Rechtsterror und die Folgen

Warum Gesetzesverschärfungen alleine nicht helfen

10:13 Minuten
Zwei Frauen stellen bei einer Solidaritätskundgebung an der Neuen Synagoge Berlin Kerzen auf eine Türschwelle.
Kerzen gegen Antisemitismus: Nach den Anschlägen von Halle haben viele Menschen ein Zeichen gesetzt. Hier die Neue Synagoge Berlin. © Picture Alliance / dpa / Christoph Soeder
Brigitte Fehrle im Gespräch mit Anke Schaefer · 14.10.2019
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Sind schärfere Gesetze die Lösung, um Anschläge wie in Halle zu verhindern und Rechtsextremismus auch im Netz zu bekämpfen? Viel wichtiger sei die öffentliche Debatte über die Ursachen von Hass und Gewalt, meint Journalistin Brigitte Fehrle.
Das Attentat von Halle auf eine Synagoge zeigt, dass rechter Terror allgegenwärtig ist: Nicht nur am Ort des Geschehens, sondern auch im Internet. Denn der Attentäter streamte seine Anschlag auf das Gotteshaus und die Ermordung der beiden Passanten live im Internet. Wie lässt sich Rechtsterrorismus dieser Art verhindern? Bei einem Attentat auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch starben im März 51 Menschen. Regierungschefin Jacinda Ardern zeigte entschieden Gesicht gegen den Terror und verschärfte Gesetze. Kann Deutschland in diesem Zusammenhang etwas von Neuseeland lernen?
Unser Studiogast, die Journalistin Brigitte Fehrle, meint dazu: "Ich glaube Deutschland hat in den letzten zehn, fünfzehn Jahren eine Menge getan, um Gesetzesverschärfungen als Reaktion auf ganz unterschiedliche Arten von Gewalttaten, auch von Terrorismus, einzuführen. Die Frage ist nur: Ist das immer zielgenau und hilft es am Ende, etwas über Gesetzesverschärfungen zu machen? Ich habe die Sorge, dass die Sicherheitsbehörden auf das, was sich da im Netz zusammenbraut – was da ausgetauscht wird, was da entsteht –, gar nicht richtig gucken, weil sie die Leute, die IT-Spezialisten, nicht haben."
Generell fehle es nicht nur an Know-how, sondern schlicht an Personal für solche Aufgaben. Doch genug Personal zu haben sei derzeit wichtiger als Gesetzesverschärfungen einzuführen, bekräftigt Fehrle.

Scharfes Vorgehen gegen rechte Inhalte im Netz

In Neuseeland, wo die Regierungschefin nach den Attentaten im März 2019 aus Sicht vieler Beobachter vorbildhaft reagiert hat, hat man die Ereignisse in Halle nun zum Anlass genommen, über weitere Verschärfungen nachzudenken – vergleichbar dem Vorgehen bei Ermittlungen gegen Kinderpornografie. Man setzt dort auf eine Zusammenarbeit mit den Betreiberplattformen, über die rechtsterroristische Inhalte verbreitet wurden.
Brigitte Fehrle, Chefredakteurin Berliner Zeitung
Brigitte Fehrle: Ursachenbekämpfung ist wichtig.© Christine Blohmann
Direkt nach den Ereignissen in Christchurch hatte die Regierung zudem eine Verschärfung der Waffengesetze beschlossen. Doch abgesehen davon, dass die neuseeländischen Waffengesetze den US-amerikanischen ähneln und mit Deutschland deshalb nicht vergleichbar sind, meint Brigitte Fehrle: "Der Täter hat ja keine Waffe benutzt, die er irgendwo gekauft hat, sondern er hat sie sich ja quasi aus dem Netz zusammengebastelt. Und da können Sie das Waffenrecht verschärfen so viel Sie wollen – darauf passt es einfach nicht."

Wo liegen die Ursachen?

Natürlich müsse nach so einem Anschlag immer alles überprüft und nachjustiert werden. Die Ursachen könne man damit aber nicht bekämpfen. "Das hat auch manchmal so einen Ablenkungscharakter: Als könne man mit einzelnen Maßnahmen diese Dinge, die ja aus der Gesellschaft heraus kommen, verhindern." Wichtiger sei es, genau diese Debatte zu führen: "Woher kommt eigentlich dieser Hass, woher kommt diese Bereitschaft zu Gewalt – auf Menschen noch zu schießen, die am Boden liegen?" Darüber müsse öffentlich viel mehr gesprochen werden, als nur über Maßnahmen nachzudenken. (mkn)

Brigitte Fehrle wurde 1954 in Stuttgart geboren. Nach dem Studium arbeitete sie zunächst für den "Süddeutschen Rundfunk" und die "taz". Nach der Wende ging sie zur "Berliner Zeitung". Dort stieg sie im Jahr 2001 zur stellvertretenden Chefredakteurin auf. Sie wechselte 2006 in gleicher Position zur "Frankfurter Rundschau". Bis Februar 2009 leitete sie das Berliner Büro der "Zeit". Dann kehrte Fehrle als stellvertretende Chefredakteurin zurück zur "Berliner Zeitung". Von 2012 bis Oktober 2016 war sie dort Chefredakteurin.

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