Reflektion der Bühnengeschichte
Das "Theater der Welt" in Halle hat mit "Hallumination" einen großen Erfolg verzeichnet. Dabei handelt es sich um eine Großprojektion auf dem Universitätsplatz über die Theatergeschichte der Stadt.
Der Anfang war ein Trommelwirbel, eine Prozession. Theater- und Musikgruppen aus drei Kontinenten zogen durch die Stadt, ein Sternmarsch zum Marktplatz. Und das Konzept dahinter ging auf. Andreas Hillger, Kulturredakteur der "Mitteldeutschen Zeitung":
Andreas Hillger: "Es gab eben diesen Versuch, die Stadt mitzunehmen, und die Stadt ist überraschend gut mitgegangen. Das ging mit der Eröffnung, wo so am Anfang zwei-, drei hundert typisch Kulturbewegte hinter den Trommlern herliefen, und die Trommler liefen wie so eine Demonstration durch die Stadt, die dann wirklich so "Bürger, lasst das glotzen sein, kommt herunter, reiht euch ein" machte, und die kamen auf dem Markt an und dachten, das kann ja wohl nicht wahr sein, da kommen ja immer mehr, die haben wirklich die Stadt auf den Markt gespült, und das während eines Deutschland-Fußballspiels. Und das sind so Geschichten, die man erst mal schaffen muss."
König Fußball war die große Konkurrenz, und das Theaterfestival, ganz in der Rolle des Hofnarren, nutzte den Glanz der Europameisterschaft, und bot selbst Theater im Stadion. Denn das Motto des Festivals hieß ja in Anlehnung an ein Hölderlin-Gedicht " Komm ins Offene" – und so ging man unter anderem mit Massimo Furlan ins Stadion, zu einer Ein-Mann-Show der besonderen Art. Zum Glück aber blieb es nicht bei Theater als Event, als Tourismusförderung und Sport-Begleitprogramm:
Torsten Maß: "Wir haben gesagt, dass wir das Programm aufbauen wollen auf drei großen inhaltlichen Säulen."
Torsten Maß, Kurator des Festivals "Theater der Welt" in Halle.
Torsten Maß: "Einmal das Spielerische, Höhepunkt dabei war unser Fußballspiel, 2600 Menschen hatten im Wabbel-Stadion sich versammelt und sich gefreut das auf den tag genau 34 Jahre später das berühmte 1:0 in der deutsch-deutschen Fußballgeschichte noch mal gespielt wird von einer einzigen Person. Dann die zweite Säule war das große Emotionale, Philosophisch, Humanistische, wie zum Beispiel die Inder, die ja eine Religion pflegen, die alle Glaubenskriege qua Grundgesetz verbannen. Und das dritte sind die politischen Stücke."
Der politische Hintersinn des Kurators wurde von Anfang an deutlich. So geriet zum Beispiel das als opulentes und genussreiches Musiktheater angekündigte indische Stück "Die Manganyar-Verführung" zu einem tief bewegenden Plädoyer für die Bewahrung absterbender Kulturen. Ganz anders dagegen das gefeierte Stück des Habima-Theaters aus Israel: Die "Dritte Generation" hieß es und tat, was Theater eben auch kann: Im Tabubruch Konflikte auf die satirische Spitze treiben, sich im Lachen befreien. Den Schauspielern um Regisseurin Yael Ronen gelang nichts geringeres, als in der Parodie zum Beispiel das Muster der gegenseitigen Aufrechnung zu karikieren – und es lächelnd zu durchbrechen.
Ausschnitt "Dritte Generation": "Natürlich muss man wissen, nicht alle Deutschen sind Nazis, aber auch nicht alle Araber sind Terroristen, aber einige sind Attentäter, sie morden unschuldige Frauen und Kinder, aber die israelische Armee mordet auch unschuldige Frauen und Kinder. Aber sie tun es weil sich die Terroristen hinter den Familien verstecken. Aber sie tun es weil sie nichts zu verlieren haben und weil sie keine Wahl haben. Aber die Israelis haben auch keine Wahl. Aber es gibt immer eine Wahl, sogar die Nazis hatten die Wahl, und auch heute hat jeder die Wahl…"
Diese Produktion gehört zu denen, die über Halle hinaus wirken. Sie geht an die Schaubühne Berlin und nach Tel Aviv. Und der Beifall für dieses Stück oder auch für den argentinischen Beitrag "La Pesca" bewies. Das Menschentheater mit echten Schauspielern im geschlossenen Bühnenraum hat noch immer Potential – Theatermacher können ihm trauen und müssen nicht um jeden Preis auf die öffentlichen Plätze gehen oder gar auf Videoprojektionen setzen. Denn auch das zeigte die Formenvielfalt des Festivals: Sobald mit Projektionen gearbeitet wurde, verflachte der Effekt, als nähme die glatte Fläche den Stücken die Tiefe des Raumes und den Schauspielern ihre Lebendigkeit. Beispiele dafür wären die enttäuschende Big Art Group aus New York oder die englische Kompanie Bock and Vincenzi.
