Reformdebatte in der katholischen Kirche

Frauen wollen Priesterinnen werden

10:53 Minuten
Demonstrantinnen der Bewegung Maria 2.0 stehen mit einem Transparent mit der Aufschrift "Kirchenamt in Frauenhand - Maria 2.0" vor dem Kölner Dom.
Wohin führt der Synodale Weg? Das fragen sich nicht zuletzt katholische Frauen, die Kirchenämter übernehmen wollen. © Picture Alliance / dpa / Roberto Pfeil
Philippa Rath im Gespräch mit Kirsten Dietrich · 07.02.2021
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Frauen in der katholischen Kirche können keine Priesterin werden. Weiheämter sind Männern vorbehalten. Doch das Schweigen darüber hat ein Ende. Die Kirchenkrise macht die Frauen mutiger, sagt die Theologin und Benediktinerin Philippa Rath.
Kirsten Dietrich: Aus sexuellem und geistlichem Missbrauch durch Kleriker sollen und müssen Konsequenzen für die katholische Kirche folgen. Das forderten von Gewalt Betroffene am Donnerstag und Freitag – da ging es um grundlegende Reformen in der katholischen Kirche, im Gespräch von Bischöfen, Priestern und engagierten Katholikinnen und Katholiken ohne Weiheamt.
Und dass man in katholischen Zusammenhängen ohne weiteres Nachdenken von "Bischöfen" und "Priestern" sprechen kann, führt zu einem Kern des Problems: dass nämlich Frauen weiter nicht gleichberechtigt sind. Dass sie vor allem alle die Ämter nicht ausführen dürfen, für die es eine besondere Weihe braucht, ein besonderes Zeichen, das dieses Amt direkt auf Gott zurückführt und das nur Männern zugesprochen wird.
Die Frauenfrage steht im Zentrum der Frage nach der Kirchenreform, das sagen auch Bischöfe. Und was sagen die Frauen? Darüber möchte ich jetzt mit einer sprechen, die genau diese Frage an Frauen gestellt hat: Haben Sie sich zu einem Amt in der Kirche berufen gefühlt? Und was ist mit dieser Berufung geschehen?


Schwester Philippa Rath gehört seit 30 Jahren zum Orden der Benediktinerinnen, sie hat Theologie und Geschichte studiert, sie ist verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit ihres Klosters, hat eine therapeutische Ausbildung, engagiert sich an verschiedenen Stellen für Aufarbeitung von Missbrauch und für die Rechte von Frauen. Ich könnte noch länger aufzählen, lasse es dabei mal und frage lieber Sie, Schwester Philippa: Konnten Sie Ihrer Berufung in der katholischen Kirche nachgehen?
Schwester Philippa Rath: Ja. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich habe immer eine Berufung zum Ordensleben und speziell zum Benediktinischen in mir gespürt und wusste darum, dass das mein Weg ist. Und diesen Weg konnte ich auch gehen, im Gegensatz zu vielen, vielen anderen Frauen.

Verschwendung von Energie und Begabungen

Dietrich: Sie haben gerade ein Buch herausgebracht: "Weil Gott es so will". Darin erzählen 150 Frauen von ihrer Berufung zur Priesterin und Diakonin. 150 katholische Frauen, die sich zu einer Aufgabe berufen fühlen, die sie qua Lehramt nicht ausüben dürfen. Ich habe das Buch gelesen und fand es vor allen Dingen unfassbar traurig: weil da so Verschwendung von Energie und Lebenskraft daraus spricht. Ein Zitat: "Mein Engagement in dieser Kirche lässt mich leiden, aber es hält mich auch am Leben." Also große Zwiespältigkeit und Trauer um das, was nicht sein darf?
Rath: Ja, das ist richtig. Das hat mich auch sehr erschüttert, als ich die Texte las. Es sind Frauen von vier Generationen, die jüngste 20, die älteste 94. Sie alle eint, dass sie eine Berufung in sich wissen, die sie nicht leben können. Und zwar nur deshalb, weil sie Frauen sind. Das ist eine Leidensgeschichte, aber ein Stück auch, finde ich, ein Skandal. Denn es ist eine ungeheure Verschwendung von Charismen, von Begabungen, von tollen Frauen, die in dieser Kirche ja auch schon wirken, aber eben nicht als Priesterinnen und Diakoninnen, und die unsere Kirche noch mal ganz anders prägen könnten, wenn sie Zugang hätten zu diesen Weiheämtern.


