Raucher, hört die Signale
Der Tabak ist eine unschuldige Pflanze. Was sie so berühmt und heiß umstritten machte, ist ihr Gebrauch durch den Menschen. Das ist nicht erst seit einigen Jahren so und auch keineswegs nur in Deutschland - den Tabak begleiteten Ruhm und Verderben von Anfang an.
Wenige Tage, nachdem sich Robinson Crusoe auf eine unbewohnte Insel hatte retten können, erkrankte er schwer. Aus einer der Kisten, die er von seinem Schiff noch mitnehmen konnte, holte er eine Rolle Tabak. Robinson stellte allerlei Experimente an. Er kaute ein Stück Tabakblatt in seinem Mund; ein Stück legte er in Rum ein, ein anderes zündete er an und zog den emporsteigenden Rauch tief ein. Auch vergaß er das Beten nicht.
"Nach meinem unvollkommenen Gebete trank ich den Rum, in welchen ich den Tobak hatte eingelegt, der nun davon so stark und bitter geworden, dass ich ihn kaum hinunterbekam. Sogleich darauf ging ich zu Bette und fühlte, wie es mir gewaltig in den Kopf flog - doch ich sank in einen tiefen Schlaf und erwachte erst, als es nach der Sonne schon an die drei Uhr nächsten Nachmittags sein musste." (Daniel Defoe: Robinson Crusoe; C.H. Beck, 1997)
Die heilende Wirkung, die dem Tabak nachgesagt wurde, war eine Seite der Medaille. Die andere ist der Genuss, die Sucht, die trockene Trunkenheit.
Guillermo Cabrera Infante, Schriftsteller und Exil-Kubaner, lebt in England. Im April 1996 schrieb er in der spanischen Tageszeitung El Pais eine Huldigung an Rodrigo de Jerez, den Weggefährten Kolumbus und ersten Europäer, der einen Menschen rauchen sah.
"Das Bild rauchender Menschen ließ Rodrigo de Jerez fortan nicht mehr los. Er nahm getrocknete Blätter dieser Pflanze mit nach Spanien. In Jerez, seiner Heimatstadt, schloss sich Rodrigo in das letzte Zimmer am Ende seines Hauses ein. Er blickte von dort auf den Hafen und rauchte. Er rauchte viel, sehr viel; bis eines Tages seine Frau ihn überraschte und zutiefst erschrak. Ihr Mann musste, weil er Rauch ausstieß, wohl einen Pakt mit dem Teufel geschlossen haben. Es roch auch nicht nach Weihrauch, was da aus allen sichtbaren Körperöffnungen ihres Mannes austrat; und allein Gott vermochte zu wissen, aus welchen anderen Körperöffnungen der Rauch noch emporstieg. Die gute Frau tat, was alle guten Frauen in Spanien damals taten. Sie eilte zur Heiligen Inquisition und zeigte ihren Mann an."
(Guillermoo Cabrera Infante: Fumando espero; El Pais, 13. Aptil 1996)
Seither starben viele Menschen am Tabakrauchen. Zu viele, meinten die Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer und kamen im März dieses Jahres überein, dem Rauchen ein Ende zu setzen. Den EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou, der selbst viele Jahre lang drei Päckchen Zigaretten pro Tag geraucht hatte, freute es. Er tendiert in Sachen Nichtraucherschutz zu radikalen Lösungen. Komplettes Rauchverbot in geschlossenen Räumen. Privatwohnungen ausgeschlossen. Wenn er es geschafft hat, mit dem Rauchen aufzuhören, meinte er noch, schafft es jeder.