Und doch bildete wiederum eine Projektion den Abschluss, die Hallumination – eine Art Licht-Ton-Show an der klassizistischen Fassade der Martin-Luther-Universität. Und da kam sogar noch einmal Peter Sodann zu Wort, der Tatort-Kommissar, der 25 Jahre lang Intendant des neuen Theaters in Halle war.
Peter Sodann: "Ich hasse nichts mehr als ein Theater, wo die Leute reingehen, sich selbst genügen müssen, irgendwelchen Event-Ansprüchen, und wenn sie wieder rausgehen sagen, es war sehr interessant. Weil dann hat das Theater gelogen und die Leute wollen nicht zugeben, dass sie es nicht verstanden haben oder es für Mist halten, weil dann andere sagen, guck mal, der hat keine Ahnung.von Kunst oder so etwas."
Die "Stadt als Bühne" war einer der Slogans des Festivals – und tatsächlich brachte die Öffnung nach Außen viel Sympathie und Aufmerksamkeit, etwa mit den liebevollen "Stadtverführungen" des Hallensers Wilhelm Bartsch. Leider kamen die ambitionierten und politisch hoch brisanten Inszenierungen am Flughafen Halle-Leipzig nicht so gut an: Das Projekt "AUSFLUGHAFENSICHT" war einfach zu weit ab vom Schuss – und mitunter auch zu diskursiv, zu kopflastig. Für Halle selbst bleibt vor allem ein immenser Imagegewinn. Die Saalestadt, eine Zugstunde von Berlin entfernt, hat sich durch das Theaterfestival nachdrücklich als Kulturort in Szene gesetzt. Und Christoph Werner, Intendant der Kulturinsel, sollte sehr gestärkt aus diesem Festival herausgehen. Nötig hat er es, denn auch in Halle herrscht eine angespannte Haushaltslage und auch dort wird zuvorderst an der Kultur gespart. Dem setzt Werner nach dem Festival ein Versprechen für die neue Saison entgegen:
Werner: "Wir werden Aufsehen erregendes Theater machen. Also wir werden deutschlandweit in aller Munde sein zu Spielzeitbeginn, das verspreche ich."
Andreas Hillger: "Es gab eben diesen Versuch, die Stadt mitzunehmen, und die Stadt ist überraschend gut mitgegangen. Das ging mit der Eröffnung, wo so am Anfang zwei-, drei hundert typisch Kulturbewegte hinter den Trommlern herliefen, und die Trommler liefen wie so eine Demonstration durch die Stadt, die dann wirklich so "Bürger, lasst das glotzen sein, kommt herunter, reiht euch ein" machte, und die kamen auf dem Markt an und dachten, das kann ja wohl nicht wahr sein, da kommen ja immer mehr, die haben wirklich die Stadt auf den Markt gespült, und das während eines Deutschland-Fußballspiels. Und das sind so Geschichten, die man erst mal schaffen muss."
König Fußball war die große Konkurrenz, und das Theaterfestival, ganz in der Rolle des Hofnarren, nutzte den Glanz der Europameisterschaft, und bot selbst Theater im Stadion. Denn das Motto des Festivals hieß ja in Anlehnung an ein Hölderlin-Gedicht " Komm ins Offene" – und so ging man unter anderem mit Massimo Furlan ins Stadion, zu einer Ein-Mann-Show der besonderen Art. Zum Glück aber blieb es nicht bei Theater als Event, als Tourismusförderung und Sport-Begleitprogramm:
Torsten Maß: "Wir haben gesagt, dass wir das Programm aufbauen wollen auf drei großen inhaltlichen Säulen."
Torsten Maß, Kurator des Festivals "Theater der Welt" in Halle.
Torsten Maß: "Einmal das Spielerische, Höhepunkt dabei war unser Fußballspiel, 2600 Menschen hatten im Wabbel-Stadion sich versammelt und sich gefreut das auf den tag genau 34 Jahre später das berühmte 1:0 in der deutsch-deutschen Fußballgeschichte noch mal gespielt wird von einer einzigen Person. Dann die zweite Säule war das große Emotionale, Philosophisch, Humanistische, wie zum Beispiel die Inder, die ja eine Religion pflegen, die alle Glaubenskriege qua Grundgesetz verbannen. Und das dritte sind die politischen Stücke."