Dietrich: Ganz viele dieser Frauen arbeiten schon in der katholischen Kirche, haben eine Nische für sich gefunden. Warum weiß man in der Amtskirche nichts davon, dass diese Frauen eigentlich etwas ganz anderes machen wollen würden – oder noch mehr machen wollen würden?
Die Theologin und Benediktinernonne Philippa Rath.
Theologin Philippa Rath: "Es ist eine ungeheure Verschwendung von Charismen, von Begabungen, von tollen Frauen."© Philippa Rath
Rath: Ich fürchte, dass viele Amtsträger einfach die Augen davor verschlossen haben. So nach dem Motto: Was nicht sein darf, ist auch nicht. Und das ist jetzt auch, glaube ich, das Wichtige: Das Unsagbare ist jetzt ausgesprochen. Ist sagbar geworden durch diese 150 Frauen. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.

Frauen wollen sich den Mund nicht länger verbieten lassen

Dietrich: Bisher hat frau sich in der katholischen Kirche mit dem Wunsch, Priesterin zu werden, ja sofort ins Abseits gestellt. Als sich vor knapp 20 Jahren einige Frauen zu Priesterinnen weihen ließen, auf einem Schiff auf der Donau, da sind sie sofort aus der Kirche ausgeschlossen worden. Was hat sich geändert, dass diese Frauen jetzt sich trauen zu sagen: Ja, ich hätte eigentlich Priesterin werden wollen. Und alle um mich herum haben das eigentlich auch gesehen, dass ich eine gute Priesterin geworden wäre.
Rath: Eine dieser Frauen, die sich damals haben weihen lassen, schreibt in diesem Buch. Sie hat eine ungeheure Leidensgeschichte hinter sich, auch durch die Exkommunikation. Sie leidet darunter sehr. Warum das heute anders ist? Meine Vermutung ist, durch den Skandal der sexualisierten Gewalt in der Kirche und die Vertuschung sind die Frauen deutlich aufmerksamer, engagierter geworden – und mutiger. Es ist einfach so, dass die Frauen sich jetzt den Mund nicht mehr verbieten lassen. Und dass sie auch gegenseitig sich stärken, indem sie zu ihrer Geschichte stehen.

Kirchenrecht kann verändert werden

Dietrich: Papst Franziskus hat vor knapp einem Monat hochoffiziell erlaubt, dass Frauen in der Messe aus der Bibel vorlesen und beim Austeilen der Kommunion helfen dürfen. Dinge also, die in der deutschen Kirche längst schon üblich sind. Aber Priesterinnen – das wurde noch mal betont – dürfen Frauen natürlich nicht werden. Was machen Sie mit so einem Signal? Ist das nicht ein Schlag?
Rath: Einerseits. Ich muss sagen: Ich persönlich und viele andere, die ich kenne, haben diesen Vorgang jetzt eher belächelt, weil da Dinge, die seit Jahrzehnten in der Praxis gang und gäbe sind, jetzt sozusagen offiziell erlaubt sind. Andererseits zeigt dieser eher unscheinbare Vorgang, dass Kirchenrecht geändert werden kann. Und dass ist, finde ich, viel wichtiger. Ich bin einfach der Meinung, dass diese persönlichen Lebenszeugnisse auch Bewusstsein verändern können. Ich gebe die Hoffnung nicht auf.

