Raumsonden-Mission beendet

Adieu, Rosetta!

Die Raumsonde Rosetta im Weltraum (Zeichnung)
Die Raumsonde Rosetta im Weltraum (Zeichnung) © ESA/Carreau
Dirk Lorenzen im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 30.09.2016
Die Europäische Weltraumorganisation ESA hatte Raumsonde Rosetta ins All geschickt, um die Entstehungsgeschichte unseres Sonnensystems zu erforschen. Seit 2004 lieferte sie spektakuläre Bilder und Daten vom Kometen Tschuri. Heute endet die Mission.
Liane von Billerbeck: "Auf dem Kometen" hieß ein Buch von Jules Verne, das auch von dem tschechischen Regisseur Karel Zeman verfilmt worden ist. Das Bild, das dieser Film von einem Kometen zeichnete, war ja doch ein sehr mechanisches, weil man eben gar nicht wusste, wie es da aussieht. Die Neugier konnte befriedigt werden durch eine Mission, die 2004 begonnen hat und heute ihr spektakuläres Ende findet: Rosetta wird nämlich heute auf Tschuri, auf diesem Kometen landen, zu dem sie geflogen ist, nachdem sie schon höchst interessante Bilder, Daten und Erkenntnisse geliefert hat, die einiges umgeworfen haben, was Wissenschaftler bisher zu wissen geglaubt hatten. Und bei der ESA, der Europäischen Weltraumbehörde in Darmstadt, verfolgt die Landung auch unser Weltallauskenner Dirk Lorenzen. Was passiert denn da heute genau?
Dirk Lorenzen: Frau von Billerbeck, das sind noch hektische Tage hier, hektische Stunden, Sie hören es auch hier, es wird noch viel verhandelt. Es geht jetzt darum, dass tatsächlich diese Raumsonde seit heute Nacht auf diesem Kollisionskurs ist, abends um elf hat die so eine harte Rechtskurve geflogen, drei Minuten das Triebwerk gezündet und jetzt geht es wirklich gerade auf den Kometen zu. Sie ist nur noch wenige Kilometer entfernt und bewegt sich aber nicht einmal im Fußgängertempo, die schlurft da so langsam hin, kann man sagen, so ganz, ganz langsam, und wird dann mit so etwa, na, sagen wir drei Kilometer pro Stunde da aufsetzen.
Das wird dann so erwartet um, sagen wir, 13:20 Uhr unserer Zeit, plus/minus 20 Minuten. Und das allerletzte Ziel, die letzte kleine Korrektur der Triebwerke, die erwartet man um zehn Uhr, dann wird man auf zwei Minuten genau sagen können, wann diese große Mission zu Ende geht auf diesem eisigen Brocken.

Fluffig wie Zuckerwatte

von Billerbeck: Warum ist denn auch diese Landung oder Kollision, wie Sie sagen, für die ESA so spannend?
Lorenzen: Das Schöne ist eben, man kommt jetzt noch einmal ganz nah dran an diesen Kometen. Tatsächlich sollen dann da noch Aufnahmen gemacht werden aus wenigen Metern Höhe mit einer Auflösung von drei Millimetern, dann können sie da wirklich fast die Sandkörner auf diesem Kometen zählen. Man hatte ja keine Alternative, man hätte das teure Ding auch nicht weiter fliegen lassen können, weil jetzt einfach der Komet zu weit von der Sonne weg kommt, da gibt es gar nicht mehr dann genug Strom über die Solarzellenflächen, dann wäre irgendwann die Sonde einfach ausgefallen, man hätte nicht gewusst, was da passiert.
Also hat man sich entschieden, jetzt lieber dieses dramatische Finale, nah ranfliegen, noch mal genau gucken, was für Gase gibt es dort, welcher Staub entsteht dort, und eben wirklich dann diese fantastischen Aufnahmen ganz aus der Nähe machen. Ja, das hofft man sich, dass das dann kommt. Das wird natürlich heute dramatisch, denn während dieses ganzen Anfluges muss die Raumsonde ihre Antenne schön Richtung Erde zeigen, alle Bilder, die sie macht, müssen sofort Richtung Erde gefunkt werden, und vieles wird dann erst auf der Erde ankommen nach 40 Minuten Laufzeit, wenn die Sonde längst Schrott auf dem Kometen ist.
von Billerbeck: Seit 2004 war Rosetta ja samt Philae, dem Laborlander, unterwegs. Was gibt es denn bisher an handfesten Ergebnissen von der Mission?
Lorenzen: Man weiß zum einen, wenn wir so diesen Kometen da sehen … Man denkt, na, das ist so ein Eisbrocken, oder man sagt ja auch so leicht, das ist so ein Eisklotz, der herumfliegt. Der ist ganz leicht! Wenn wir den ins Wasser werfen würden, der würde munter aufschwimmen. Der hat so die Dichte vielleicht von Kork, 70 bis 75 Prozent des Kometen sind hohl, das ist ein ganz poröser Körper. Eigentlich ist das so ein bisschen so fluffig wie Zuckerwatte, einfach mit ein bisschen Kruste oben drüber. Aber das ist schon mal sehr erstaunlich, das verrät etwas über die Entstehung, offenbar sind da sehr kleine Eisbrocken vor Milliarden Jahren einfach so zusammengebappt und haben dann diese Struktur gebildet, eben so eine Konsistenz vielleicht wie ganz lockerer Mürbeteig.
Dann dachte man ja früher immer sehr einfach, na ja, also, hier, da ist das Wasser, der enthält viel Wasser, also werden wohl Kometen vor viereinhalb Milliarden Jahren Wasser auf die Erde gebracht haben, weil sie einfach hier abgestürzt sind, haben das Wasser hier geliefert. Und dann hat man nachgeguckt so, gibt so einen chemischen Fingerabdruck im Wasser, und der ist eben auf Tschurjumow-Gerassimenko, auf diesem Kometen ganz anders als auf der Erde.

