Realität hinter dem Schein
Viele junge Menschen haben den Wunsch, Schauspieler zu werden, doch das Wissen über ein Leben mit diesem Beruf, der sich mehre als andere zwischen Erfolg und Niederlage bewegt, ist gering oder wird verdrängt. Das Buch "Beruf: Schauspieler" gibt Auskunft über die Realität hinter dem Schein.
Natürlich spielen sie sich auch dafür jeden Abend die Seele aus dem Leib: Ruhm, Ehre und die Bewunderung des Publikums. Der Schauspieler Michael Mertens geht noch weiter:
"Ich will geliebt werden, ganz klar. Alles läuft beim Theater darauf hinaus. Ich gehe nicht auf die Bühne, um Shakespeare vorzuführen, sondern weil ich angeschaut werden möchte."
Ehrliche Sätze wie diese finden sich viele in dem Band "Beruf: Schauspieler". Und die schonungslose Offenheit der Protagonisten macht das Buch spannend wie einen Krimi. Außerdem ist es schön gestaltet: dickes, glattes Papier, tolle Fotos und ein türkis glänzendes Bändchen. Durchaus also auch als Weihnachtsgeschenk geeignet. Meint auch Ulrich Khuon. Der Intendant des Hamburger Thalia Theaters mutierte für die Körber Stiftung zum Herausgeber.
Ulrich Khuon: "Mein innerer Beweggrund ist vielleicht der, dass ich denke, dass man an den Schauspielerinnen und Schauspielern sehr gut ablesen kann wie in einem Vergrößerungsglas gewissermaßen, all das, was uns tagtäglich umgibt. Also die Frage: Wie verletzlich dürfen wir sein? Wie stabil müssen wir sein, um in die Welt zu passen? Und das heißt, dass an Ihnen, die sie sich täglich öffentlich ausstellen oder aussetzen, kann man ziemlich viel erleben und sehen und spüren, was uns alle betrifft. Das wär so meine Hoffnung."
Eine von den Autoren erfüllte Hoffnung: In deren Gesprächen mit Ulrich Tukur, Fritzi Haberlandt oder Martin Wuttke wird deutlich, wie sehr die Schauspieler sich auch selbst als Gefäße ansehen für existenzielle Erfahrungen aller Menschen. Mit welchen Anstrengungen es oft verbunden ist, sich an eine Rolle heran zu tasten, welche Kämpfe mit Regisseuren auszustehen und sind und wie viel Mut es erfordert, vor hunderten fremder Menschen auf der Bühne auch das eigene Innenleben zu offenbaren. Für ein mageres Theatersalär von 1800 brutto allein tut sich das niemand an. Auch nicht Stefanie Stappenbeck, wie alle Porträtierten Trägerin des Boy-Gobert-Preises.
Stefanie Stappenbeck: "Ich hab was ganz Tolles neulich gehört von einem Kollegen, der sagte, wir sind alle Schauspieler, weil wir intensiver leben wollen. Weil, wenn man ne Szene spielt, also Leben spielt, vor der Kamera vielleicht nochn bissl einfacher als auf der Bühne, und so unter Beobachtung steht, ist man ja gezwungen, den Moment sehr intensiv zu erleben, weil man ihn ja auch gleichzeitig darstellt. Und ich glaube, das ist vielleicht auch etwas, was Schauspieler miteinander verbindet: dieser Wunsch, intensiv erleben zu wollen oder intensiv da sein zu wollen."
Als eine Art Therapie bezeichnet Susanne Lothar im Gespräch mit Hellmuth
Karasek ihren Beruf: Auf der Bühne oder vor der Kamera könne sie ihre dunklen Seiten ausleben, ohne dafür ins Gefängnis zu wandern. Karasek ist der einzige der Autoren, der unangenehm auffällt, weil er sich selbst und sein Theaterwissen in den Vordergrund spielt. Jürgen Flimm, Klaudia Brunst oder Werner Burkhardt konzentrieren sich auf ihr Gegenüber.
