Reformstau in der Kirche
Der Schweizer Autor Josef Imbach analysiert in seinem Buch, woran die Kirche krankt. Er analysiert Entwicklungen, die er für den Reformstau verantwortlich macht. In Rom ist er in Ungnade gefallen. Imbach lehrte noch bis 2002 an der Päpstlichen theologischen Fakultät San Bonaventura in Rom.
Sie wird verteufelt und verherrlicht und ist doch weder gut noch böse: Macht ist die Fähigkeit, eigene Ziele gegen Widerstände anderer durchzusetzen. Macht verführt – meist zu Gewalt an anderen. Also: "Keine Macht für niemand"? Der Slogan aus der 68er Bewegung taugt nicht viel laut Josef Imbach. Macht kommt überall vor. In den Religionen beruft sie sich auf die höchste, nämlich die göttliche Instanz. Das wappnet keineswegs vor Missbrauch, beflügelt ihn mitunter, weil Autoritäten als nicht hinterfragbar hingestellt werden.
Josef Imbach unterscheidet zwischen Autoritäten, die mit Argumenten überzeugen, und Autoritäten, die sich über ihre Machtposition installieren. Wer sich Autorität durch Recht verschafft, handelt deshalb nicht automatisch rechtens. Wenn sich Macht konkret zeigt, muss sie sich also an moralischen Prinzipien messen lassen. Das gilt für die Welt wie für die Kirche.
Weil Macht ein entscheidendes aber zwiespältiges Phänomen unter Menschen ist, kommt es auch in der Weltliteratur so häufig vor. Imbach greift Beispiele auf und fragt: Warum sich Menschen beherrschen lassen, warum sie ihre Freiheit an fremde Autoritäten abgeben. Bei Anhängern von Kultpersonen, Fundamentalisten und Diktatoren beobachtet er das Bedürfnis, gemeinsam etwas anbeten zu wollen, sowie eine selbst verschuldete Unmündigkeit. Die liegt vor, wenn es nicht am Verstand mangelt, sondern am Mut, einen Entschluss zu fassen.
Machtkämpfe sind Alltag. Es kommt darauf an, sie nach den Regeln der Vernunft, nicht nach dem Prinzip der Vergeltung auszutragen. In der Kirche findet Imbach Beispiele für beides. Der spanische Priester Bartolomé de las Casas steht im 15. Jahrhundert für Personen, die sich entscheiden, Macht abzugeben: Vom Ausbeuter bekehrt er sich zum Anwalt der Indios. Franz von Assisi zähmt den Wolf, eigentlich das Wölfische in uns, unseren Schatten, dem sich jeder stellen muss: denn in jedem steckt ein kleiner Machiavelli. Eher unrühmlich ist dagegen die Geschichte der Päpste. Die Liste, derer, die ihre geistliche Autorität mit allzu weltlichen Mitteln vermummen, ist lang. Nach einem ausführlichen historischen Rückblick – der nicht viel Neues bringt - widmet sich Imbach endlich der Gegenwart.
Seine Bilanz: Der Geist der Inquisition sei aus der Kirche nicht verschwunden. Wen zum Beispiel die Glaubenskongregation beschuldigt, die Kirchenlehren nicht zu beachten, der habe schlechte Karten. Die Kirchenpolitik sei wieder zentralistischer geworden. Nach dem neuen Kirchenrecht von 1983 ernennt in der Regel der Papst die Bischöfe. Einst durfte dem Volk nicht ein Bischof aufgezwungen werden, den es nicht wollte. Theologieprofessoren müssen um Lehrerlaubnis aus Rom bitten – früher war der Bischof dafür zuständig. Der Treue-Eid verlangt von Priesteramtskandidaten, Theologiedozenten und Laien, sich quasi im blinden Gehorsam dem Willen des römischen Gesetzgebers unterzuordnen. Öffentliche Debatten über nicht-definitive Glaubenslehren werden verboten. Wer sich nicht daran hält, muss damit rechnen, aus kirchlichen Gremien entfernt zu werden oder die Lehrerlaubnis zu verlieren.
Entwicklungen, die Imbach auch für den Reformstau in der Kirche verantwortlich macht. In Rom ist der Schweizer Autor in Ungnade gefallen. Er lehrte noch bis 2002 an der Päpstlichen theologischen Fakultät San Bonaventura in Rom. Nach seinem Buch über Wunder hat er Lehrverbot.
