Reaktionen am Wahlabend in Griechenland

    Zweite Chance für Syriza

    Im "Cube" kommen junge Unternehmer und kreative Köpfe aus Griechenland und aller Welt zusammen, um an Projekten zu arbeiten, die echte Veränderung bringen sollen. Auf Unterstützung seitens der Regierung warten die Start-Upper lange nicht mehr.
    Im "Cube" kommen junge Unternehmer und kreative Köpfe aus Griechenland und aller Welt zusammen, um an Projekten zu arbeiten, die echte Veränderung bringen sollen. Auf Unterstützung seitens der Regierung warten die Start-Upper lange nicht mehr. © Deutschlandradio / Stephanie Cisowski
    Von Stephanie Cisowski · 21.09.2015
    Mit rund 35,5 Prozent gewinnt die linke Syriza die griechische Parlamentswahl. Was bedeutet diese zweite Chance für Syriza für die Griechen? Unsere Bloggerin Stephanie Cisowski hat erste Meinungen und Reaktionen junger Athener Unternehmer beim Exit-Poll-Viewing im Start-Up Hotspot "The Cube" aufgegriffen.
    In ihre eigenen Projekte vertieft, blicken die Besucher des Coworking-Space nur kurz hinter ihren Laptops hervor. Über die ersten Wahlergebnisse, die per Live-Übertragung an der Leinwand flimmern, ist man nicht sonderlich überrascht. "Dieses Mal hält sich das Interesse wirklich in Grenzen. Wir haben einfach keine Lust mehr, ständig wählen zu gehen", sagt Giannis Fountis (34), Gründer der innovativen Mode-Platform fashionfreaks.gr. Sich als Unternehmer durch ständig neue Steuern und Gesetze zu kämpfen, verlange einiges ab. Mit Klarheit und Stabilität könne man auch trotz guter Aussichten auf eine schnelle Regierungsbildung noch lange nicht rechnen, so die Start-Upper.
    "Da wird noch einiges kommen."
    Welle der Verdrossenheit
    Dekorateurin Katerina (33) bestätigt die große Welle der Verdrossenheit:
    "Ich wusste, bis ich ins Wahllokal ging, überhaupt nicht, was ich denn nun ankreuzen soll."
    Wie viele habe sie spontan entschieden. Viele andere haben es dann doch sein lassen. Offizielle Zahlen bestätigen: Die Wahlbeteiligung erreichte mit lediglich 54 Prozent ein Rekordtief.
    Katerina Iatriou und Giannis Fountis fühlen sich von der Politik lange nicht mehr ernst genommen. Sie geben trotzdem nicht auf.
    Katerina Iatriou und Giannis Fountis fühlen sich von der Politik lange nicht mehr ernst genommen. Sie geben trotzdem nicht auf. © Deutschlandradio / Stephanie Cisowski
    Man fühle sich von der Politik nicht ernst genommen, erklärt auch Maria Calafatis, Gründerin des "Cube", in dem sich die kreativen Köpfe der Stadt austauschen, vernetzen und gecoacht werden, um trotz Krise etwas zu bewegen. Für Unternehmer, die eine echte Chance für das Land sind, würde viel zu wenig getan, so Calafatis. "Es müsste eine neue Partei mit erfahrenen Menschen her, die das Unternehmertum wirklich ernst nehmen", sagt sie und kümmert sich hier zusammen mit ihrem Mann Stavros Messinis um das, was die Politik nicht leistet.
    Trotzdem versteht man, warum Syriza nun doch eine zweite Chance und mehr Zuspruch als von offizieller Seite erwartet, bekommen hat. "Die Menschen verstehen, dass mit dem großen Wechsel zur Linkspartei nicht gleich alles perfekt laufen konnte. Zumindest haben sie ihre Fehler eingestanden und spielen nichts vor. Wir wollen sehen, wie Syriza ihr Werk zu Ende bringt", sagt der Programmierer Dionisis (27). Eine Kehrtwende in die "alte Zeiten" der konservativen "Ja-Sager Parteien" wäre um einiges riskanter gewesen.
    Maria Calafatis und Stavros Messinis organisieren in ihrem "Cube" Seminare, Workshops und Trainings um Menschen auch in Zeiten der Wirtschaftskrise den Zugang zur Selbstständigkeit und die Vernetzung mit Gleichgesinnten zu erleichtern.
    Maria Calafatis und Stavros Messinis organisieren in ihrem "Cube" Seminare, Workshops und Trainings um Menschen auch in Zeiten der Wirtschaftskrise den Zugang zur Selbstständigkeit und die Vernetzung mit Gleichgesinnten zu erleichtern.© Deutschlandradio / Stephanie Cisowski
    Mehrheit für das "kleinere Übel"
    "Dass die Sparmaßnahmen eingehalten werden müssen, ist mittlerweile allen klar. Die Mehrheit hat sich sozusagen für das kleinere Übel entschieden", erklärt Politologe Theodoros Tsikas.
    Besondere Sorgen macht den jungen Menschen die noch etwas mehr erstarkte rechtsradikale Partei "Goldene Morgenröte", die als drittstärkste Kraft ganze 18 Parlamentssitze einnehmen wird. Allein deswegen war es auch Unentschlossenen wichtig, den Urnengang doch zu wagen. Was auffält: Besonders auf den Inseln, die in den letzten Monaten mit dem ansteigenden Flüchtlingsstrom zu kämpfen haben, verzeichnet die Partei im Vergleich zu den Wahlen im Januar einen starken Anstieg. Expertenmeinungen in den griechischen Medien bestätigen, dass man "das Problem endlich Ernst nehmen und angehen müsse".
    Als nächstes stehen die Verhandlungen um die Umsetzung der Sparmaßnahmen und Reformpakete innerhalb der Regierung an. "Das wird noch lange dauern, bis man sich einigen wird. Auch in eigenen Reihen der Syriza-Partei gibt es immer noch starke Spannungen", so Theodoros Tsikas.
    Entwicklung der Parteien von 2012 bis 2015 im Vergleich, Quelle: Demetrios Pogkas (erstellt mit Chartbilder, Daten des griechischen Innenministeriums, September 2015)
    Entwicklung der Parteien von 2012 bis 2015 im Vergleich, Quelle: Demetrios Pogkas (erstellt mit Chartbilder, Daten des griechischen Innenministeriums, September 2015)© Demetrios Pogkas
    Anstieg der Wähler der rechtsradikalen Partei "Goldene Morgenröte" auf den Inseln der Südost-Ägäis: Man vermutet eine Verbindung zur Flüchtlingskrise
    Anstieg der Wähler der rechtsradikalen Partei "Goldene Morgenröte" auf den Inseln der Südost-Ägäis: Man vermutet eine Verbindung zur Flüchtlingskrise © Demetrios Pogkas
    Unser Korrespondent Panajotis Gavrilis und Bloggerin Stephanie Cisowski berichten in den kommenden Tagen aus Griechenland. Am Mittwoch, den 23. September 2015, senden wir anlässlich unseres Thementages Griechenland live aus Athen.
    Unser Korrespondent Panajotis Gavrilis und Bloggerin Stephanie Cisowski berichten in den kommenden Tagen aus Griechenland.
    Panajotis Gavrilis und Stephanie Cisowski.© Deutschlandradio / Britta Bürger
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