Der politische Hintersinn des Kurators wurde von Anfang an deutlich. So geriet zum Beispiel das als opulentes und genussreiches Musiktheater angekündigte indische Stück "Die Manganyar-Verführung" zu einem tief bewegenden Plädoyer für die Bewahrung absterbender Kulturen. Ganz anders dagegen das gefeierte Stück des Habima-Theaters aus Israel: Die "Dritte Generation" hieß es und tat, was Theater eben auch kann: Im Tabubruch Konflikte auf die satirische Spitze treiben, sich im Lachen befreien. Den Schauspielern um Regisseurin Yael Ronen gelang nichts geringeres, als in der Parodie zum Beispiel das Muster der gegenseitigen Aufrechnung zu karikieren – und es lächelnd zu durchbrechen.
Ausschnitt "Dritte Generation": "Natürlich muss man wissen, nicht alle Deutschen sind Nazis, aber auch nicht alle Araber sind Terroristen, aber einige sind Attentäter, sie morden unschuldige Frauen und Kinder, aber die israelische Armee mordet auch unschuldige Frauen und Kinder. Aber sie tun es weil sich die Terroristen hinter den Familien verstecken. Aber sie tun es weil sie nichts zu verlieren haben und weil sie keine Wahl haben. Aber die Israelis haben auch keine Wahl. Aber es gibt immer eine Wahl, sogar die Nazis hatten die Wahl, und auch heute hat jeder die Wahl…"
Diese Produktion gehört zu denen, die über Halle hinaus wirken. Sie geht an die Schaubühne Berlin und nach Tel Aviv. Und der Beifall für dieses Stück oder auch für den argentinischen Beitrag "La Pesca" bewies. Das Menschentheater mit echten Schauspielern im geschlossenen Bühnenraum hat noch immer Potential – Theatermacher können ihm trauen und müssen nicht um jeden Preis auf die öffentlichen Plätze gehen oder gar auf Videoprojektionen setzen. Denn auch das zeigte die Formenvielfalt des Festivals: Sobald mit Projektionen gearbeitet wurde, verflachte der Effekt, als nähme die glatte Fläche den Stücken die Tiefe des Raumes und den Schauspielern ihre Lebendigkeit. Beispiele dafür wären die enttäuschende Big Art Group aus New York oder die englische Kompanie Bock and Vincenzi.
Und doch bildete wiederum eine Projektion den Abschluss, die Hallumination – eine Art Licht-Ton-Show an der klassizistischen Fassade der Martin-Luther-Universität. Und da kam sogar noch einmal Peter Sodann zu Wort, der Tatort-Kommissar, der 25 Jahre lang Intendant des neuen Theaters in Halle war.
Peter Sodann: "Ich hasse nichts mehr als ein Theater, wo die Leute reingehen, sich selbst genügen müssen, irgendwelchen Event-Ansprüchen, und wenn sie wieder rausgehen sagen, es war sehr interessant. Weil dann hat das Theater gelogen und die Leute wollen nicht zugeben, dass sie es nicht verstanden haben oder es für Mist halten, weil dann andere sagen, guck mal, der hat keine Ahnung.von Kunst oder so etwas."
Die "Stadt als Bühne" war einer der Slogans des Festivals – und tatsächlich brachte die Öffnung nach Außen viel Sympathie und Aufmerksamkeit, etwa mit den liebevollen "Stadtverführungen" des Hallensers Wilhelm Bartsch. Leider kamen die ambitionierten und politisch hoch brisanten Inszenierungen am Flughafen Halle-Leipzig nicht so gut an: Das Projekt "AUSFLUGHAFENSICHT" war einfach zu weit ab vom Schuss – und mitunter auch zu diskursiv, zu kopflastig. Für Halle selbst bleibt vor allem ein immenser Imagegewinn. Die Saalestadt, eine Zugstunde von Berlin entfernt, hat sich durch das Theaterfestival nachdrücklich als Kulturort in Szene gesetzt. Und Christoph Werner, Intendant der Kulturinsel, sollte sehr gestärkt aus diesem Festival herausgehen. Nötig hat er es, denn auch in Halle herrscht eine angespannte Haushaltslage und auch dort wird zuvorderst an der Kultur gespart. Dem setzt Werner nach dem Festival ein Versprechen für die neue Saison entgegen:
Werner: "Wir werden Aufsehen erregendes Theater machen. Also wir werden deutschlandweit in aller Munde sein zu Spielzeitbeginn, das verspreche ich."