"Raum ist Sehnsucht"
"Raum ist Sehnsucht" - So lautete das Motto vieler Kirchenentwürfe Dominikus Böhms. Sehnsucht nach Gemeinschaft, nach Erlösung, nach Gott. Seine Kirchen wollten modern und mystisch sein; sie schufen eine auf Stimmungen gerichtete sakrale Monumentalität, aber keine, die den Menschen klein gemacht hätte. Seine Erfindungsgabe war legendär, ebenso die Effekte mit Licht. Der tiefgläubige Mann wurde einer der großen Meister des katholischen Sakralbaus im 20. Jahrhundert.
Im Oktober 1928 kam ein hoher Gast aus Rom. Nuntius Eugenio Pacelli besuchte die Opelwerke in Rüsselsheim. Danach fuhr er in das benachbarte Bischofsheim, um in der Kirche Christkönig zu beten. Spätesten jetzt kam an Dominikus Böhm keiner mehr vorbei, der sich für modernen Kirchenbau interessierte. Wolfgang Voigt, Kurator der Ausstellung.
"Das hat 1923 angefangen, dass Böhmsche Entwürfe – noch nicht unbedingt gebaute Sachen – in Handbüchern auftauchen, darüber, wie man eben jetzt entsprechend der Liturgischen Bewegung eine Kirche neu zu entwerfen hat."
Nach dem Ersten Weltkrieg meldeten sich die Reformer in der katholischen Kirche zu Wort. Ihr erster Baumeister wurde Dominikus Böhm, der zugunsten der Liturgiereform eindeutig Stellung bezog.
"Die katholische Liturgie der Heiligen Messe, die galt als erstarrt. Das passierte alles in lateinisch, kein Mensch verstand das noch, der Priester zelebrierte mit dem Rücken zu den Leuten, und es passierte sehr weit weg von der Gemeinde. Und das will die liturgische Bewegung alles anders machen, die will das alles vereinfachen und so, dass das die Leute verstehen und das Messopfer, die Wandlung, das, was der Kern eigentlich der heiligen Handlung ist, das soll im Mittelpunkt stehen und nicht mehr die Nebenaltäre, die ganzen anderen Heiligen, und was da sonst noch eine Rolle gespielt hat. Und Böhm macht jetzt alles konzentrisch um den Altar, und das geht bis ins letzte Detail des Kircheninnenraumes."
"Christozentrische Kirchenkunst" hieß damals das Schlagwort: Ein Gott, eine Gemeinde, ein Raum. Und daran hielt sich Dominikus Böhm. Feierliche Portale, klar gegliederte Innenräume mit freistehendem Altar und eine subtile Lichtregie wurden zum Markenzeichen einer höchst emotionalen Sakralarchitektur.
Kurator Wolfgang Welker: "Die Vielseitigkeit dieses Mannes ist einfach unglaublich, also wie er eben Heimartstil und Neues Bauen und Romanik, ja wie gesagt, alles mögliche miteinander verbindet und immer wieder neue Sachen schafft und neue Raumformen erfindet, das ist unglaublich."
1880 im bayrischen Schwaben geboren, studierte Böhm zunächst in Augsburg und später in Offenbach, wo er an den Technischen Lehranstalten auch Lehrer wurde. Die Lehranstalt war eine Art frühes Bauhaus, wo fächerübergreifend studiert werden konnte. 1927 ging Böhm nach Köln. Oberbürgermeister Konrad Adenauer hatte ihn als Leiter der "Abteilung für Religiöse Kunst" an die Kölner Werkschule geholt.
Im Kölner Stadtteil Riehl steht Böhms berühmtester Kirchenbau, den die Kölner gleich "Zitronenpresse" nannten. 1932 wird St. Engelbert geweiht. Die runde Kirche besteht aus acht Wandscheiben mit parabolischer Krümmung mit entsprechenden Fenstern. "Orient statt Abendland" schimpften die Kritiker, doch St. Engelbert wurde zum Fanal einer neuen Kirchenarchitektur, zu einem expressiven Statement, dessen spektakuläre Architektur sich nur noch mit der Auferstehungskapelle in Neu-Ulm vergleichen lässt.
