Recycling-Künstler mit Messie-Syndrom
Der Hamburger Künstler Thorsten Brinkmann verwertet in seinen Arbeiten den Abfall der Industrienationen. Erst 35 Jahre alt, hat ihn jetzt das Gemeentemuseum in Den Haag aufgenommen in den Reigen der Kunstgeschichte. In der Ausstellung über die wichtigsten deutschen Künstler seit 1900 ist er zu sehen neben Malerstars wie Daniel Richter, Jörg Immendorff und Künstlern der Brücke und des Blauen Reiters.
Wir sitzen in Thorsten Brinkmanns weißen VW-Bus und fahren über die Elbbrücken Richtung Süden, nach Hamburg-Harburg.
Thorsten Brinkmann: "Da ist die Möbelhilfe, die recyclen alte Dinge, und da darf ich dann auch Zeug mitnehmen - umsonst!" (lacht)
Sofas, Schrankteile, Klamotten, altmodische Lampenschirme: Thorsten Brinkmann türmt gefundene Gegenstände zu Skulpturen auf oder fotografiert sich selbst in Altkleidern. Früher hat der 35-Jährige für seine Arbeiten den Sperrmüll auf der Straße durchwühlt.
Thorsten Brinkmann: "Vor zwei, drei Jahren hat Hamburg so ein Reinigungskommando geschickt und hat die ganzen wilden Müllhalden aufgeräumt, seitdem ist da auch nichts mehr zu finden."
Der Bus parkt vor der Möbelhilfe Süderelbe, einem ehemaligen Gefängnis. Brinkmann, jugendlich und nordisch aussehend, mit breiten Schultern, grauen Augen und hellem Haar, ist hier bekannt. Er erzählt, dass die Mitarbeiter auch schon bei seinen Eröffnungen waren.
"Hier gibt es halt skurrile Sachen, Wo man sich auch manchmal fragt, was ist das eigentlich, da gibt es so schräge Objekte."
Wie dieser "schräge" dreieckige Gegenstand, ein Garderobenhalter vielleicht. Er könnte in der nächsten Ausstellung als Readymade, als unbearbeitetes Fundstück, auftauchen.
Thorsten Brinkmann: "Weil das so grafisch ist und so obskur, das kann man sich als Künstler eigentlich gar nicht einfallen lassen (lacht). Da wird es dann spannend, wenn man selber so was nicht bauen könnte oder würde."
Wir sind im Industriegebiet Veddel angekommen, in Brinkmanns Atelier. Auf 95 Quadratmetern wuchert das Chaos. Trotz Müll-Leidenschaft wirkt Brinkmann, der Vater einer zweijährigen Tochter ist, eher bodenständig. Er selbst bezeichnet sich als "Beamten-Künstler" mit Messie-Syndrom:
"Ich arbeite schon sehr kontinuierlich und bin täglich hier, fang früh an und bleibe dann hier sieben, acht Stunden. Das ist auch von der Familie her so strukturiert worden. Sonst hat man auch nichts zu zeigen, das Zeug muss irgendwo herkommen."
Thorsten Brinkmann ist in Herne aufgewachsen, als Sohn eines Diplomingenieurs und einer Verkäuferin. Er erinnert sich an eine typische 80er Jahre-Kindheit im behüteten Mittelstand mit Einfamilienhaus.
"Trotz allem hatte ich immer das Gefühl, wir haben nicht besonders viel Geld zur Verfügung. Das sah zwar dann immer so aus, aber ein Haus hat dann doch mehr gekostet, dann musste man an allen Ecken und Enden dann doch auch sparen eigentlich. Das führt dann vielleicht dazu, dass man in den wertlosen Dingen so Besonderheiten findet oder lange an solchen Sachen festhält. Mein Bruder zum Beispiel ist eigentlich Messie, da findet das Ganze nicht professionalisiert statt."