Aber was tat Christian Wulff? Der niedersächsische Landesvater scherte aus und setzte auf freiheitliche Lösungen und Eigenverantwortung der Gastwirte und Raucher. Ein R für Raucher-Lokale, Kneipen wie Restaurants, sollte reichen, um Familien mit Kindern und andere ängstliche Nichtraucher vor dem Betreten zu warnen und das Vertrauen auf den mündigen Bürger zu stärken. Da mache er den Bock zum Gärtner, schimpfte Wulffs Parteifreund Karl-Heinz Florenz, der für die CDU im Europäischen Parlament die gesundheitspolitische Fahne hochhält. Und Ausnahmeregelungen für Ein-Raum-Kneipen? Im Schwimmbädern sei es ja auch nicht erlaubt, in die eine Beckenhälfte zu pinkeln und in die andere nicht, sagte Florenz.
"Das Ziel des niedersächsischen Kabinetts war es immer, die Menschen vor den Gesundheitsgefahren des Passivrauchens besser zu schützen."
Sagt Thomas Spieker, Sprecher der niedersächsischen Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit.
"Das Thema der Gastronomie war insofern etwas umstritten, als dass Niedersachsen zunächst den Gastwirten eine Möglichkeit einräumen wollte, mit einer R-Kennzeichnung als Rauchergaststätte eine Ausnahme zu bekommen. Wir wollten das evaluieren, haben dann im Zuge der Diskussion schnell gesehen, dass das nicht der Wunsch der Mehrheit der Bürger ist, dass der konsequente Gesundheitsschutz nun auch in jeder Eckkneipe durchgesetzt werden soll, davon haben wir uns leiten lassen im Sinne des Schutzes vor dem Passivrauchen. Niedersachsen wird als eines der ersten Bundesländer ein Nichtraucherschutzgesetz auf den Weg gebracht. Wir bekommen spätestens im August diesen Jahres ein niedersächsisches Nichtraucherschutzgesetz. Damit sind wir an der Spitze. Und deswegen sehen wir das als Erfolg an."
"Über den richtigen Weg für vertretbare Ausnahmen wird zurzeit gerungen", konstatierte die niedersächsische Ministerin, in deren Haus der Gesetzesentwurf entstanden ist und die anfangs für verbindliche Regeln plädierte – auch in Gaststätten. Aber der für Kneipen zuständige Wirtschaftsminister Walter Hirche, FDP, sagte nein. Auch beim Ministerpräsidenten selbst stießen die Pläne auf wenig Verständnis. Stefan Wenzel, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im niedersächsischen Landtag, registrierte es mit oppositioneller Genugtuung.
"Ich hatte den Eindruck, dass die Sozial- und Gesundheitsministerin mehr wollte und der Ministerpräsident ihr einen Maulkorb verpasst hatte und gedacht hatte, dass er sich hier bundesweit profilieren könnte. Er ist dann aber über einige Wochen hinweg mit Mails, Briefen und Anrufen eingedeckt worden, die in einer unglaublichen Intensität deutlich gemacht haben, dass die Bürgerinnen und Bürger mehr Gesundheitsschutz erwarten. Die Zahlen, wenn man sich die Auswirkungen im Gesundheitsbereich anguckt, sprechen schlichtweg für sich."
Zahlen und Fakten sind hinreichend bekannt. Auch der Streit zwischen Rauchern und Nichtrauchern, zwischen denen, die den Tabakgenuss aus nachvollziehbaren Gründen verbieten möchten, und jenen, die sich die Freude an diesem risikobehafteten Produkt nicht trüben lassen möchten. Der Disput ist so alt wie das Rauchen.
Englische Söldnertruppen brachten das Rauchen nach Deutschland. Johann Jakob Christofel von Grimmelshausen vermerkt in seinem fünfbändigen Roman "Simplicissimus", den er 1669 fertig stellte:
"Theils saufen sie Taback, andere fressen ihn, von namentlichen wird er geschnupft, also daß mich wundert, warum sich noch keiner vorgefunden, der ihn auch in die Ohren steckt."
Aus langen Rohren entsteigt schwerer, schwarzer Tabaksduft, füllt den Raum und trübt die Luft. Der kurpfälzische Gesandte Johann Joachim von Rusdorff berichtet, was er in den Niederlanden beobachtete. Man schreibt das Jahr 1627.