Josef Imbachs Betrachtungen zur Macht provozieren. Sie wollen Christen, die Macht ausüben, durchaus ein schlechtes Gewissen machen. Denn ein schlechtes Gewissen kann sehr ehrenhaft sein. Es ist vielleicht, wie der Theologe Johann Baptist Metz schlussfolgert, die einzige Art, gewissenhaft zu sein.
Josef Imbach:
Der Glaube an die Macht und die Macht des Glaubens
Woran die Kirche heute krankt
Patmos 2005, 248 S. ISBN 3-491-72489-9, 19,90 €
Josef Imbach unterscheidet zwischen Autoritäten, die mit Argumenten überzeugen, und Autoritäten, die sich über ihre Machtposition installieren. Wer sich Autorität durch Recht verschafft, handelt deshalb nicht automatisch rechtens. Wenn sich Macht konkret zeigt, muss sie sich also an moralischen Prinzipien messen lassen. Das gilt für die Welt wie für die Kirche.
Weil Macht ein entscheidendes aber zwiespältiges Phänomen unter Menschen ist, kommt es auch in der Weltliteratur so häufig vor. Imbach greift Beispiele auf und fragt: Warum sich Menschen beherrschen lassen, warum sie ihre Freiheit an fremde Autoritäten abgeben. Bei Anhängern von Kultpersonen, Fundamentalisten und Diktatoren beobachtet er das Bedürfnis, gemeinsam etwas anbeten zu wollen, sowie eine selbst verschuldete Unmündigkeit. Die liegt vor, wenn es nicht am Verstand mangelt, sondern am Mut, einen Entschluss zu fassen.
Machtkämpfe sind Alltag. Es kommt darauf an, sie nach den Regeln der Vernunft, nicht nach dem Prinzip der Vergeltung auszutragen. In der Kirche findet Imbach Beispiele für beides. Der spanische Priester Bartolomé de las Casas steht im 15. Jahrhundert für Personen, die sich entscheiden, Macht abzugeben: Vom Ausbeuter bekehrt er sich zum Anwalt der Indios. Franz von Assisi zähmt den Wolf, eigentlich das Wölfische in uns, unseren Schatten, dem sich jeder stellen muss: denn in jedem steckt ein kleiner Machiavelli. Eher unrühmlich ist dagegen die Geschichte der Päpste. Die Liste, derer, die ihre geistliche Autorität mit allzu weltlichen Mitteln vermummen, ist lang. Nach einem ausführlichen historischen Rückblick – der nicht viel Neues bringt - widmet sich Imbach endlich der Gegenwart.
Seine Bilanz: Der Geist der Inquisition sei aus der Kirche nicht verschwunden. Wen zum Beispiel die Glaubenskongregation beschuldigt, die Kirchenlehren nicht zu beachten, der habe schlechte Karten. Die Kirchenpolitik sei wieder zentralistischer geworden. Nach dem neuen Kirchenrecht von 1983 ernennt in der Regel der Papst die Bischöfe. Einst durfte dem Volk nicht ein Bischof aufgezwungen werden, den es nicht wollte. Theologieprofessoren müssen um Lehrerlaubnis aus Rom bitten – früher war der Bischof dafür zuständig. Der Treue-Eid verlangt von Priesteramtskandidaten, Theologiedozenten und Laien, sich quasi im blinden Gehorsam dem Willen des römischen Gesetzgebers unterzuordnen. Öffentliche Debatten über nicht-definitive Glaubenslehren werden verboten. Wer sich nicht daran hält, muss damit rechnen, aus kirchlichen Gremien entfernt zu werden oder die Lehrerlaubnis zu verlieren.
Entwicklungen, die Imbach auch für den Reformstau in der Kirche verantwortlich macht. In Rom ist der Schweizer Autor in Ungnade gefallen. Er lehrte noch bis 2002 an der Päpstlichen theologischen Fakultät San Bonaventura in Rom. Nach seinem Buch über Wunder hat er Lehrverbot.
Josef Imbachs Betrachtungen zur Macht provozieren. Sie wollen Christen, die Macht ausüben, durchaus ein schlechtes Gewissen machen. Denn ein schlechtes Gewissen kann sehr ehrenhaft sein. Es ist vielleicht, wie der Theologe Johann Baptist Metz schlussfolgert, die einzige Art, gewissenhaft zu sein.
Josef Imbach:
Der Glaube an die Macht und die Macht des Glaubens
Woran die Kirche heute krankt
Patmos 2005, 248 S. ISBN 3-491-72489-9, 19,90 €