Raucher-Metropolen
Kaum ist das Nichtrauchergesetz in Kraft, eröffnet das Jüdische Museum Berlin eine Ausstellung, in der an die Rolle von Berlin und Dresden als wichtigste Zentren der deutschen Zigarettenindustrie im frühen 20. Jahrhundert erinnert wird. Die Ausstellung ist gleichzeitig ein Blick in deutsch-jüdische Firmengeschichte und in die Kulturgeschichte des deutschen Bürgertums seit der Reichsgründung von 1870.
Die Raucherpolizei hat es auch damals schon gegeben: Ein kleines in gezeichneten Bildern animiertes Werbefilmchen zeigt einen Radler, der im Wald seinem Laster frönt. Kommen zwei Schutzmänner und schnuppern den Qualm, machen sich auf die Jagd nach dem Verbrecher und schnappen ihn. Der lässt sich willig festnehmen und sagt: "Meinetwegen führt mich ab, wenn ich nur Manoli hab."
"Total Manoli! Total Manoli! Die meisten Menschen haben heute’n kleines Rad. Total Manoli! Total Manoli! Such dir mal wen in ganz Berlin, der das nicht hat! Tanz des Geschlechts um Manoli rechts rum, die ganze Erde tanzt von früh bis abends spät stets um das Dings rum, Manoli links rum! Ihr seid doch alle, alle, alle durchgedreht!"
Text Kurt Tucholsky, Musik Rudolf Nelson, 1920 wurde die Revue "Total Manoli" im Theater am Kurfürstendamm aufgeführt. "Manoli" hieß die Zigarettenfirma, und die machte ganz moderne Reklame für ihre Produkte, nämlich mit einer Leuchtreklame. Leonore Maier, Kuratorin der Ausstellung:
"Das war das Manoli-Rad, die erste phasengesteuerte Leuchtreklame Berlins, die um 1900 erstmals mit einem Durchmesser von fünf Meter auf mehreren Dächern in Berlin erstrahlte. Die Berliner, die nach oben blickten, wurden vom Drehen und Blinken völlig verrückt, und bald bürgerte sich im Berliner Volksmund die Wendung 'total Manoli' ein."
Es war schick zu rauchen, und wer nicht rauchte, war irgendwie unmodern. Angefangen hatte das in Berlin mit der großen Berliner Industrieausstellung von 1871. Damals trat eine Tabakfirma auf den Plan, die Maßstäbe setzte.
"Aus der Tabakbranche war eine einzige Firma vertreten, und zwar die Zigarrenfirma Loeser & Wolff. Ihr Werbespruch an der Ecke war jedem ein Begriff, und vor allem in Berlin gab es an vielen belebten Kreuzungen die Eckgeschäfte von Loeser & Wolff. Der Name Loeser & Wolff stand für Qualität. Als Steigerungsform von 'tadellos' ging er in die deutsche Literaturgeschichte ein: Sie kennen vielleicht den Roman von Walter Kempowski 'Tadelloeser & Wolff', wo es heißt: 'Tadellöser und Wolff? Was soll das eigentlich bedeuten? Na, gut dem Dinge, weiter nichts.'"
Für das umständliche Zigarrenrauchen fehlte in der wachsenden Millionenstadt Berlin bald die Zeit. Um 1900 eroberte die Zigarette die Spitzenstellung der Genussmittelindustrie. Mehr als 500 Firmen befeuerten den Bedarf. Sogar in den Nichtraucherwaggons der Berliner S-Bahn warb die Firma Rochmann für ihre Marke "Problem". Die Familie Rochmann kam aus Warschau und richtete in der Greifswalder Straße ihre Fabrik ein:
"Wir wissen zum Beispiel nicht, warum Szlama Rochmann seine Firma 'Problem' nannte, es dürfte ihm aber zweifellos gelungen sein, mit einem solchen Firmennamen aufzufallen und ins Gespräch zu kommen. Die ganze Vielfalt der Werbemittel wurde genutzt, um das Publikum auf Markennamen einzuschwören. Plakate, Sammelbildchen, die in Alben eingeklebt wurden, Zigarettentütchen, Aschenbecher, Innenraumplakate, Emailschilder, Reklamemarken, Werbespielzeug, künstlerisch gestaltete Dosen, Werbefilme, all das können Sie in unserer Ausstellung sehen."