"Ich kann nicht umhin, mit einigen Worten jene neue, erstaunliche und vor wenigen Jahren aus Amerika nach unserem Europa eingeführte Mode zu tadeln, welche man eine Sauferei des Nebels nennen kann, die alle alte und neue Trinkleidenschaft übertrifft. Wüste Menschen pflegen nämlich den Rauch von einer Pflanze, die sie Nicotiana oder Tabak nennen, mit unglaublicher Begierde und unauslöschlichem Eifer zu trinken und einzuschlürfen."
(aus: Fernand Braudel: Sozialgeschichte des 15. Bis 18. Jahrhunderts; Kindlerverlag, 1985)
In seiner Beobachtung, was der Genuss von Tabak an Sucht und Begierde auszulösen vermag, war der kurpfälzische Gesandte seiner Zeit weit voraus. Falsch lag er indes in der Annahme, der Tabak wäre erst vor wenigen Jahren nach Europa gekommen. Hartmut Roder ist Historiker im Bremer Übersee-Museum. Wer wie er den Weg zurückverfolgt, den der Tabak in die Alte Welt nahm, stößt zu guter Letzt auf den Namen eines Pioniers, der die Erde umsegeln wollte und die Bahamas mit Indien verwechselte.
"Columbus war der erste, der in seinem Bordbuch bereits 1492 dann schrieb, dass er Indianer gesehen hat, das war auf den Bahamas, nicht auf Tobacco, ein Ort, der dann sinnigerweise den Namen bekommen hat, Indianer gesehen hätte, die die Sitte des Tabaktrinkens beherrschen würden. Das hatte ihn sehr überrascht. Das hat er extra vermerkt. Nichtsdestotrotz haben dann seine Seeleute diese Sitte gleich mal ausprobiert und brachten sie dann schlichterwegs nach Europa. Und am spanischen wie also auch in Besonderheit am portugiesischen Hof wurde diese Sitte als erstes ausprobiert."
Der Leibarzt Philipps II., Francesco Hernandez, versuchte aufgrund seiner Beobachtungen der indianischen Heilmethoden, den Tabak als Medizin zur Linderung der Beschwerden bei offenen Wunden, Brustkrankheiten und Kopfschmerzen in Spanien einzuführen. Bereits 1516 empfahl Jean Nicot de Villemain in Frankreich den Tabak in pulverisierter Form als Mittel gegen Kopfschmerzen. Der Tabak entwickelte sich im 16. Jahrhundert zum Allheilmittel gegen eine Fülle von Krankheiten und eroberte sich einen festen Platz in den zahlreichen Kräuterbüchern des 16. und 17. Jahrhunderts. Als "Wunder-confect", als "fürnembstes Artzney-Kräutlein" und als "heiliges Wund- und Tobackskraut" wurde das "Amerikanische Silberkraut" in ganz Europa bekannt. Nach Jean Nicot benannt, setzte sich um 1580 die lateinische Bezeichnung "Nicotiana" für die Pflanze durch.
Wie bizarr für die Europäer des 16. und auch noch des 17. Jahrhunderts das Rauchen indes gewesen sein musste, erzählt die Anekdote vom "brennenden" Sir Walter Raleigh: Ein Diener Raleighs soll, als er seinen Herrn rauchen sah, gefolgert haben, wo Rauch sei, da sei auch Feuer, der Herr brenne also inwärts. Mit einem kräftigen Guss Wasser aus einem bereitstehenden Kübel "löschte" er den vermeintlichen Brand. Nicht überliefert ist, ob der so aufmerksame wie unerschrockene Mann noch weiterhin das Vertrauen seines Herrn genoss.