Alle vom Verlag beauftragten Schreiber sind langjährige Kritiker oder sonstig kenntnisreiche Theatermenschen. Der Schriftsteller und Dramaturg John von Düffel hat eine hübsche Abhandlung über den Aberglauben am Theater beigesteuert. Monika Nellisen verliert ein ernstes Wort zur Arbeitsmarktsituation. Das rundet das Buch ab, dem sonst die Mühen der Ebenen gefehlt hätten. Denn alle hier Porträtierten sind Stars ihrer Zunft, die es oft ohne die Ochsentour durch die Provinz ins Rampenlicht geschafft haben.
Ein jeweils angehängter Fragebogen gibt Auskunft über ihre Vorstellung vom Glück, wie sie auf Verrisse reagieren und ihren Hemmungen, auf der Bühne nackt zu sein. "Angezogen ist auch nicht besser", hat Judith Engel darauf geantwortet, die derzeit an der Berliner Schaubühne spielt. Trotzdem ist die Tochter von Schauspielern schon als Kind gern in fremde Rollen geschlüpft.
Judith Engel: "Später dann, als ich so in der Pubertät war, oder älter wurde, kam vielleicht eben auch noch so etwas dazu, dass ich eben immer 'nen sehr schüchterner Mensch war und die Möglichkeit hatte im Spielen Dinge auszuprobieren, die ich mir sonst nicht getraut hätte. Es gibt nicht nur so die Menschen, die sich gerne darstellen und laut und extrovertiert sind, sondern es gibt auch die, die darin so 'ne Nische sehn, gesehen zu werden, anwesend zu sein, Sachen zu probieren, die man sich sonst nicht traut."
Denn natürlich sind auch schüchterne Schauspieler eitel. Das dürfen sie auch sein, wenn sie das Theater zum Leben erwecken und seine Jahrtausende alte Kraft uns, dem Publikum, etwas vom Leben zu zeigen.
Ulrich Khuon: "Wir laufen ja manchmal doch relativ bewusstlos durch diesen Hochgeschwindigkeitsparcours des Lebens und das Theater oder die Kunst insgesamt leistet es ja, dass wir zu uns selber auf Distanz, auf ne sehr sinnlich erfahrbare Weise auf Distanz gehen und über ne Geschichte, über eben Schauspieler, die auf der Bühne stehen, etwas über die erfahren, über die Beziehungen, die dort erzählt werden, über das Weltverständnis, das dort erzählt wird und gleichzeitig dadurch auch etwas über uns."
Ulrich Khuon: Beruf: Schauspieler
edition Körber-Stiftung,
359 Seiten, 18 Euro.
"Ich will geliebt werden, ganz klar. Alles läuft beim Theater darauf hinaus. Ich gehe nicht auf die Bühne, um Shakespeare vorzuführen, sondern weil ich angeschaut werden möchte."
Ehrliche Sätze wie diese finden sich viele in dem Band "Beruf: Schauspieler". Und die schonungslose Offenheit der Protagonisten macht das Buch spannend wie einen Krimi. Außerdem ist es schön gestaltet: dickes, glattes Papier, tolle Fotos und ein türkis glänzendes Bändchen. Durchaus also auch als Weihnachtsgeschenk geeignet. Meint auch Ulrich Khuon. Der Intendant des Hamburger Thalia Theaters mutierte für die Körber Stiftung zum Herausgeber.
Ulrich Khuon: "Mein innerer Beweggrund ist vielleicht der, dass ich denke, dass man an den Schauspielerinnen und Schauspielern sehr gut ablesen kann wie in einem Vergrößerungsglas gewissermaßen, all das, was uns tagtäglich umgibt. Also die Frage: Wie verletzlich dürfen wir sein? Wie stabil müssen wir sein, um in die Welt zu passen? Und das heißt, dass an Ihnen, die sie sich täglich öffentlich ausstellen oder aussetzen, kann man ziemlich viel erleben und sehen und spüren, was uns alle betrifft. Das wär so meine Hoffnung."
Eine von den Autoren erfüllte Hoffnung: In deren Gesprächen mit Ulrich Tukur, Fritzi Haberlandt oder Martin Wuttke wird deutlich, wie sehr die Schauspieler sich auch selbst als Gefäße ansehen für existenzielle Erfahrungen aller Menschen. Mit welchen Anstrengungen es oft verbunden ist, sich an eine Rolle heran zu tasten, welche Kämpfe mit Regisseuren auszustehen und sind und wie viel Mut es erfordert, vor hunderten fremder Menschen auf der Bühne auch das eigene Innenleben zu offenbaren. Für ein mageres Theatersalär von 1800 brutto allein tut sich das niemand an. Auch nicht Stefanie Stappenbeck, wie alle Porträtierten Trägerin des Boy-Gobert-Preises.
