in dem zusammen mit Bewohnern und Künstlern nach Lösungen für einen Neuanfang gesucht wird.

Doch "Dark Optimism" versteht sich nicht nur als dringender Aufruf zu sozialer und ökologischer Verantwortung, sondern vor allem als Ort der Reflexion am Schnittpunkt zwischen ökologischer Apokalypse und technischer Revolution.

Da lädt zum Beispiel Olafur Eliasson in "Your Waste of Time" ein, in einem gekühlten Raum vor herausgebrochenen, Jahrhunderte alten Eisbrocken vom isländischen Vatnajökull zu meditieren, oder sich in das apokalyptische Amphitheater des Argentiniers Adrián Villar Rojas zu setzen und Vorlesungen zum Thema Utopien zu hören. Er nennt diese standortspezifische Installation "La inocencia de los animales”, ein Raum mit hellenistisch anmutenden Treppenstufen, die praktisch in der Decke des Raumes verschwinden und mit Nischen und Seitengängen, die mit seltsamen Betonstrukturen versperrt sind und einem den Eindruck vermitteln, unter einer sehr viel größeren Struktur begraben zu sein.

Eines der interessantesten Module innerhalb von "Dark Optimism" ist die Gruppenausstellung ProBio einer Gruppe von jungen, meist New Yorkern Künstlern, die das Thema "Dark Optimism" in Hinblick auf den zunehmenden Einfluss neuer Technologien auf den menschlichen Körper und damit auf unser Sein untersuchen. Kurator und Künstler Josh Kline:

"Die Arbeit ist ziemlich düster. Sie ist kritisch in Bezug auf die dunkle Seite von Technologie, Lifestyle, Konsumkultur, aber sie ist auch lustig, wie bei einer bösen Comedy."

Doch der eigentliche Star der Expo 1: New York dürfte der "Rain Room" von "rAndom International" sein, ein Installationslabel, das sich durch ihre digital gelenkten Erfahrungsräumen in der Kunst- und Architekturszene einen Namen gemacht hat. Das MoMA hat neben ihrem Hauptgebäude in Manhattan eine eigene Halle errichtet, um ihre Arbeit zeigen zu können.

Ein großer schwarzer Raum, in dem es regnet. Ein starkes Gegenlicht blendet und lässt den Regen sichtbar werden. Wenn man durch den Regen geht, wird man nicht nass. Gesteuert durch feine Bewegungs- und Lichtsensoren hört der Regen genau dort auf, wo man steht oder geht, eine spielerische, faszinierende und alle Sinne weckende Meditation über die Utopie, Regen kontrollieren zu können.

Die "Expo 1: New York" ist eine ungewöhnlich vielfältige Ausstellung, deren eigentliche Substanz nicht das ästhetische Werk, sondern der engagierte Dialog ist. Der Begriff des erweiterten Kunstwerkes spielt dabei die zentrale Rolle.

Doch selbst wenn man diesem Ansatz nicht folgen will und das Gebaren der Ausstellung durch die exponierte Zusammenarbeit mit dem VW Konzern zu kommerziell erscheint, kommt man nicht darum herum, die mutige und innovative Konzeption ihrer Macher und deren Aufruf zur Dringlichkeit zu wertschätzen. Für die New Yorker könnte sie wegweisend sein.