Heutzutage, da vieles erlaubt und wenig verboten ist, darf jeder für sich entscheiden, wie er sich zugrunde richtet. Er mag hierzu in ein Auto steigen, eine Zigarette anzünden, zu einem Glas Wein greifen, Kokain schnupfen oder Heroin spritzen. Tabak, da führt kein Weg vorbei, ist Droge und Nikotin ein Stoff, der süchtig macht. Die meisten Menschen in Deutschland wie auch in anderen Ländern wünschen sich rauchfreie Gaststätten, Büros, Bahnhöfe, Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen, Museen, Behörden. Der Mehrheit muss sich in einer Demokratie jeder beugen. Auch die Tabakindustrie.
"Also, wir halten die Diskussion für wichtig und richtig. Wir sind auch der Auffassung, dass es bestimmte Bereiche gibt, in denen nicht geraucht werden sollte. Klar ist, dass es Nichtraucher gibt, die dem sogenannten Passiv-Rauch nicht ausgesetzt sein wollen, aber hierfür gibt es Lösungsmöglichkeiten."
Ilona Luttmann, Leiterin für Gesellschafts- und Verbraucherpolitik der deutschen Niederlassung von British American Tobacco in Hamburg.
"Wenn man bei der Gastronomie bleibt; in Spanien gibt es ein Rauchverbot, wobei sich kleinere Lokalitäten bis zu 100 qm aussuchen können, ob da geraucht werden darf oder nicht. Die deklarieren das dann. Und dann hat ja jeder die Wahl, bevor er ein Lokal betritt, sich dem Rauch auszusetzen oder nicht auszusetzen. Warum soll man eigentlich den Menschen immer alles vorschreiben. Ich finde, auch Freundeskreise setzen sich nicht immer aus Rauchern oder Nichtrauchern zusammen. Da kann man sich dann den einen Abend überlegen, gehe ich hierhin oder dorthin. Das wäre so eine Lösungsmöglichkeit. Belgien differenziert es ganz anders, danach ob zu einem Drittel Speisen angeboten werden, dann darf man sich überlegen, ob man ein Raucherlokal sein will oder nicht. Und die bloße Speisegastronomie ist vom Raucherverbot betroffen. Es gibt viele Möglichkeiten. Eine, die sich noch nicht ganz durchgesetzt hat, ist das Thema Luftqualität. Wenn man mal von dem Standpunkt ausgeht, dass jemand nicht den Raucher in die Ecke stecken möchte, sondern dass der Rauch stört und aus unterschiedlichen Gründen die Menschen dem Rauch ausgesetzt werden wollen, dass man dann einen ganz anderen Ansatz findet und über die Luftqualität das Ganze steuert. Was beispielsweise da passiert, dass ein Luftaustausch vorgenommen wird durch eine automatische Steuerung, so dass je nach anwesenden Personen ein Luftaustausch von 16 Liter pro Sekunde stattfindet. Da kann man sich vorstellen, dass die Luftqualität erheblich verbessert wird, dass die Kleider nicht mehr riechen und auch Nichtraucher gerne hineingehen und das Problem von der anderen Seite angegriffen wird."
Die Ausnahmeregelung des Landeskabinetts aus Hannover wäre da ganz im Sinne der Tabakindustrie gewesen. 2500 Euro hatte der Verband der Zigarettenindustrie für das Sommerfest der niedersächsischen Landesvertretung in Berlin 2006 beigesteuert und wollte dies auch in diesem Sommer tun. Wulf lehnte diesmal ab, bestätigt Thomas Spieker, Sprecher der Gesundheits- und Sozialministerin im Kabinett des Ministerpräsidenten.
"Die Diskussion, die in den letzten Monaten von der Seiten gerade der Landtagsopposition geführt wurde, war absurd. Niemand kann ernsthaft annehmen, dass eine Landesregierung durch niedrige Sponsorenbeträge sich in ihrer Entscheidungsfindung beeinflussen lässt. Und deshalb war das ein politisches Geklinge, was mit der Entscheidung für mehr Gesundheitsschutz nichts zu tun hatte."
"Sie sind zurückhaltender geworden und haben die neusten Spenden für das nächste Sommerfest ausgeschlagen."
