Recht und Gesetz gelten nicht mehr
Michael Gruber hat mit seinem Thriller ein dickes Buch geschrieben, in dem jedoch keine Zeile überflüssig ist. „Das Totenfeld“ zählt zum Besten, was dieses Genre seit langem hervorgebracht hat. In immer neue Schichten von subjektiver Wahrnehmung und vermeintlichem Wahn lässt Gruber seinen Ermittler vordringen. Mit ihm wird der Leser immer tiefer in ein Herz der Finsternis gezogen.
Der Fall scheint klar zu sein, als der Kriminalpolizist Jimmy Paz vom Miami Police Department am Tatort eintrifft. Jassir al-Muwalid, ein Erdölhändler aus dem Sudan, wurde offensichtlich vom Balkon im zehnten Stock des Hotels Trianon geworfen, nachdem ihm jemand eine Pleuelstange über den Schädel gezogen hatte.
Das Tatwerkzeug, mit Blut und Haaren verklebt, liegt auf dem Balkon, die vermeintliche Täterin, die das Ersatzteil kurz zuvor im Auftrag ihres Arbeitgebers, einer Motorbootwerft, beim Zulieferer abgeholt hat, sitzt teilnahmslos, wie in Trance, am Tatort. Sie habe, sagt sie, den sudanesischen Oberst, einen Massenmörder und Foltermeister in Diensten des Regimes in Khartoum, auf der Straße erkannt und sei ihm ins Hotel gefolgt.
Allerdings bestreitet die ebenso eindrucksvolle wie ungewöhnliche Frau, dass sie den Mann ermordet hat – sie habe ihm vielmehr verzeihen wollen, erklärt sie. Denn Emmylou Dideroff ist Nonne in der Gemeinschaft der Schwestern vom Blute Christi, einem Orden, der sich vor allem für die Pflege Kranker und Verwundeter in den Krisenregionen der Welt einsetzt.
Da zwar kaum Zweifel an der Schuld, wohl aber an der Zurechnungs- und Verhandlungsfähigkeit der Schwester bestehen, wird sie zur Beobachtung in eine psychiatrische Klinik eingeliefert, wo ihr das Fachpersonal denn auch prompt religiöse Wahnvorstellungen attestiert.
Gleichzeitig ist die Verdächtige bereit, für Detective Paz und die für sie zuständige Psychologin eine Lebensbeichte zu schreiben, ein Dokument des Grauens, dass von Kindesmissbrauch handelt, von Sex und Gewalt, dem Leben auf der Straße und ih-rem todesmutigen Einsatz in dem vom Bürgerkrieg geschundenen Südsudan.
Als die betreuende Psychologin überfallen wird, weil irgendjemand die Lebensbeichte der barmherzigen Schwester in seinen Besitz bringen will, beginnt Detective Paz zu zweifeln, ob der Fall tatsächlich so offensichtlich ist, wie er zu sein scheint. Zumal die Ermittlungen bald darauf von ominösen Stellen in Washington massiv behindert werden.
Nach seinem fulminanten Debüt, dem vor drei Jahren auf Deutsch erschienenen „Wendekreis der Nacht“, legt Michael Gruber, Meeresbiologe und zu Jimmy Carters Zeiten Redenschreiber für das Weiße Haus, mit „Das Totenfeld“ einen Spannungsroman vor, der zum Besten zählt, was dieses Genre seit langem hervorgebracht hat.
Ein dickes Buch, in dem jedoch im Gegensatz zu den zumeist künstlich aufgeblasenen Thrillern, die zurzeit aus Gründen der Marktverdrängung die Regale der Buchhandlungen verstopfen, keine Zeile überflüssig ist. In immer neue Schichten von subjektiver Wahrnehmung und vermeintlichem Wahn lässt Gruber sei-nen schwarzen, aus Kuba stammenden und mit übersinnlichen Erscheinungen durchaus vertrauten Ermittler Paz vordringen.
Mit ihm wird der Leser immer tiefer in ein Herz der Finsternis gezogen, in dem um des Erdöls willen jegliche Moral außer Kraft gesetzt, in dem gemordet, geschändet und gefoltert werden darf. Zugleich zeigt Gruber, einer der großen Aufklärer unter den modernen Thrillerautoren, auf, was geschieht, wenn im Namen von Terrorabwehr und nationaler Sicherheit Grund- und Bürgerrechte verwässert und aufgehoben werden, wenn eine dadurch ermutigte Bürokratie Amok läuft und meint, sie könne sich über Recht und Gesetz hinwegsetzen.
