Raues Klima

Die drei Brüder Joe, Miles und Harry wachsen an der wilden, stürmischen Küste Tasmaniens auf. Ihr Vater, ein Fischer, ist kalt und unbarmherzig, seit seine Frau bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Es scheint, als hüte er ein schlimmes Geheimnis.
Das Meer bestimmt ihr Leben und damit auch den Roman: Es ist die wilde, stürmische Küste Tasmaniens, ein raues Klima, in dem die drei Brüder Joe, Miles und Harry aufwachsen. Die Jungs, aus deren Perspektive der Roman geschrieben ist, kennen nichts anderes. Joe, mit 18 der älteste, hat sich gerade sein eigenes Segelboot gebaut und wartet auf eine günstige Gelegenheit, in See zu stechen. Miles, der Mittlere, ist inzwischen alt genug, um auf dem Boot seines Vaters zu helfen. Harry, der Jüngste darf an Land bleiben, denn er wird stets seekrank, sobald er das Boot besteigt.

Es sind Schulferien und Miles muss mit seinem Vater aufs Meer hinaus fahren. Der, im Buch stets nur Dad genannt, ist ein Abalone-Fischer mit eigenem Boot. Die von Feinschmeckern begehrten Meeresschnecken müssen in anstrengenden Tauchgängen aus mehreren Metern Tiefe mühsam vom Felsen gelöst werden. Sie sind rar geworden. Die Versuchung ist daher groß, in den staatlich geschützten Revieren zu wildern. Denn die Schulden bei der Bank sind groß, da der Bruder des Fischers, Onkel Nick verschwunden ist und Dad seiner Schwägerin dessen Bootsanteil ausbezahlt hat.

Er ist ein verbitterter, schroffer, unzugänglicher Mann, seit seine Frau bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Bisweilen ertränkt er seine Wut in Whiskey, schlägt dann seine Kinder. Sie haben gelernt, sich selbst versorgen. Väterliche Liebe ist ein Fremdwort. Umso größer ist die Zuneigung der Söhne zueinander. Joe, der Älteste geht mit Miles surfen. Beim gemeinsamen Wellenreiter vergisst der Junge alle väterliche Lieblosigkeit.

Miles wiederum fühlt sich für seinen jüngeren Bruder Harry verantwortlich, versucht ihn vor dem jähzornigen Vater zu schützen. Der freundet sich mit einem jungen Hund an, der einem von allen gemiedenen Einsiedler gehört. Da er weiß, dass sein Dad davon nichts erfahren darf, besucht er den Mann nur heimlich. Bei ihm findet er jene Freundlichkeit und Zuwendung, die sein Dad nicht imstande ist zu geben.

Die 39-jährige australische Schriftstellerin Favel Parrett erzählt die Geschichte der drei Brüder in knappen, schnörkellosen Sätzen, die wie aus Stein gemeißelt wirken – ein harter, fast schon schroffer Stil ohne Verzierungen, der das harte Leben der Jungs widerspiegelt. Es wird nur das Notwendigste geredet. Es findet sich kein überflüssiges Wort. Das erzeugt eine Art von Sog, so wie die Ebbe am Meer einen unwiderruflich hinauszieht.

Geschickt versteht es die Schriftstellerin, Spannung zu erzeugen, indem sie kleine Hinweise einstreut, dass bei dem tödlichen Unfall der Mutter nicht alles mit rechten Dingen zuging, der Vater ein schlimmes Geheimnis hütet, Onkel Nick nicht so starb, wie erzählt wird. Man spürt von Anfang an, dass die Geschichte nicht gut ausgehen kann, einem fatalen Höhepunkt zustrebt. Und so ist es auch: als der kalte, unbarmherzige Vater bei Sturmwarnung nicht nur Miles, sondern auch den seekranken Harry zwingt, mit ihm zum Abalone-Fischen rauszufahren, kommt es zur Konfrontation und zur Katastrophe.

Besprochen von Johannes Kaiser

Favel Parrett: Jenseits der Untiefen
aus dem Englischen Antje Rávic Strubel
Hoffmann und Campe, Hamburg 2013
219 Seiten, 19,99 Euro