Den Vorwurf der Bestechlichkeit zu erheben, ist selbst für Oppositionspolitiker Stefan Wenzel überzogen. Zumal die Vorgängerregierungen, auch unter Beteiligung der Grünen, es gleichermaßen handhabten.
"Wir haben es uns in Teilen auch nicht leicht damit getan. Wir haben auch intern sehr intensive Diskussionen geführt. Auch bei uns gibt es selbstverständlich Raucher wie in allen Teilen der Bevölkerung. Aber am Ende hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, wir müssen den Nichtraucherschutz sehr viel ernster nehmen. Die Zahl der Herzinfarkte etwa geht ganz deutlich zurück, wenn das Rauchen in öffentlichen Räumen eingeschränkt wird. Dass muss man ernst nehmen angesichts der erhebliche Todesraten durch Tabak und Rauchen."
Unser Leben steckt voller Tücken und Gefahren. Wer etwa aus einer demnächst nikotinbefreiten Gaststätte tritt, prallt unversehens und völlig schutzlos auf eine kohlendioxidgeschwängerte Abgas-Front. Totales Fahrverbot in den Städten? Mit Ausnahme der eigenen Garagen- und Hofeinfahrt? Dafür auf Autobahnen und Landstraßen? Und was ist mit dem Kerosin? Wer denkt an die Heizkraftwerke, die Müllverbrennungsanlagen und an all die anderen Errungenschaften unseres zivilisatorischen Fortschritts, die unsere Luft verpesten und unsere Gesundheit ruinieren?
Tabak: Nur wenige Dinge beflügelten die Phantasie der Menschheit stärker als Tabak. Tabak begleitet so gut wie jede Gemütslage, galt als Allheilmittel und Luxusartikel, als emanzipatorischer Transmitter, ist Massenware und wurde Risikofaktor. Allein des Preises wegen waren die braunen Blätter zum Statussymbol der Reichen und Adeligen avanciert. Wer den Qualm des Tabaks in sich hineinsog, bewies Exklusivität, fühlte sich mondän, gab sich exotisch und modern. Seit jener Zeit, sagt der Historiker Hartmut Roder, besaß der Tabak alle Insignien eines klassischen Kolonialprodukts. Bis die einsetzende Industrialisierung den Rauchgenuss zum allgegenwärtigen Laster degradierte.
"Als weitere Stufe in der Entwicklung kommt dann das Zigarrenrauchen im 19. Jahrhundert auf. Es galt anfangs auch als modisch und schick. Es galt nicht wie heute als behäbig und konservativ, quasi als Symbol kapitalistischer Gesetztheit. Sondern die 48er rauchten auf der Straße Zigarren. Und als die Industriegeschichte immer weitere Fortschritte machte und es alles immer schneller gehen musste, da kam dann die Zigarette auf. Die Zigarette ist im Grunde genommen das Phänomen der Moderne. Sie ist gebrauchsfertig, sie ist leicht, sie ist kurz, in siebeneinhalb Minuten ist das Ding heruntergeraucht. Im Einzelnen ist es ein Beschleunigungsprozess, der parallel zur Industrialisierungsgeschichte verläuft."
"Rauchen schadet der Gesundheit. Rauchen schadet dem Regenwald. Große Flächen fallen in den Tropenländern dem Tabakanbau zum Opfer. Zum einen wird Wald für Tabakfelder gerodet; oft schon nach zwei Jahren ist der Boden ausgelaugt und das nächste Stück wird gefällt. Zum anderen kostet die Trocknung und Fermentierung des Tabaks noch weit mehr Holz. Um braun und aromatisch zu werden, müssen Tabakblätter bei 70 Grad Celsius geröstet werden. In den Industriestaaten werden hierfür Öl- oder Gasfeuerungen benutzt. In der Dritten Welt ist Holz die wichtigste Energiequelle. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat errechnet, dass ein Urwaldbaum gerade einmal zur Herstellung von 300 Zigaretten reicht. Weltweit sind es, so die WHO, 82,5 Millionen Kubikmeter Holz, die in der Zigarettenproduktion verfeuert werden - 50 mal mehr als Deutschland an Tropenholz importiert. Die Raucher schädigen nicht nur ihre eigene Gesundheit."
