Reformation

"Tut um Gott's Willen etwas Tapferes"

Ein Standbild des Reformators Ulrich Zwingli vor der Wasserkirche in Zürich
Ein Standbild des Reformators Ulrich Zwingli vor der Wasserkirche in Zürich © dpa / pa / Bäsemann
Von Joachim Hildebrandt · 05.04.2014
Wer war Ulrich Zwingli? Eine neue Biografie beschreibt den Schweizer als einen streitbaren Mann, der eigentlich nur die Kirche reformieren wollte – und am Ende zu den Waffen rief.
Am Großmünster in Zürich übernahm er am 1. Januar 1519 das Amt des Leutpriesters. Er konnte Pfarrer sein und auch die Seelsorge durchführen und unterstand dem Bischof. Wenn wir uns in der Sakristei des Münsters umsehen, entdecken wir dort das an die Wand gemalte Zitat von Ulrich Zwingli: "Tut um Gott´s Willen etwas Tapferes". Das war das Lebensmotto des Schweizer Reformators. Die Publizistin Ulrike Strerath-Bolz hat jetzt ein Buch über Zwingli herausgegeben.
"Er hat sich in heftigste Auseinandersetzungen hineinbegeben. Sich am Neujahrstag 1519 in diese riesengroße Kirche zu stellen und zu sagen: Von jetzt an machen wir im Gottesdienst fast alles anders als bisher. Tapferer geht es wohl kaum."
Was wollte Zwingli verändern innerhalb der Eidgenossenschaft? In den Gemeinden herrschte bereits eine genossenschaftliche Selbstverwaltung. Leibeigenschaft gab es nicht mehr, aber Unzufriedenheit mit der Anwendung des Zehnten, mit den obligatorischen Abgaben an die Kirche. Die Freigabe von Jagd und Fischfang wurde gefordert und zumindest im Gebiet von Zürich diese Forderung auch bald erfüllt. Zwingli wendet sich in seinen Predigten gegen den übersteigerten Wunderglauben. Auch gegen das so genannte Reislaufen, das seit langem Tradition hatte, das heißt, das Söldnerwesen. Die Schweizer Fußsoldaten kämpften für die Fürsten der Nachbarstaaten.
"Man sieht hier ganz gut, dass Zwingli immer das Theologische, das gemeindliche, das gottesdienstliche Arbeiten, seine Predigten auch mit einem politischen Anspruch verbunden hat. Der andere Punkt ist der mit dem Zehnten. Auch hier wieder die Idee, Christentum ganz praktisch nutzbar zu machen für die Menschen. Was den Zehnten angeht, da ging es darum, was passiert denn mit diesem Geld? Die Forderung war, dieses Geld soll in der Gemeinde bleiben und den Menschen vor Ort zugute kommen."
"Für ihn war die Bibel ganz klar Gottes Wort"
Während Erasmus von Rotterdam, der den Urtext des Neuen Testaments ins Griechische übersetzte, die Bibel verstand als ein Gleichnis auf das Leben und den Glauben, war Zwingli davon überzeugt, den Sinn Gottes, wie er es nennt, "rein aus einem einfältigen Wort lernen zu müssen". So heißt es in seiner Schrift "Die Klarheit und Gewissheit des Wortes Gottes".
"Für Zwingli gab es keine gleichnishafte oder symbolische Interpretation. Für ihn war die Bibel ganz klar Gottes Wort. Durch die Bibel spricht der Heilige Geist. Aus dem Grund war ihm so wichtig, dass Menschen die Bibel kennen, lesen, verstehen. Deshalb dann auch die große Bedeutung der Bibelübersetzung und des gemeinsamen Bibelstudiums in Zürich."
Am Großmünster in Zürich entwickelte er von Anfang an das Gemeindeprinzip. Die Zürcher Bibel ist das Ergebnis solch einer Gemeinschaftsarbeit. Das Gemeindeprinzip ist bis heute ein Merkmal der reformierten Kirche.
Seine Abendmahlslehre ist auch etwas Neues. Für Zwingli verkörpert sich nicht leibhaftig Gott im Abendmahl, die Gegenwart Christi manifestiert sich für ihn nicht in Brot und Wein, sondern im Herzen der Gläubigen, indem sie sich erinnern an das Leiden und Sterben Christi.