"Das ist wirklich atemberaubend, die hat den Grundriss einer Turbine, und die ist zusammengesetzt aus Betonrippen, die sich oben in der Spitze treffen und die sind alle in sich in der Richtung der Turbine verdreht, so dass man sich vorstellen kann, dass das ganze Ding sich rotierend in Bewegung setzt und nach oben schraubt, eben das Thema der Auferstehung, von unten nach oben."
Dominikus Böhm schien bei Gaudì in die Lehre gegangen zu sein. Aber Böhm konnte noch ganz anders. Die Fremdenkirche auf Norderney von 1931 ist mit ihrem asymmetrischen Aufbau und den klaren geometrischen Räumen innen wie außen durch und durch modern, so als ob Böhm aller Welt einmal zeigen wollte, dass auch er den "Internationalen Stil" im Schlepptau von Le Corbusier mühelos beherrscht.
Mit seinen eigenwilligen Bauten, vor allem mit seiner "Zitronenpresse", hatte sich Böhm plötzlich ins Abseits gebaut. Das Kölner Bistum gab ihm keine Aufträge mehr. Seit Beginn der 30er Jahre gewannen die konservativen Kräfte in der katholischen Kirche wieder die Oberhand. Während einer Romreise im April 1931 hatte Papst Paul IV. Dominikus Böhm höchst persönlich zurückgepfiffen und ihn aufgefordert, wieder traditioneller zu bauen. Das war für den gläubigen Katholiken der persönliche und finanzielle Supergau.
Wolfgang Voigt: "Was blieb dem Manne übrig, also was hat er gemacht? Er hat die äußeren Formen seiner Kirche tatsächlich so ein bisschen mehr, sag ich mal, romanischen Volumen angenähert. Aber innen blieben die Kirchen modern, das ist das Erstaunliche: Sie bleiben hell, sie sind sehr reduziert, sehr schön, sehr harmonisch, so gut wie sie vorher auch waren, so bleiben sie."
Die Wege und Umwege des Architekten lassen sich im Frankfurter Architektur Museum jetzt nachvollziehen, anhand von vielen ganz außergewöhnlichen Exponaten.
Kurator Wolfgang Welker: "Im Wesentlichen sind es natürlich die Zeichnungen von Dominikus Böhm, die wir jetzt neu im Archiv haben, die werden die Hauptrolle spielen. Daneben gibt es dann Fotografien, zeitgenössische Fotografien von Hugo Schmölz zu sehen, die das ganze begleiten, also die dann einen Eindruck vermitteln, wie es in Wirklichkeit aussieht. Und zusätzlich gibt es noch sehr schöne Modelle, die von der Uni Karlsruhe gefertigt wurden, am Lehrstuhl von Arno Lederer."
Nach den Zweiten Weltkrieg hatte Dominikus Böhm alle Hände voll zu tun, die zerstörten Kirchen wiederaufzubauen; auch in Köln. Als Böhm 1955 starb, hinterließ er in der Bischofsstadt gleich mehrere Baustellen. Den ehemals expressiven Schwung hat Böhm nach dem Krieg nicht wiedererlangt. Aber seine Kirchen, wie St. Maria Königin im Kölner Villenvorort Marienburg, zeugen auch jetzt noch von einer edlen spirituellen Gesinnung.
Eugenio Pacelli, der 1928 in Böhms Kirche Christkönig gebetet hatte, war nun Papst. Er ehrte den Architekten mit dem höchsten Orden, den die römisch-katholische Kirche zu vergeben hat. Doch vollständig akzeptiert wurden Böhms architektonischen Ideen erst Jahre später mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Und so ist Böhms Lebensweg auch ein wenig tragisch, weil er an vorderster Front frühzeitig den radikalen Neubeginn wagte.