(aus: Ekkehard Launer: Tabak; Lamuv-Verlag, 1995)
Zurück nach Niedersachsen. Böse Zungen könnten behaupten, die Regierung sei eingeknickt, als sie am 17. April verkündete, auf die Linie des Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz vom März 2007 einzuschwenken. Am Ende ging alles ganz schnell, erzählt Thomas Spieker, der Ministerin-Sprecher. Nach kurzer Diskussion segnete die CDU-Fraktion die Kehrtwende ihres Ministerpräsidenten ab. Die Schuldigen waren schnell ausgemacht.
"Es war ja ein Versuch, eben auch den Gastwirten diese Eigenverantwortung, diese Freiheit zu überlassen. Es hat sich dann aber gezeigt, dass die Eigenverantwortung scheinbar nicht zum Ziel führt, weil dann plötzlich nicht mehr zehn Prozent der Betriebe noch Rauchergaststätten geblieben wären, sondern 40 oder 50 Prozent. Weil wir dann davon enttäuscht waren, davon, dass diese Eigenverantwortung der Gastronomie vielleicht doch nicht zum Ziel von mehr Nichtraucherschutz geführt hätte, haben wir uns dann sehr schnell entschieden, dass insgesamt klar auch für die Gastronomie zu regeln, so wie es die Mehrheit der Menschen will. Das ist auch Demokratie, dann eben noch eine Änderung zu machen im Sinne von mehr Gesundheitsschutz."
Auch in Niedersachsen soll künftig ein generelles Rauchverbot in Gaststätten gelten. Ausgenommen sind geschlossene und gekennzeichnete Nebenräume, die zudem nicht größer als die Hälfte der Gesamtfläche der Gaststätte sein dürfen. In Diskotheken wurde striktes Rauchverbot verhängt – auch in Nebenräumen. Bei Verstößen drohen Bußgelder - fünf bis 1000 Euro. Für die Höhe des Strafmaßes sind die Kommunen als Ordnungsbehörde zuständig – ebenso für den Vollzug. Stefan Wenzel und die Grünen trauten dem Frieden nicht.
"Wir waren nicht sicher, ob Herr Wulff nur redet oder auch handelt, deswegen haben wir einen eigenen Gesetzentwurf formuliert und bei der letzten Sitzung in den Landtag eingebracht. Die Vorschläge liegen mittlerweile recht nahe bei einander, es gibt noch Unterschiede. Beispielsweise haben wir noch gesagt, auf Kinderspielplätzen ist es auch nicht sinnvoll, dass man dort raucht – auch weil die Kippen oft im Sand landen und die Kinder sie in die Finger kriegen oder in den Mund. Bei dem Strafmaß gibt es Unterschiede. Ich gehe aber davon aus, dass die CDU weitgehend auf unseren Kurs einschwängt. Im Detail bin ich gespannt, wie die Debatten im Ausschuss laufen."
Wer nun glaubte, die Sache mit dem niedersächsischen Nichtraucherschutz habe ein Ende gefunden, sah sich getäuscht. Tags darauf kassierte das Kabinett die strengen Regeln für Diskotheken wieder ein. Man befürchtete eine Klagewelle – zu Recht. Laut Gaststättenrecht sind Diskotheken den Gaststätten schließlich gleichgestellt. Doch wie definiert sich in Diskotheken ein Nebenraum? Darf darin getanzt werden? Dürfen die Bedienungen ihn betreten? Wie groß kann er sein? Nicht größer als die Hälfte der Tanzfläche? Und was ist mit der angeschlossenen Gastronomie? Erfüllt sie als Ganzes bereits die Kriterien eines Nebenraumes und darf somit hier geraucht werden? Oder muss dieser Nebenraum wiederum ein abgeschlossenes Nebenzimmer haben, in das sich die Raucher zum Genuss ihres Tabak-Produkts zurückzuziehen haben? Fragen über Fragen.