Stefanie Stappenbeck: "Ich hab was ganz Tolles neulich gehört von einem Kollegen, der sagte, wir sind alle Schauspieler, weil wir intensiver leben wollen. Weil, wenn man ne Szene spielt, also Leben spielt, vor der Kamera vielleicht nochn bissl einfacher als auf der Bühne, und so unter Beobachtung steht, ist man ja gezwungen, den Moment sehr intensiv zu erleben, weil man ihn ja auch gleichzeitig darstellt. Und ich glaube, das ist vielleicht auch etwas, was Schauspieler miteinander verbindet: dieser Wunsch, intensiv erleben zu wollen oder intensiv da sein zu wollen."
Als eine Art Therapie bezeichnet Susanne Lothar im Gespräch mit Hellmuth
Karasek ihren Beruf: Auf der Bühne oder vor der Kamera könne sie ihre dunklen Seiten ausleben, ohne dafür ins Gefängnis zu wandern. Karasek ist der einzige der Autoren, der unangenehm auffällt, weil er sich selbst und sein Theaterwissen in den Vordergrund spielt. Jürgen Flimm, Klaudia Brunst oder Werner Burkhardt konzentrieren sich auf ihr Gegenüber.
Alle vom Verlag beauftragten Schreiber sind langjährige Kritiker oder sonstig kenntnisreiche Theatermenschen. Der Schriftsteller und Dramaturg John von Düffel hat eine hübsche Abhandlung über den Aberglauben am Theater beigesteuert. Monika Nellisen verliert ein ernstes Wort zur Arbeitsmarktsituation. Das rundet das Buch ab, dem sonst die Mühen der Ebenen gefehlt hätten. Denn alle hier Porträtierten sind Stars ihrer Zunft, die es oft ohne die Ochsentour durch die Provinz ins Rampenlicht geschafft haben.
Ein jeweils angehängter Fragebogen gibt Auskunft über ihre Vorstellung vom Glück, wie sie auf Verrisse reagieren und ihren Hemmungen, auf der Bühne nackt zu sein. "Angezogen ist auch nicht besser", hat Judith Engel darauf geantwortet, die derzeit an der Berliner Schaubühne spielt. Trotzdem ist die Tochter von Schauspielern schon als Kind gern in fremde Rollen geschlüpft.
Judith Engel: "Später dann, als ich so in der Pubertät war, oder älter wurde, kam vielleicht eben auch noch so etwas dazu, dass ich eben immer 'nen sehr schüchterner Mensch war und die Möglichkeit hatte im Spielen Dinge auszuprobieren, die ich mir sonst nicht getraut hätte. Es gibt nicht nur so die Menschen, die sich gerne darstellen und laut und extrovertiert sind, sondern es gibt auch die, die darin so 'ne Nische sehn, gesehen zu werden, anwesend zu sein, Sachen zu probieren, die man sich sonst nicht traut."
Denn natürlich sind auch schüchterne Schauspieler eitel. Das dürfen sie auch sein, wenn sie das Theater zum Leben erwecken und seine Jahrtausende alte Kraft uns, dem Publikum, etwas vom Leben zu zeigen.
Ulrich Khuon: "Wir laufen ja manchmal doch relativ bewusstlos durch diesen Hochgeschwindigkeitsparcours des Lebens und das Theater oder die Kunst insgesamt leistet es ja, dass wir zu uns selber auf Distanz, auf ne sehr sinnlich erfahrbare Weise auf Distanz gehen und über ne Geschichte, über eben Schauspieler, die auf der Bühne stehen, etwas über die erfahren, über die Beziehungen, die dort erzählt werden, über das Weltverständnis, das dort erzählt wird und gleichzeitig dadurch auch etwas über uns."
Ulrich Khuon: Beruf: Schauspieler
edition Körber-Stiftung,
359 Seiten, 18 Euro.