Rezensiert von Georg Schmidt
Michael Gruber: Das Totenfeld
Deutsch von Silvia Morawetz.
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2007, 557 Seiten, 24,90 Euro
Das Tatwerkzeug, mit Blut und Haaren verklebt, liegt auf dem Balkon, die vermeintliche Täterin, die das Ersatzteil kurz zuvor im Auftrag ihres Arbeitgebers, einer Motorbootwerft, beim Zulieferer abgeholt hat, sitzt teilnahmslos, wie in Trance, am Tatort. Sie habe, sagt sie, den sudanesischen Oberst, einen Massenmörder und Foltermeister in Diensten des Regimes in Khartoum, auf der Straße erkannt und sei ihm ins Hotel gefolgt.
Allerdings bestreitet die ebenso eindrucksvolle wie ungewöhnliche Frau, dass sie den Mann ermordet hat – sie habe ihm vielmehr verzeihen wollen, erklärt sie. Denn Emmylou Dideroff ist Nonne in der Gemeinschaft der Schwestern vom Blute Christi, einem Orden, der sich vor allem für die Pflege Kranker und Verwundeter in den Krisenregionen der Welt einsetzt.
Da zwar kaum Zweifel an der Schuld, wohl aber an der Zurechnungs- und Verhandlungsfähigkeit der Schwester bestehen, wird sie zur Beobachtung in eine psychiatrische Klinik eingeliefert, wo ihr das Fachpersonal denn auch prompt religiöse Wahnvorstellungen attestiert.
Gleichzeitig ist die Verdächtige bereit, für Detective Paz und die für sie zuständige Psychologin eine Lebensbeichte zu schreiben, ein Dokument des Grauens, dass von Kindesmissbrauch handelt, von Sex und Gewalt, dem Leben auf der Straße und ih-rem todesmutigen Einsatz in dem vom Bürgerkrieg geschundenen Südsudan.
Als die betreuende Psychologin überfallen wird, weil irgendjemand die Lebensbeichte der barmherzigen Schwester in seinen Besitz bringen will, beginnt Detective Paz zu zweifeln, ob der Fall tatsächlich so offensichtlich ist, wie er zu sein scheint. Zumal die Ermittlungen bald darauf von ominösen Stellen in Washington massiv behindert werden.
Nach seinem fulminanten Debüt, dem vor drei Jahren auf Deutsch erschienenen „Wendekreis der Nacht“, legt Michael Gruber, Meeresbiologe und zu Jimmy Carters Zeiten Redenschreiber für das Weiße Haus, mit „Das Totenfeld“ einen Spannungsroman vor, der zum Besten zählt, was dieses Genre seit langem hervorgebracht hat.
Ein dickes Buch, in dem jedoch im Gegensatz zu den zumeist künstlich aufgeblasenen Thrillern, die zurzeit aus Gründen der Marktverdrängung die Regale der Buchhandlungen verstopfen, keine Zeile überflüssig ist. In immer neue Schichten von subjektiver Wahrnehmung und vermeintlichem Wahn lässt Gruber sei-nen schwarzen, aus Kuba stammenden und mit übersinnlichen Erscheinungen durchaus vertrauten Ermittler Paz vordringen.
Mit ihm wird der Leser immer tiefer in ein Herz der Finsternis gezogen, in dem um des Erdöls willen jegliche Moral außer Kraft gesetzt, in dem gemordet, geschändet und gefoltert werden darf. Zugleich zeigt Gruber, einer der großen Aufklärer unter den modernen Thrillerautoren, auf, was geschieht, wenn im Namen von Terrorabwehr und nationaler Sicherheit Grund- und Bürgerrechte verwässert und aufgehoben werden, wenn eine dadurch ermutigte Bürokratie Amok läuft und meint, sie könne sich über Recht und Gesetz hinwegsetzen.
Rezensiert von Georg Schmidt
Michael Gruber: Das Totenfeld
Deutsch von Silvia Morawetz.
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2007, 557 Seiten, 24,90 Euro