Wenzel: "Ja, das war auch ein kleiner Rückzug, den Herr Wulff da wieder gemacht hat. Jetzt hat er sich den Vorwurf eingefangen, wie Wackelwulff unterwegs zu sein. Ich bin gespannt, wie das Ganze zum Ende kommt."
Spieker: "Der niedersächsische Landtag wird sich im Juli dieses Jahres noch vor der Sommerpause in letzter Lesung mit diesem Nichtraucherschutzgesetzentwurf befassen und wir gehen davon aus, dass er dort beschlossen wird, obwohl natürlich das Parlament seine Hoheit hat, die können wir als Regierung nicht angreifen, wollen wir das auch nicht. Dann gehen wir davon aus, dass der umfassende Nichtraucherschutz in Niedersachsen schon im August diesen Jahres in Kraft tritt und damit als einer der ersten Bundesländer Niedersachsen einen neuen, effektiveren Gesundheitsschutz hat."
Übrigens: In Deutschland gab es bereits einmal ein Rauchverbot. In den Schützengräben des 1. Weltkrieges hatten sich kaiserliche Soldaten beim nächtlichen Qualmen durch die Glut ihrer Kippen den feindlichen Scharfschützen als Zielscheibe offenbarten. Seit 1. Februar 2007 herrscht in den deutschen Streitkräften wieder ein umfassendes Rauchverbot - in Wartezonen, Unterrichtsräumen, Speisesälen, Schlafräumen und Dienstfahrzeugen aller Art. Von Schützengräben ist nicht die Rede.
Vor 100 Jahren lag in Deutschland der Zigarettenverbrauch pro Jahr und Kopf bei 150 Stück. Um die Gunst der Kunden warben die deutschen Hersteller mit orientalisch-verlockend klingenden Namen wie "Mazeppa", "Abdulla" oder "Sultan". Die Packungen, meist Blechdosen, aus denen Zigaretten selbstverständlich auch einzeln verkauft wurden, schmückten bunte Bilder aus "Tausendundeiner Nacht" oder waren mit orientalischen Ornamenten verziert, verklärend auf die Herkunft des Tabaks hindeutend. Mitte der 30er Jahre überstieg der Zigaretten-Konsum erstmals die 500-Stück-Marke. Drei Konzerne teilten sich drei Viertel der Produktion: Die Reemtsma-Zigaretten-Fabriken in Hamburg, das Unternehmen Haus Neuerburg und die in Bremen ansässige Brinkmann AG. Während zunächst der kleinblättrige würzige Orienttabak die Zigarettenherstellung dominierte, machten nach dem Zweiten Weltkrieg amerikanische Besatzungskräfte die "American Blend"-Mischung bekannt - und geschmacksbestimmend. Mitte der 50er Jahre dann die erste Filterzigarette. Der durchschnittliche Zigarettenverbrauch pro Einwohner stieg in Deutschland auf das Vierfache des Vorkriegsstandes und erreichte Ende der 70er die heute noch gültige Rekordmarke von 4000 Zigaretten pro statistischen Einwohner - zehn Stangen pro Jahr. Zieht man Nichtraucher, Kleinkinder und Jugendliche ab, verbleiben eineinhalb Schachteln, 30 Zigaretten, die jeder Raucher Tag für Tag raucht.
Zur großen Brinkmann-Marke avancierte die 1955 auf dem Markt eingeführte "LUX", die erste Filterzigarette im neuen, aus den USA importierten 85-mm-King-Size-Format. Anfang der 60er Jahre folgten die ersten nikotinarmen Zigaretten, die "Lord Extra" und die "Peer Export". Die 20er Packung wurde handelsüblich. Die USA war in Sachen Rauchen längst zum Leitbild geworden.
