Red Hot Chili Peppers mit neuem Album

"Da ist eine Menge Herzschmerz"

Der Sänger der US-amerikanischen Crossover-Band Red Hot Chili Peppers, Anthony Kiedis 2016 beim Musikfestival "Rock im Park" in Nürnberg
Anthony Kiedis 2016 beim Musikfestival "Rock im Park" in Nürnberg © picture alliance / dpa / Daniel Karmann
Von Marcel Anders · 17.06.2016
"The Getaway" ist seit 25 Jahren das erste Album der Red Hot Chili Peppers ohne Produzent Rick Rubin. Sänger Anthony Kiedis über die neue Platte, das "zweiköpfige Monster Amerika" und seine Vorliebe für junge Frauen.
"Eines Tages würde ich mich gerne David Bowie auf seiner Wolke anschließen – um welchen Planeten sie auch kreist. Das wäre ein toller letzter Ort. Aber ich bin noch nicht so weit. Und ich lebe sehr gesund. Deshalb muss David noch warten."
Anthony Kiedis gibt Entwarnung: Es sei nur eine Grippe gewesen, die ihn außer Gefecht gesetzt habe, und man müsse sich keine Sorgen um ihn machen. Was er auch optisch vermittelt: ein drahtiger Typ mit braunen Teint, schwarzem Schnäuzer und geballtem Ehrgeiz. Kein alternder Rockstar, sondern ein 53-Jähriger, der sich weiterentwickeln und neue Sachen probieren will. Weshalb die Band zum ersten Mal seit 1991 nicht mit Produzent Rick Rubin gearbeitet hat, sondern mit Danger Mouse alias Brian Burton. Ein Hipster, der Kiedis gleich beim ersten Treffen sagte, dass er die Demos der Band für ungeeignet halte. Der Auftakt zu einer spannenden Zusammenarbeit.
"Ich war nicht sauer, weil er das auf eine Art gesagt hat, die nicht arrogant war. Und auch später, als ich Texte für die neue Musik geschrieben habe, meinte er oft: 'Das kannst du noch besser.' Darauf ich: 'Aber ich habe es schon zwei Mal versucht.' Und er: 'Probier's noch mal.' Also habe ich mich dahinter geklemmt, und es hat funktioniert. Sprich: Er hat mich gefordert und so habe ich tatsächlich besseres Material erhalten."

Die Möglichkeiten des Studios ausgeschöpft

Unter Rick Rubin, so Kiedis, hätten die Peppers nur gejammt. Bei Brian Burton wurden dagegen die Möglichkeiten des Studios ausgeschöpft, alte Strukturen aufgebrochen und wild experimentiert. Was zur Folge hat, dass die Peppers 2016 einen komplexen Sound mit breiter Instrumentierung und etlichen Überraschungen aufweisen. Ein Stilmix aus Rock, Funk und Pop, aber mit Keyboards, Klavier, Streichern, Samples und Loops. Was einer Modernisierung entspricht, die dem Quintett gut zu Gesicht steht. Und auch die Texte sind direkter denn je. Wie das sozio-politische "We Turn Red".
"Der Song ist ein Blick auf Amerika. Auf ein Land, das von Kriegen profitiert – von Menschenleben und verflossenem Blut. Trotzdem ist es für viele der Ort ihrer Träume. Was uns zu diesem zweiköpfigen Monster macht, bei dem die eine Hälfte extrem aggressiv und kriegstreibend ist und die andere Gleichheit und unbegrenzte Möglichkeiten für jedermann will. Für Menschen aus aller Welt, die nach Amerika fliehen, um Teil dieser verrückten Energie zu werden, die wunderbar und völlig korrupt ist."

"Hillary Clinton ist eine Faschistin"

Wenn Kiedis, ein glühender Verehrer von Bernie Sanders, erst einmal auf Betriebstemperatur ist, nennt er Hillary Clinton eine Faschistin, Obama eine Enttäuschung und Trump eine Witzfigur. Klare Worte, die er sich bei seinem links-alternativen Publikum leisten kann, die zur Hommage an Hollywood-Rebell Steve McQueen im Albumtitel passen – und einen Gegenpol zum Rest der Texte auf "The Getaway" bilden.
"Da ist eine Menge Herzschmerz und er rührt daher, dass ich zuletzt in einer schwierigen Beziehung war, bei der ich mich ständig fragte: 'Warum ist das so kompliziert? Ich liebe diese Person – warum funktioniert das nicht?' Es war, als hätte ich zwei Jahre meines Lebens verschwendet. Bis ich diese Songs schrieb – und ein guter Freund meinte: 'Du hast nichts verschwendet, sondern ein Album gewonnen.'"
Kiedis und die Frauen – ein Beitrag für sich. Denn der Rockstar, der mit Sohn Everly Bear in einem Strandhaus in Malibu wohnt, ist ein echter Womanizer, der schon mit Nina Hagen, Ione Skye, Heidi Klum und zig Supermodels liiert war. Die meisten davon halb so alt wie er. Doch seit er auf Alkohol und Drogen verzichte, sei das seine letzte Sünde.
"Es ist nicht so, als ob ich auf junge Models stehe. Ich mag einfach Menschen, die noch nicht übersättigt sind. Die nicht denken: 'Ich habe alles gesehen und erlebt.' Das sorgt dafür, dass ich nicht selbstgefällig werde oder gelangweilt von Dingen bin, von denen ich glaube, dass ich sie kenne. Klar, fühle ich mich auch von jüngeren Menschen angezogen. Und das ist eine Schwäche, die Vor- und Nachteile hat. Aber jedes Mal, wenn ich das zu ändern versuche, klappt es nicht – insofern soll es wohl so sein."

Die Herbsttournee ist ausverkauft

Der Preis des Ruhms. Für Kiedis und die Chili Peppers eine Geißel, an die man sich längst gewöhnt hat. Schließlich ist die eigene Karriere durchsetzt von Personalwechseln, von Drogentoten, gigantischen Erfolgen und kolossalen Flops. Eine emotionale Achterbahnfahrt, die gerade einen neuen Höhepunkt zu erreichen scheint. Mit einem riesigen Medieninteresse und einer ausverkauften Herbsttournee, bei der Kiedis & Co. auch ihrem Idol Tribut zollen: David Bowie.
"Wir haben versucht, 'Cracked Actor' zu covern, doch das war schwerer als wir dachten. Die meisten Bowie-Stücke sind sehr kompliziert, weil er einen einmaligen Groove hatte. Dafür ist unsere Version von 'Starman' umso besser, und wir haben noch 'Panic In Detroit' in der Hinterhand."
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