Im Moment arbeitet Thorsten Brinkmann an einer Serie Selbstporträts - was irreführend ist, denn auf den Fotos ist er nicht zu erkennen: In Altkleidern verfremdet, versteckt er den Kopf unter Behältern, einem Lampenschirm oder einem Blumentopf. Erstaunlich poetisch und in ein weiches Licht getaucht, erinnern die Bilder an Gemälde alter Meister. Mit Porträtfotografie hatte Thorsten Brinkmann angefangen:
"Irgendwann wollte ich im fotografischen Bereich arbeiten und habe eine Fotoassistenz angefangen. Da war aber relativ schnell klar, dass ich nicht in den Werbebereich möchte."
Also hat sich Thorsten Brinkmann mit 27 Jahren an der Hochschule für freie Kunst eingeschrieben, erst in Kassel, dann in Hamburg.
Langsam wird er bekannt: Das Gemeente-Museum in Den Haag hat ihn eingeladen, an einer Ausstellung über die wichtigsten deutschen Künstler seit 1900 teilzunehmen.
Thorsten Brinkmann: "Was interessant war, dass die einen dann kunsthistorisch so einordnen, wie ich mich selber nie gesehen hätte oder habe. Dass die einen als einen deutschen Expressionisten sehen oder behandeln. Das kann man dann so sehen, passt dann auch schon. Gerade wenn man sich alte Radierungen anguckt, alte Malereien im Vergleich. Dann ist die Müll-Nummer doch auch expressiv und passt da auch rein.
Es gibt so, ich nenn das immer Angeberfotos, es gibt dann so Fotos, wo meine Arbeit gleichzeitig zu sehen ist mit Daniel Richter."
Brinkmanns Arbeiten kosten zwischen 900 und 8000 Euro, Tendenz steigend. Die Financial Times rät deshalb: Wer sparen will, sollte besser jetzt einen Brinkmann kaufen. Ein Investitions-Kunstverständnis, das Thorsten nicht ganz entspricht. Um sich Freiheiten zu erhalten, jobbt der 35-Jährige wie zu Studienzeiten in einer Bar:
"Okay, wenn ich jetzt hier vom Kunstmarkt abhängig bin, wenn sie es dann nicht mehr gut finden, muss man auch in der Lage sein, trotzdem über Wasser zu bleiben."
Info:
Thorsten Brinkmanns Arbeiten sind bis zum 29. Juni in der Gruppenausstellung "Schöne Grüße aus Hohenlockstedt" in der Arthur-Boskamp-Stiftung ausgestellt und bis zum 12. August im Gemeentemuseum Den Haag.
Thorsten Brinkmann: "Da ist die Möbelhilfe, die recyclen alte Dinge, und da darf ich dann auch Zeug mitnehmen - umsonst!" (lacht)
Sofas, Schrankteile, Klamotten, altmodische Lampenschirme: Thorsten Brinkmann türmt gefundene Gegenstände zu Skulpturen auf oder fotografiert sich selbst in Altkleidern. Früher hat der 35-Jährige für seine Arbeiten den Sperrmüll auf der Straße durchwühlt.
Thorsten Brinkmann: "Vor zwei, drei Jahren hat Hamburg so ein Reinigungskommando geschickt und hat die ganzen wilden Müllhalden aufgeräumt, seitdem ist da auch nichts mehr zu finden."
Der Bus parkt vor der Möbelhilfe Süderelbe, einem ehemaligen Gefängnis. Brinkmann, jugendlich und nordisch aussehend, mit breiten Schultern, grauen Augen und hellem Haar, ist hier bekannt. Er erzählt, dass die Mitarbeiter auch schon bei seinen Eröffnungen waren.
"Hier gibt es halt skurrile Sachen, Wo man sich auch manchmal fragt, was ist das eigentlich, da gibt es so schräge Objekte."
Wie dieser "schräge" dreieckige Gegenstand, ein Garderobenhalter vielleicht. Er könnte in der nächsten Ausstellung als Readymade, als unbearbeitetes Fundstück, auftauchen.
Thorsten Brinkmann: "Weil das so grafisch ist und so obskur, das kann man sich als Künstler eigentlich gar nicht einfallen lassen (lacht). Da wird es dann spannend, wenn man selber so was nicht bauen könnte oder würde."