"Sie müssen diesmal nun aber wirklich lieb sein und mich ein bisschen loben", schrieb Dominikus Böhm 1927 an seinen Kollegen Rudolf Schwarz, der an einem Aufsatz schrieb. Eine etwas eitle, aber doch berechtigte Bitte, der Wolfgang Voigt auch heute noch gerne nachkommt.
"Er ist ganz früh schon ein Vorbild mit seinen Sachen, und das ist das Erstaunliche, er bleibt das über 40 Jahre lang und auch über seinen Tod hinaus. Wenn es einen Architekten gibt, der im Kirchenbau Einfluss hatte im 20. Jahrhundert, dann kommt an aller erster Stelle Dominikus Böhm."
"Das hat 1923 angefangen, dass Böhmsche Entwürfe – noch nicht unbedingt gebaute Sachen – in Handbüchern auftauchen, darüber, wie man eben jetzt entsprechend der Liturgischen Bewegung eine Kirche neu zu entwerfen hat."
Nach dem Ersten Weltkrieg meldeten sich die Reformer in der katholischen Kirche zu Wort. Ihr erster Baumeister wurde Dominikus Böhm, der zugunsten der Liturgiereform eindeutig Stellung bezog.
"Die katholische Liturgie der Heiligen Messe, die galt als erstarrt. Das passierte alles in lateinisch, kein Mensch verstand das noch, der Priester zelebrierte mit dem Rücken zu den Leuten, und es passierte sehr weit weg von der Gemeinde. Und das will die liturgische Bewegung alles anders machen, die will das alles vereinfachen und so, dass das die Leute verstehen und das Messopfer, die Wandlung, das, was der Kern eigentlich der heiligen Handlung ist, das soll im Mittelpunkt stehen und nicht mehr die Nebenaltäre, die ganzen anderen Heiligen, und was da sonst noch eine Rolle gespielt hat. Und Böhm macht jetzt alles konzentrisch um den Altar, und das geht bis ins letzte Detail des Kircheninnenraumes."
"Christozentrische Kirchenkunst" hieß damals das Schlagwort: Ein Gott, eine Gemeinde, ein Raum. Und daran hielt sich Dominikus Böhm. Feierliche Portale, klar gegliederte Innenräume mit freistehendem Altar und eine subtile Lichtregie wurden zum Markenzeichen einer höchst emotionalen Sakralarchitektur.
Kurator Wolfgang Welker: "Die Vielseitigkeit dieses Mannes ist einfach unglaublich, also wie er eben Heimartstil und Neues Bauen und Romanik, ja wie gesagt, alles mögliche miteinander verbindet und immer wieder neue Sachen schafft und neue Raumformen erfindet, das ist unglaublich."
1880 im bayrischen Schwaben geboren, studierte Böhm zunächst in Augsburg und später in Offenbach, wo er an den Technischen Lehranstalten auch Lehrer wurde. Die Lehranstalt war eine Art frühes Bauhaus, wo fächerübergreifend studiert werden konnte. 1927 ging Böhm nach Köln. Oberbürgermeister Konrad Adenauer hatte ihn als Leiter der "Abteilung für Religiöse Kunst" an die Kölner Werkschule geholt.
Im Kölner Stadtteil Riehl steht Böhms berühmtester Kirchenbau, den die Kölner gleich "Zitronenpresse" nannten. 1932 wird St. Engelbert geweiht. Die runde Kirche besteht aus acht Wandscheiben mit parabolischer Krümmung mit entsprechenden Fenstern. "Orient statt Abendland" schimpften die Kritiker, doch St. Engelbert wurde zum Fanal einer neuen Kirchenarchitektur, zu einem expressiven Statement, dessen spektakuläre Architektur sich nur noch mit der Auferstehungskapelle in Neu-Ulm vergleichen lässt.
"Das ist wirklich atemberaubend, die hat den Grundriss einer Turbine, und die ist zusammengesetzt aus Betonrippen, die sich oben in der Spitze treffen und die sind alle in sich in der Richtung der Turbine verdreht, so dass man sich vorstellen kann, dass das ganze Ding sich rotierend in Bewegung setzt und nach oben schraubt, eben das Thema der Auferstehung, von unten nach oben."