Massary-Zigaretten zum Beispiel. Die bekannte Schauspielerin Fritzi Massary hatte ihren Namen zur Verfügung gestellt, und geworben wurde allüberall. Die Berliner Schriftstellerin Gabriele Tergit, die in den zwanziger Jahren als Gerichtsreporterin und Feuilletonistin beim "Berliner Tageblatt" arbeitete, ging mit offenen Augen durch die Stadt und kam so auf die Idee, den Rummel um den Protagonisten ihres ersten Romans "Käsebier erobert den Kurfürstendamm" aus der Wirklichkeit zu entlehnen:
"Zum Teil ist es mir daran aufgegangen, weil am Bahnhof Friedrichstraße eine Riesenanzeige war, wenn man die Friedrichstraße lang kam: Bahnhof Friedrichstraße stand dran 'Fritzi Massary Zigaretten'. Und das hat mich eigentlich zuerst einmal auf diese Idee gebracht: 'Käsebier-Zigaretten'."
Als der Roman 1931 erschien, hatte die Familie Rochmann ihre Zigarettenfabrik bereits verkauft. Leonore Maier, die Kuratorin der Ausstellung:
"In der Regel wurden sie von Großkonzernen wie Reemtsma aufgekauft. Was wir heute als Globalisierung erleben, hat hier ähnlich damals schon in kleinerem Rahmen stattgefunden. Die wenigen Firmen, die noch übrig geblieben sind, wurden – soweit sie jüdische Inhaber hatten – in der NS-Zeit dann arisiert."
Das wurde so dokumentiert:
"Die Arisierung der Firma 'Loeser & Wolff' wird schamlos in einem Werbefilm aus dem Jahr 1942 vorgeführt. In dem Film verkündet die Sekretärin der Firma einem verblüfften Kunden, der sich bei 'Loeser & Wolff' wähnt: 'Loeser & Wolff heißt jetzt Walther E. Beyer'."
Service: Die Ausstellung "Total Manoli? - Kein Problem! - Jüdische Unternehmer in der deutschen Zigarettenindustrie" ist vom 3. Juli 2008 bis 18. Januar 2009 zu sehen.
"Total Manoli! Total Manoli! Die meisten Menschen haben heute’n kleines Rad. Total Manoli! Total Manoli! Such dir mal wen in ganz Berlin, der das nicht hat! Tanz des Geschlechts um Manoli rechts rum, die ganze Erde tanzt von früh bis abends spät stets um das Dings rum, Manoli links rum! Ihr seid doch alle, alle, alle durchgedreht!"
Text Kurt Tucholsky, Musik Rudolf Nelson, 1920 wurde die Revue "Total Manoli" im Theater am Kurfürstendamm aufgeführt. "Manoli" hieß die Zigarettenfirma, und die machte ganz moderne Reklame für ihre Produkte, nämlich mit einer Leuchtreklame. Leonore Maier, Kuratorin der Ausstellung:
"Das war das Manoli-Rad, die erste phasengesteuerte Leuchtreklame Berlins, die um 1900 erstmals mit einem Durchmesser von fünf Meter auf mehreren Dächern in Berlin erstrahlte. Die Berliner, die nach oben blickten, wurden vom Drehen und Blinken völlig verrückt, und bald bürgerte sich im Berliner Volksmund die Wendung 'total Manoli' ein."
Es war schick zu rauchen, und wer nicht rauchte, war irgendwie unmodern. Angefangen hatte das in Berlin mit der großen Berliner Industrieausstellung von 1871. Damals trat eine Tabakfirma auf den Plan, die Maßstäbe setzte.
