Reform oder Revolution

Von Günter Hellmich |
Die Linke ist selbstbewusst wie nie. Der Erfolg in Nordrhein-Westfalen hat ihr Auftrieb gegeben. Nicht rote Fahnen wurden hier im Parteitagsplenum geschwenkt, sondern immer wieder die grün-weiß-rote Landesfahne mit den eingefügten 5,6 Prozent.
Dass dieses Wahlergebnis die Partei vor dem Chaos einer Schuldzuweisungsdebatte gerettet hat, ist so sicher, wie das Singen der Internationale zum Ende dieser Veranstaltung. Aber was die Linke mit ihrem Einzug in das Düsseldorfer Parlament und künftigen Wahlerfolgen im Westen wirklich anfangen will, bleibt weiter ungeklärt.

Allein, dass hier in Rostock kein Genosse mehr als Totalverweigerer in Sachen Koalition auftrat, sagt nichts über den Realitätssinn der Linken. Denn die immer wieder beschworene rote Linie, die bei Koalitions-Kompromissen nicht überschritten werden darf, ist höchst schwammig definiert: "Mit uns kein Sozialabbau", lautete das Mantra - vorgetragen von Gysi über Lafontaine bis zu Sahra Wagenknecht. Also gewissermaßen die Umkehrung des Parteitagsmottos "Sozial geht nur mit uns!". Was nicht weniger anmaßend ist, als der Parteiname.

Was mit der Linken geht, beispielsweise in Nordrhein-Westfalen ist von der Auslegung des schwammigen Begriffs Sozialabbau abhängig. Und damit von den taktischen Erwägungen der "Antikapitalistischen Linken" , jener Parteiströmung , die in NRW eine führende Rolle spielt. Wer politische Entscheidungen in erster Linie davon abhängig macht, ob sie die Abschaffung des Kapitalismus befördern, führt Koalitionsgespräche sicher anders, als ginge es nur um eine sozialere Landespolitik.

Zwischen ostdeutschen und westdeutschen Landesverbänden der Linken gibt es in Sachen Pragmatismus weit mehr als nur graduelle Unterschiede. Nimmt man die Vorstandswahlen als Indiz, dann hat sich die Linke weiter nach Westen bewegt, und damit vermutlich weiter nach links außen.

Allein dass die bekennende Marxistin Sahra Wagenknecht nach einer rhetorisch brillanten radikal antikapitalistischen Rede mit mehr als 75 Prozent erstmals zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt wurde ist ein Signal. Die auf Gysis Vorschlag hier gewählte doppelt und dreifach quotierte Parteiführung wird zeigen müssen ob sie die widersprüchlichen Interessen der Parteiflügel unter einen Hut bringt. Das ist angesichts des Sprengstoffs, den die Programmdiskussion in sich birgt, höchst ungewiss. Bei keinem Links-Parteitag der letzten zehn Jahre, die PDS-Zeit mal mitgerechnet, war Gregor Gysi so präsent, wir hier in Rostock.

Er ist nach dem Rückzug Lafontaines, die Autorität die die Strippen zieht und den Laden zusammenhält. Wie lange kann das gut gehen? Die Geschlossenheit nach dem knappen Wahlsieg in Düsseldorf, kann nicht darüber hinwegtäuschen, wie stark die Fliehkräfte sind.