Damit eckt er zu seiner Zeit deutlich an. Zwingli betont, der Mensch müsse sich ganz und gar auf eine geistige Verbindung mit Gott einlassen. Dies sei nicht durch eine Autorität, nicht durch kirchliche Interpretationen zu gewährleisten. Das war ein Grund dafür, ihm Ketzerei vorzuwerfen.
"Das war sehr neu, die Vorstellung, dass die Menschen ohne irgendwelche Vermittler eine unmittelbare Beziehung zu Gott haben, die sich durch ihre Beschäftigung mit der Bibel und ihren Kontakt mit Gott im Gebet manifestiert."
Manchen ging Zwingli nicht weit genug
Die Voraussetzung dafür war eine lesbare Bibel, und zwar nicht im sächsischen Kanzleideutsch Luthers geschrieben. Deshalb setzte sich Zwingli dafür ein, dass die Zürcher Bibel in einer Gemeinschaftsarbeit entstand.
"Man hat dann relativ schnell in wenigen Jahren, vier, fünf Jahre, eine komplette gemeinsame Bibelübersetzung ins Werk gesetzt, die 1529 zum ersten Mal erschienen ist und 1531 dann auch im großen Format. Ein Exemplar liegt heute im Großmünster in Zürich. Reich bebildert, mit wunderschönen Holzschnitten, zweifarbig. Zwingli hatte gar nichts gegen Bilder. Er hatte nur etwas dagegen, dass man sie anbetet."
Doch manchen gingen seine Reformen nicht weit genug. Sie forderten eine "radikale Reformation" und standen in Opposition zu Luther und Zwingli. Eine bedeutende Rolle spielten dabei die Täufer. Die Täuferbewegung entstand 1525 in der Schweiz. Ein Streitpunkt war die Kindertaufe. Die Täufer lehnten sie strikt ab. Für Zwingli war die Taufe kein Mittel zur Gnade, mit dem die Sünden getilgt werden, sondern eine Bejahung zu Gott. Für die Täufer war die Taufe mit der Verpflichtung zu einem neuen Leben verbunden. Deshalb plädierten sie für die Erwachsenentaufe.
Zwingli tut nichts gegen die nun einsetzenden Verfolgungen der Täufer und lässt es sogar zu, dass sein ehemaliger Freund Balthasar Hubmaier eingekerkert und 1528 als Ketzer verbrannt wird. Inzwischen hat sich die Reformation auch im Alltag immer mehr durchgesetzt. Priester dürfen heiraten. Der Ablauf des Gottesdienstes wird vereinfacht, Bilder werden aus den Kirchen entfernt.
1531 stirbt Zwingli in der Schlacht
Zwinglis Lehre wird im Jahre 1526 als Irrlehre bezeichnet. Er wird aus der katholischen Kirche ausgeschlossen. Seine Schriften werden verboten. Aus dem bisherigen Pazifisten Zwingli wird jemand, der zum Kampf aufruft gegen die fünf Kantone, die sich gegen die Reformen wenden - Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern und Zug.
Ende 1529 rechtfertigt er in der Schrift "Ratschlag über den Krieg" einen Angriff auf die katholischen Orte. Ihm schwebt dabei vor, die Reformation im gesamten Gebiet der Eidgenossenschaft durchzusetzen. Der Konflikt zwischen evangelischen und katholischen Orten wird schließlich mit kriegerischen Mitteln ausgetragen. In der Schlacht bei Kappel kommt Zwingli 1531 ums Leben. Was bleibt von Zwingli?
"Seine Vorstellung vom Abendmahl hat einen großen Einfluss bis heute. Ich glaube, dass seine Idee darüber, was beim Abendmahl passiert, sehr weit verbreitet ist. Viel wichtiger ist mir geworden dieses politische Christentum, das er vertritt. Also die Vorstellung, dass Christen sich auf allen Ebenen in das, was um sie herum passiert, im Alltag, in der Politik, einmischen sollen."
Ulrike Strerath-Bolz: Ulrich Zwingli
Wie der Schweizer Bauernsohn zum Reformator wurde
Wichern Verlag 2013, 143 Seiten
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