"Aus der Tabakbranche war eine einzige Firma vertreten, und zwar die Zigarrenfirma Loeser & Wolff. Ihr Werbespruch an der Ecke war jedem ein Begriff, und vor allem in Berlin gab es an vielen belebten Kreuzungen die Eckgeschäfte von Loeser & Wolff. Der Name Loeser & Wolff stand für Qualität. Als Steigerungsform von 'tadellos' ging er in die deutsche Literaturgeschichte ein: Sie kennen vielleicht den Roman von Walter Kempowski 'Tadelloeser & Wolff', wo es heißt: 'Tadellöser und Wolff? Was soll das eigentlich bedeuten? Na, gut dem Dinge, weiter nichts.'"
Für das umständliche Zigarrenrauchen fehlte in der wachsenden Millionenstadt Berlin bald die Zeit. Um 1900 eroberte die Zigarette die Spitzenstellung der Genussmittelindustrie. Mehr als 500 Firmen befeuerten den Bedarf. Sogar in den Nichtraucherwaggons der Berliner S-Bahn warb die Firma Rochmann für ihre Marke "Problem". Die Familie Rochmann kam aus Warschau und richtete in der Greifswalder Straße ihre Fabrik ein:
"Wir wissen zum Beispiel nicht, warum Szlama Rochmann seine Firma 'Problem' nannte, es dürfte ihm aber zweifellos gelungen sein, mit einem solchen Firmennamen aufzufallen und ins Gespräch zu kommen. Die ganze Vielfalt der Werbemittel wurde genutzt, um das Publikum auf Markennamen einzuschwören. Plakate, Sammelbildchen, die in Alben eingeklebt wurden, Zigarettentütchen, Aschenbecher, Innenraumplakate, Emailschilder, Reklamemarken, Werbespielzeug, künstlerisch gestaltete Dosen, Werbefilme, all das können Sie in unserer Ausstellung sehen."
Massary-Zigaretten zum Beispiel. Die bekannte Schauspielerin Fritzi Massary hatte ihren Namen zur Verfügung gestellt, und geworben wurde allüberall. Die Berliner Schriftstellerin Gabriele Tergit, die in den zwanziger Jahren als Gerichtsreporterin und Feuilletonistin beim "Berliner Tageblatt" arbeitete, ging mit offenen Augen durch die Stadt und kam so auf die Idee, den Rummel um den Protagonisten ihres ersten Romans "Käsebier erobert den Kurfürstendamm" aus der Wirklichkeit zu entlehnen:
"Zum Teil ist es mir daran aufgegangen, weil am Bahnhof Friedrichstraße eine Riesenanzeige war, wenn man die Friedrichstraße lang kam: Bahnhof Friedrichstraße stand dran 'Fritzi Massary Zigaretten'. Und das hat mich eigentlich zuerst einmal auf diese Idee gebracht: 'Käsebier-Zigaretten'."
Als der Roman 1931 erschien, hatte die Familie Rochmann ihre Zigarettenfabrik bereits verkauft. Leonore Maier, die Kuratorin der Ausstellung:
"In der Regel wurden sie von Großkonzernen wie Reemtsma aufgekauft. Was wir heute als Globalisierung erleben, hat hier ähnlich damals schon in kleinerem Rahmen stattgefunden. Die wenigen Firmen, die noch übrig geblieben sind, wurden – soweit sie jüdische Inhaber hatten – in der NS-Zeit dann arisiert."
Das wurde so dokumentiert:
"Die Arisierung der Firma 'Loeser & Wolff' wird schamlos in einem Werbefilm aus dem Jahr 1942 vorgeführt. In dem Film verkündet die Sekretärin der Firma einem verblüfften Kunden, der sich bei 'Loeser & Wolff' wähnt: 'Loeser & Wolff heißt jetzt Walther E. Beyer'."
Service: Die Ausstellung "Total Manoli? - Kein Problem! - Jüdische Unternehmer in der deutschen Zigarettenindustrie" ist vom 3. Juli 2008 bis 18. Januar 2009 zu sehen.