Zu viele Bistümer verstecken sich hinter dem Aufruhr in Köln

Dietrich: Sie sind engagiert in der Aufarbeitung von Missbrauch und auch in der innerkatholischen Reformdebatte des sogenannten Synodalen Weges. Katholische Amtsträger, Bischöfe und Priester, reden mit katholischen Nicht-Amtsträger*innen. Seit einem Jahr jetzt, und es geht ans Eingemachte: Es geht um Macht, um Priesteramt, Sexualmoral und, als umfassendes Thema, es geht um die Rolle der Frauen in der Kirche. Auslöser war die sogenannte MHG-Studie, die umfassende sexualisierte Gewalt und Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche dokumentierte, und die Überzeugung, dass sich nach dieser Studie etwas ändern muss. Deswegen also der Synodale Weg.
Am Donnerstag und am Freitag trafen sich die 230 Beteiligten, digital, persönlich geht das ja gerade nicht, und Sie waren mit dabei, Schwester Philippa. Was war Ihr Eindruck – ist das immer noch so hoffnungsvoll und optimistisch wie beim Auftakt vor einem Jahr? Oder ist es eher, das habe ich als Zuschauerin so wahrgenommen, auch genervt-frustriert, weil trotz Reformdebatte die konkrete Aufarbeitung von Missbrauch eben nicht richtig vorankommt. Stichwort: Erzbistum Köln und das unwürdige Zerren darum, wer mit welcher Verantwortung wie benannt wird?
Rath: Ich habe verschiedene Eindrücke mitgenommen. Zum einen glaube ich, dass die Aufbruchsstimmung vom letzten Jahr durchaus noch da ist. Und ich hatte auch das Gefühl insgesamt, es war eine ziemlich gute Atmosphäre. Natürlich haben wir auch als Delegierte und Synodale bemerkt, wie unterschiedlich die Geschwindigkeiten der Aufarbeitung sind in den deutschen Diözesen. Köln ist da jetzt im Moment natürlich im Fokus. Aber, und das ist so ein bisschen meine Befürchtung, es verstecken sich auch manche hinter diesen Dingen, die im Moment in Köln ans Licht kommen. In anderen Diözesen ist die Aufarbeitung auch noch weit zurück, da gibt es noch gar keine Gutachten.

Eine Minderheit verschleppt die Diskussion über Frauenämter

Dietrich: Vier Foren gibt es bei diesem Synodalen Weg, vier Arbeitsbereiche. Sie sind da engagiert, wo es um Frauen und das Amt geht. Stimmt der Eindruck, dass da besonders erbittert diskutiert wurde und wird?
Rath: Ich bin ja nur in diesen einen Forum, ich kann also nicht sagen, wie in anderen Foren diskutiert wird. Ich hatte den Eindruck, dass auch das Forum "Priesterliche Existenz" durchaus sehr ringt miteinander. Bei uns ist das auch so. Wir haben eine große Mehrheit von Frauen und Männern, die deutliche Schritte nach vorne gehen möchten.
Wir haben eine kleine Minderheit, die aber sehr laut ist. Die es schafft, immer wieder in den Medien präsent zu sein, und die auch durch viele Geschäftsordnungsdebatten usw. die ganze Arbeit verzögert. Aber ich glaube, wir sind trotzdem auf einem guten Weg und es werden auch wirklich konkrete Schritte erarbeitet. Ich glaube, wir lassen uns nicht aufhalten, sondern es geht gut weiter.
Dietrich: Wie gehen Sie mit diesen Differenzen um, wenn es im September/Oktober dann wirklich zu Tagungen und Treffen kommen soll, wo wirklich Beschlüsse gefasst werden? Stimmen Sie dann ab, oder haben Sie die Hoffnung, dass sich doch noch irgendwie eine gemeinsame Position finden lässt?
Rath: Es ist ja so, dass die einzelnen Foren Vorlagen erarbeiten sollen. Textvorlagen, die dann in der Vollversammlung besprochen werden. Ich gehe davon aus, dass es ein abweichendes Minderheitenvotum geben wird, was dann auch offen dargelegt wird. Dann muss man schauen, wie die Vollversammlung darauf reagiert und wie die Abstimmungsverhältnisse sind.

Nichts zu beschließen, wäre das Schlimmste

Dietrich: Was passiert eigentlich, wenn beim Synodalen Weg nichts passiert? Wenn zum Beispiel Beschlüsse, die zwar von der Mehrheit getragen werden, dann an der Zwei-Drittel-Sperrmehrheit der Bischöfe hinterher scheitern? Was passiert, wenn nichts Konkretes beschlossen wird und man dann mit so vagen Bekundungen auseinandergeht?
Rath: Das ist meine größte Sorge, muss ich Ihnen offen gestehen. Ich fürchte, dass sich dann der Auszug der Frauen aus der Kirche enorm vergrößert, dass auch innere Emigration oder Resignation der Frauen deutlich größer wird. Aber ich bin dennoch der Hoffnung, dass es nicht so weit kommt. Ich möchte mir das eigentlich gar nicht zu sehr ausmalen, denn ich bin überzeugt, es wird Fortschritte geben.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Philippa Rath (Hg.: "´Weil Gott es so will` – Frauen erzählen von ihrer Berufung zur Diakonin und Priesterin"
Herder Verlag 2021
299 Seiten, 25,00 Euro

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