Recycelte Diättipps

Von Udo Pollmer · 27.04.2013
Eine Welle mit Frühjahrsdiäten schwappt wieder durchs Land. Lebensmittelchemiker Udo Pollmer ist durch das seichte Wasser der vielen Tipps gewatet und hat das Diät-Strandgut auf Verwertungsmöglichkeiten geprüft. Sein Urteil: Glauben Sie bloß kein Wort zu viel.
Wo kommen eigentlich die vielen Diättipps her? Irgendwann müsste doch auch der größte anzunehmende Unfug durch sein. Um der Sache auf den Grund zu gehen, hab ich eine bunte Frauenzeitschrift erworben und mich gleich auf die Schlankheitstipps gestürzt. Ergebnis: Ökologie wird großgeschrieben, denn jeder Tipp – und sei er noch so abstrus - macht alsbald die Runde durch die Gesundheits-Websites dieser Erde und wird dort von den Redaktionen wieder herausgefischt und recycelt.

Hier der erste Tipp aus meiner Illustrierten: "30 Prozent höher ist der Kalorienverbrauch in der Nacht, wenn sie 40 Minuten vor dem Schlafengehen einen halben Liter stilles Wasser trinken". Das Wasser also als Fat-Burner, der nur im Dunkeln brennt?! Die Idee ist ja nicht neu, sondern kursiert in der Community der Schön-&-schlank-sein-Wollenden seit vielen Jahren, ähnlich wie in den Hafenstädten dieser Welt der Tripper.

Diätberater erklären die Wirkung des Wassers so: Wenn das stille Wasser kalt ist, kühlt es den Körper innerlich aus und dann fängt er an volle Pulle zu heizen und dabei schmilzt der Speck. Aber wie kommt man auf die glorreiche Idee, dass Wasser nur nachts dem Speck ans Leder will? Hoffentlich nicht eine Folge geistiger Umnachtung. Ganz unter uns: Der größte kalorische Verbrauch besteht im nächtlichen Gang zur Toilette – durch den Wärmeverlust beim Verlassen des Bettes.

Ein paar Zeilen weiter lese ich: "Die Schale der Mango ist viel zu schade für den Müll – sie ist das Geheimnis einer tollen Bikini-Figur." Bei Genuss der Schale würden die Fettzellen ausgetrickst. Eine Recherche bringt folgendes ans Licht: Australische Forscher hatten in der Biotonne nach Möglichkeiten zum Geldverdienen gesucht, Mangoschalen herausgefischt, diese extrahiert, und mit den Extrakten ein paar isolierte Fettzellen geärgert. Die mochten das Zeug nicht und verzichteten darauf, das zu tun, was gesunde Fettzellen im Reagenzglas tun: weiter Fett anzureichern. Übrigens: ein anderer Mangoschalenextrakt schmeckte den Zellen offenbar und sie nahmen ganz schnell ganz viel Fett auf.

Das Problem des Tipps liegt woanders: In Mangoschalen stecken extrem starke Allergene, die eng verwandt sind mit dem Giftsumach, auch als Giftefeu oder Gift-Eiche bekannt. Sie reizen Haut und Schleimhäute. Nur geschälte Mangos sind frei davon. In den Tropen leiden die Menschen oft an einer "Mango-Dermatitis". Besonders riskant ist es, wenn der ätzende Milchsaft des Baumes auf die Mangos geraten ist, und diese dann nicht geschält sondern gleich ausgezuzelt werden. Dieser Schlankheitstipp schafft zumindest lästige Konkurrentinnen vom Leibe. Ab in den Müll mit dem Tipp – dort wird ihn eh bald nächste bedürftige Redaktion wieder recyceln.

Direkt neben der Mangostory gibt’s den Super-Mega-Abnehmtipp. Die Illustrierte, die eigentlich "Frauengesundheit" heißt, aber das lieber auf Englisch sagt, verrät, dass diätwillige Leserinnen ihr Hirn mechanisch einschalten können. Das Einschalten wird empfohlen, sobald jemand Lust auf Süßes verspürt. Ich lese Ihnen das mal vor: "Mit einem ganz einfachen Trick widerstehen Sie der Versuchung: Wer die linke Hand zur Faust ballt und den Bizeps anspannt, dem vergeht die Lust auf Süßes. Denn diese Bewegung aktiviert die rechte Gehirnhälfte." Dort säße nämlich das logische Denken – und dadurch würde, "plötzlicher Heißhunger … vom Verstand als unsinnig beurteilt – und abgeschaltet." Aha, da gibt‘s also noch mehr Schalter. Logisch!

Eine richtige Studie – diesmal von Forschern aus San Francisco – mahnt zur Vorsicht. Sie lässt durchblicken, dass Gedankenlosigkeit dem Hirntod vorbeugt. Denken gefährdet nämlich Ihre Gesundheit. Nach Angaben der Forscher verursacht aktives Lernen sogenannte Doppelstrangbrüche im Zellkern der Neuronen. Auch wenn die Autoren versichern, das sei völlig normal, so gelten Doppelstrangbrüche der DNS als klarer Beleg für Zelltod und Krebs. Sollten die Autoren recht behalten, dann können wir 50 Jahre Warnungen vor "krebsverdächtigen" Stoffen auf dem Misthaufen der Geschichte entsorgen – am besten zusammen mit den Diät-Illustrierten. Aber das hatten Sie sich vermutlich schon lange gedacht. Mahlzeit!


Literatur:

Women’s Health: Scoop Abnehmen. Ausgabe 05/2013, S.12

Baumgarten A: na.presseportal, newsroom women‘s health: Hilfe gegen Heißhunger. 8.4.2013

Brown CM et al: Water induced thermogenesis reconsidered: the effects of osmolality and water temperature on energy expenditure after drinking. Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism 2006; 91: 3598-3602

Taing MW et al: Mango (mangifera indica L.) peel extract fractions from different cultivars differentialle affect lipid accumulation in 3T3-L1 adipocyte cells. Food & Function 2013; 26: 481-491

Ippen H: Kontaktallergie gegen Anacardiaceae. Übersicht und Kasuistik zur "Poison Ivy”-Allergie in Mitteleuropa. Dermatosen in Beruf und Umwelt 1983; 31: 140–148

Merfort I: Heil- und Nutzpflanzen mit Hauttücken. Pharmazeutische Zeitung 2002; 147 (3): 10-15
Hung IW, Labroo AA: From muscles to firm willpower: underständig the role of embodied cognition in self-regulation. Journal of Consumer Research 2010; 37: 1046-1064

Suberbielle E et al: Physiologic brain activity causes DNA double-strand breaks in neurons, with exacerbation by amyloid-ß. Nature Neuroscience 2013; epub ahead of print Mills KD et al: The role of DANN breaks in genomic instability and tumorigenesis. Immunological Reviews 2003; 194: 77-95