Wir sind im Industriegebiet Veddel angekommen, in Brinkmanns Atelier. Auf 95 Quadratmetern wuchert das Chaos. Trotz Müll-Leidenschaft wirkt Brinkmann, der Vater einer zweijährigen Tochter ist, eher bodenständig. Er selbst bezeichnet sich als "Beamten-Künstler" mit Messie-Syndrom:
"Ich arbeite schon sehr kontinuierlich und bin täglich hier, fang früh an und bleibe dann hier sieben, acht Stunden. Das ist auch von der Familie her so strukturiert worden. Sonst hat man auch nichts zu zeigen, das Zeug muss irgendwo herkommen."
Thorsten Brinkmann ist in Herne aufgewachsen, als Sohn eines Diplomingenieurs und einer Verkäuferin. Er erinnert sich an eine typische 80er Jahre-Kindheit im behüteten Mittelstand mit Einfamilienhaus.
"Trotz allem hatte ich immer das Gefühl, wir haben nicht besonders viel Geld zur Verfügung. Das sah zwar dann immer so aus, aber ein Haus hat dann doch mehr gekostet, dann musste man an allen Ecken und Enden dann doch auch sparen eigentlich. Das führt dann vielleicht dazu, dass man in den wertlosen Dingen so Besonderheiten findet oder lange an solchen Sachen festhält. Mein Bruder zum Beispiel ist eigentlich Messie, da findet das Ganze nicht professionalisiert statt."
Im Moment arbeitet Thorsten Brinkmann an einer Serie Selbstporträts - was irreführend ist, denn auf den Fotos ist er nicht zu erkennen: In Altkleidern verfremdet, versteckt er den Kopf unter Behältern, einem Lampenschirm oder einem Blumentopf. Erstaunlich poetisch und in ein weiches Licht getaucht, erinnern die Bilder an Gemälde alter Meister. Mit Porträtfotografie hatte Thorsten Brinkmann angefangen:
"Irgendwann wollte ich im fotografischen Bereich arbeiten und habe eine Fotoassistenz angefangen. Da war aber relativ schnell klar, dass ich nicht in den Werbebereich möchte."
Also hat sich Thorsten Brinkmann mit 27 Jahren an der Hochschule für freie Kunst eingeschrieben, erst in Kassel, dann in Hamburg.
Langsam wird er bekannt: Das Gemeente-Museum in Den Haag hat ihn eingeladen, an einer Ausstellung über die wichtigsten deutschen Künstler seit 1900 teilzunehmen.
Thorsten Brinkmann: "Was interessant war, dass die einen dann kunsthistorisch so einordnen, wie ich mich selber nie gesehen hätte oder habe. Dass die einen als einen deutschen Expressionisten sehen oder behandeln. Das kann man dann so sehen, passt dann auch schon. Gerade wenn man sich alte Radierungen anguckt, alte Malereien im Vergleich. Dann ist die Müll-Nummer doch auch expressiv und passt da auch rein.
Es gibt so, ich nenn das immer Angeberfotos, es gibt dann so Fotos, wo meine Arbeit gleichzeitig zu sehen ist mit Daniel Richter."
Brinkmanns Arbeiten kosten zwischen 900 und 8000 Euro, Tendenz steigend. Die Financial Times rät deshalb: Wer sparen will, sollte besser jetzt einen Brinkmann kaufen. Ein Investitions-Kunstverständnis, das Thorsten nicht ganz entspricht. Um sich Freiheiten zu erhalten, jobbt der 35-Jährige wie zu Studienzeiten in einer Bar:
"Okay, wenn ich jetzt hier vom Kunstmarkt abhängig bin, wenn sie es dann nicht mehr gut finden, muss man auch in der Lage sein, trotzdem über Wasser zu bleiben."
Info:
Thorsten Brinkmanns Arbeiten sind bis zum 29. Juni in der Gruppenausstellung "Schöne Grüße aus Hohenlockstedt" in der Arthur-Boskamp-Stiftung ausgestellt und bis zum 12. August im Gemeentemuseum Den Haag.