Tiefgefrorene Überreste

Das heißt, so simpel ist dieses Bild nicht. Die Forscher sehen nur, da sind viele Stoffe an Bord dieses Kometen, die Leben möglich machen. Eine Wissenschaftlerin hat ja gestern ein ganz schönes Bild gezeigt, sie hat eben einfach gezeigt Tschurjumow im Wasser, und sagt: Wenn wir den Kometen da reinwerfen, dann könnte sich sehr gut Wasser entwickeln. Also, man weiß jetzt, Kometen tragen die Grundbausteine für Leben, aber das Wasser zumindest, was ja fürs Leben auch nötig ist, das kommt nicht von den Kometen, das ist auf die Erde von irgendwelchen anderen Körpern gekommen.
von Billerbeck: Nun wird es eine lange Zeit dauern, bis die Daten ausgewertet sind. Sind ja viele Daten im Laufe dieser Zeit gesammelt worden. Für welche Fachrichtung sind die denn besonders interessant?
Lorenzen: Das ist natürlich besonders interessant, um wirklich zu verstehen, wie ist unser Sonnensystem entstanden. Denn dieser fluffige, eisige, staubige Körper dort, der ist eben ein Überrest, ein eben seit viereinhalb Milliarden Jahren tiefgefrorener Überrest aus der Anfangszeit des Sonnensystems. Man weiß nicht so ganz genau, was damals wie passiert ist, wann haben sich die Planeten gebildet wie unsere Erde oder die großen Gaskörper und dann draußen irgendwo, wann sind dort diese Eisbrocken entstanden, welche Materialien waren da noch da?
All das muss man jetzt langsam dann eben auswerten und ist dann eben sehr entscheidend für diese Fragen: Wie ist unser Sonnensystem entstanden? Und, ganz wichtig: Wie konnte denn dann das Leben auf der Erde entstehen? Da sind wir ja ganz besonders, und die Erde war am Anfang so heiß, sie war lebensunfreundlich, das Material für das Leben muss irgendwann mal angeliefert worden sein von Kometen oder irgendwelchen anderen Brocken. Das heißt, das wird ganz entscheidend sein.
Die Forscher haben aber auch gesagt, Rosetta heißt ja Rosetta, weil der berühmte Rosettastein es ermöglicht hat, die Hieroglyphen zu entziffern, und diese Hoffnung, die hat Rosetta so weit nicht erfüllt, man hat die Entstehung des Lebens damit noch lange nicht entziffert, aber die Forscher sagen, sie wissen jetzt viele bessere, viele weitere Fragen, um eben diesem ganz großen Thema nachzugehen, wie das Leben entstanden ist. Und eigentlich würden die am liebsten gleich die nächste Sonde planen.
von Billerbeck: Und die beiden werden da oben bleiben, Rosetta und Philae. Dirk Lorenzen mit Einschätzungen von der ESA live aus Darmstadt vor der Kollisionslandung der Sonde Rosetta auf dem Kometen Tschuri.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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