Dominikus Böhm schien bei Gaudì in die Lehre gegangen zu sein. Aber Böhm konnte noch ganz anders. Die Fremdenkirche auf Norderney von 1931 ist mit ihrem asymmetrischen Aufbau und den klaren geometrischen Räumen innen wie außen durch und durch modern, so als ob Böhm aller Welt einmal zeigen wollte, dass auch er den "Internationalen Stil" im Schlepptau von Le Corbusier mühelos beherrscht.
Mit seinen eigenwilligen Bauten, vor allem mit seiner "Zitronenpresse", hatte sich Böhm plötzlich ins Abseits gebaut. Das Kölner Bistum gab ihm keine Aufträge mehr. Seit Beginn der 30er Jahre gewannen die konservativen Kräfte in der katholischen Kirche wieder die Oberhand. Während einer Romreise im April 1931 hatte Papst Paul IV. Dominikus Böhm höchst persönlich zurückgepfiffen und ihn aufgefordert, wieder traditioneller zu bauen. Das war für den gläubigen Katholiken der persönliche und finanzielle Supergau.
Wolfgang Voigt: "Was blieb dem Manne übrig, also was hat er gemacht? Er hat die äußeren Formen seiner Kirche tatsächlich so ein bisschen mehr, sag ich mal, romanischen Volumen angenähert. Aber innen blieben die Kirchen modern, das ist das Erstaunliche: Sie bleiben hell, sie sind sehr reduziert, sehr schön, sehr harmonisch, so gut wie sie vorher auch waren, so bleiben sie."
Die Wege und Umwege des Architekten lassen sich im Frankfurter Architektur Museum jetzt nachvollziehen, anhand von vielen ganz außergewöhnlichen Exponaten.
Kurator Wolfgang Welker: "Im Wesentlichen sind es natürlich die Zeichnungen von Dominikus Böhm, die wir jetzt neu im Archiv haben, die werden die Hauptrolle spielen. Daneben gibt es dann Fotografien, zeitgenössische Fotografien von Hugo Schmölz zu sehen, die das ganze begleiten, also die dann einen Eindruck vermitteln, wie es in Wirklichkeit aussieht. Und zusätzlich gibt es noch sehr schöne Modelle, die von der Uni Karlsruhe gefertigt wurden, am Lehrstuhl von Arno Lederer."
Nach den Zweiten Weltkrieg hatte Dominikus Böhm alle Hände voll zu tun, die zerstörten Kirchen wiederaufzubauen; auch in Köln. Als Böhm 1955 starb, hinterließ er in der Bischofsstadt gleich mehrere Baustellen. Den ehemals expressiven Schwung hat Böhm nach dem Krieg nicht wiedererlangt. Aber seine Kirchen, wie St. Maria Königin im Kölner Villenvorort Marienburg, zeugen auch jetzt noch von einer edlen spirituellen Gesinnung.
Eugenio Pacelli, der 1928 in Böhms Kirche Christkönig gebetet hatte, war nun Papst. Er ehrte den Architekten mit dem höchsten Orden, den die römisch-katholische Kirche zu vergeben hat. Doch vollständig akzeptiert wurden Böhms architektonischen Ideen erst Jahre später mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Und so ist Böhms Lebensweg auch ein wenig tragisch, weil er an vorderster Front frühzeitig den radikalen Neubeginn wagte.
"Sie müssen diesmal nun aber wirklich lieb sein und mich ein bisschen loben", schrieb Dominikus Böhm 1927 an seinen Kollegen Rudolf Schwarz, der an einem Aufsatz schrieb. Eine etwas eitle, aber doch berechtigte Bitte, der Wolfgang Voigt auch heute noch gerne nachkommt.
"Er ist ganz früh schon ein Vorbild mit seinen Sachen, und das ist das Erstaunliche, er bleibt das über 40 Jahre lang und auch über seinen Tod hinaus. Wenn es einen Architekten gibt, der im Kirchenbau Einfluss hatte im 20. Jahrhundert, dann kommt an aller erster Stelle Dominikus Böhm."