Rechtsextreme bereiten sich auf den "Russischen Marsch" vor

Von Gesine Dornblüth · 03.11.2013
Seit 2005 begeht Russland am 4. November den "Tag der Volkseinheit", eine Art Ersatz für die weggefallenen sowjetischen Revolutionsfeiertage. Beinahe traditionell gehen am 4. November auch die russischen Nationalisten auf die Straße.
Sie grölen "Russland den Russen", schwenken Fahnen mit Runen, die Schwarz-gelb-weiße Zarenflagge, Ikonen. Seit Jahren marschieren am 4. November russische Nationalisten auf, mal mit Billigung der Behörden, mal ohne. In diesem Jahr ist der sogenannte "Russische Marsch" im Moskauer Randbezirk Ljublino genehmigt. Behörden rechnen mit 15.000 Teilnehmern.
Die Zustimmung zu nationalistischem Gedankengut ist aber viel größer, sagt der Meinungsforscher Lew Gudkow vom unabhängigen Lewada-Institut. Dessen Umfragen zufolge unterstützen annähernd 60 Prozent der Bevölkerung die Losung "Russland den Russen".

"Russland leidet unter einem nationalen Minderwertigkeitskomplex. Es ist das Trauma der verlorenen Großmacht. Und wer nichts hat, worauf er stolz sein kann, der beginnt eben, sich auf Kosten anderer zu profilieren, über Feindbilder."

Das Feindbild der Russen ist diffus. Es umfasst Arbeitsmigranten aus Zentralasien, Ausländer also, ebenso wie Zugereiste aus dem Nordkaukasus, mithin russische Staatsbürger. Gudkow sagt, die Wurzeln des Nationalismus lägen bereits in der Sowjetunion. In den 90er Jahren entstanden dann die ersten ultranationalistischen Gruppierungen. Danach sei der Nationalismus für breite Schichten der Bevölkerung immer akzeptabler geworden, so Gudkow.

"Salonfähig wurde der Nationalismus erst unter Putin. Er benutzt offen Thesen des Nationalismus: Die Rückkehr zu sogenannten nationalen Traditionen, zu geistigen Werten. Der Nationalismus hat damit einen festen Platz in der offiziellen Rhetorik und Propaganda erhalten. Vor allem im Fernsehen."

Im Sommer waren Migration und angebliche Überfremdung zentrales Thema im Moskauer Wahlkampf um das Bürgermeisteramt. Der Kandidat des Kreml spielte damit, noch mehr jedoch Aleksej Nawalnyj, der prominente Anführer der Protestbewegung der letzten Jahre. Er erhielt beachtliche 27 Prozent der Stimmen, mehr als ein Drittel davon eben dank seiner nationalistischen Äußerungen, sagt der Meinungsforscher Gudkow. Nawalnyj hat mehrfach am "Russischen Marsch" der Rechtsextremen teilgenommen. Auch in diesem Jahr rief er in seinem Blog zur Teilnahme auf und teilte mit, er unterstütze den Marsch nach wie vor, wolle selbst aber aus Gründen der "politischen Ausgewogenheit" zuhause bleiben.

Die Ultrarechten sehen sich in diesem Jahr im Aufwind. Mitte Oktober zog ein fremdenfeindlicher Mob durch den Moskauer Randbezirk Birjuljowo. Dort war ein junger Anwohner erstochen worden, angeblich von einem Kaukasier. Angestachelt von Nationalisten, machte sich die Menge auf, den Täter zu suchen, stürmte einen Gemüsegroßmarkt, randalierte in den Straßen. 400 Menschen wurden vorübergehend festgenommen. Am Tag danach rückte die Polizei dann zu einer Großrazzia gegen illegale Migranten aus und nahm mehr als tausend Menschen fest, vor allem Zentralasiaten, aber auch russische Staatsbürger. Seitdem gehen die Razzien gegen Gastarbeiter weiter, stets begleitet von Kameras.

Die Fernsehbilder haben eine fatale Wirkung, glaubt der Rechtsextremismusexperte Aleksander Werchowskij:

"Die Macht zeigt damit, dass auch sie Migranten für Feinde hält. Die Bilder, wie sie in Kolonnen durch die Straßen geführt werden, wecken bei den Menschen hier vor allem eine Assoziation: So wurden deutsche Kriegsgefangene nach dem Zweiten Weltkrieg in sowjetischen Filmen durch die Straßen geführt. Das verschiebt bei den gewöhnlichen Leuten die Vorstellung darüber, was zulässig ist und was nicht."

Der bekannte Nationalist Dmitrij Djomuschkin erklärte prompt, Proteste wie die in Birjuljowo seien die einzig wirksame Methode, die Behörden dazu zu bringen, gegen illegale Migration vorzugehen. Djomuschkin organisiert den heutigen "Russischen Marsch". Die Moskauer Behörden haben angekündigt, konsequent gegen mögliche Gewalttäter vorzugehen.
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