Die katalysierende Wirkung des Tabakgenusses, so verkündete ehedem der Volksmund, beflügelte die Phantasie und spornte den Arbeitseifer an. Die Erinnerungen an Zeiten, in denen geraucht wurde, weil der Genuss von Tabak beruhigte, entspannte, auch der Konzentration förderlich gewesen sein sollte, verblassen. Unwahrscheinlich allerdings, dass der Tabak wieder aus unserer Mitte verschwindet, wie er vor 500 Jahren die Alte Welt eroberte - unverhofft, langsam zunächst, dann mit aller Macht. Alexander von Humboldt hat das Wort:
"Zwei Pflanzen von großer Bedeutung sind von Amerika zu uns herübergekommen, die eine zum Segen, die andere zum Verderben. Die Segenspflanze ist die Kartoffel, die Pflanze des Verderbens das Kräutlein Tabak."
Die Fraktion der Nichtraucher wird größer. Immer mehr Deutsche verabschieden sich vom Glimmstängel – je älter sie werden, um so eher. Und wer noch raucht, raucht weniger. Aber die Tabakindustrie wird es auch weiterhin geben – trotz Nichtraucherschutz, da ist sich Ilona Luttmann von British American Tobacco doch ganz sicher.
"Davon gehe ich aus. Es ist ja auch falsch zu glauben, dass jetzt die Tabakindustrie so unglaublich von Rauchverboten betroffen wäre. Das ist gar nicht der Fall. Der Durchschnittsraucher raucht 17 Zigaretten am Tag, die wird er weiterhin rauchen. Das wissen wir aus anderen Ländern auch. Uns geht es vielmehr darum, dass die Raucher auch eine Daseinsberechtigung haben und dass für sie weiterhin Möglichkeiten geben muss, in der Öffentlichkeit zu rauchen."
Rauchverbote treiben die Menschen auf die Straße. Der Pavillon wäre eine Möglichkeit, gläsern und mit großen Aschenbechern in der Mitte, bestenfalls bestuhlt und beheizt. Was auch immer auf die rauchende Fraktion zukommt: Die lange Genuss-Zigarette wird über kurz oder lang abgelöst durch die flotte Zwischendurch-Zigarette, die das Nikotinbedürfnis schneller befriedigt.
"Ja, ich weiß nicht, habe ich auch mal gelesen. Es hieß der Espresso unter den Zigaretten. Da jeder so seine Marketing-Strategien und macht das, was er so für richtig hält. Das hat im Moment mit dem risikoreduziertem Produkt noch nicht so viel zu tun. Aber klar, jeder versucht sich, bestmöglichst auf die Marktbedingungen einzustellen. Lassen wir uns überraschen!"
"Nach meinem unvollkommenen Gebete trank ich den Rum, in welchen ich den Tobak hatte eingelegt, der nun davon so stark und bitter geworden, dass ich ihn kaum hinunterbekam. Sogleich darauf ging ich zu Bette und fühlte, wie es mir gewaltig in den Kopf flog - doch ich sank in einen tiefen Schlaf und erwachte erst, als es nach der Sonne schon an die drei Uhr nächsten Nachmittags sein musste." (Daniel Defoe: Robinson Crusoe; C.H. Beck, 1997)
Die heilende Wirkung, die dem Tabak nachgesagt wurde, war eine Seite der Medaille. Die andere ist der Genuss, die Sucht, die trockene Trunkenheit.
Guillermo Cabrera Infante, Schriftsteller und Exil-Kubaner, lebt in England. Im April 1996 schrieb er in der spanischen Tageszeitung El Pais eine Huldigung an Rodrigo de Jerez, den Weggefährten Kolumbus und ersten Europäer, der einen Menschen rauchen sah.
"Das Bild rauchender Menschen ließ Rodrigo de Jerez fortan nicht mehr los. Er nahm getrocknete Blätter dieser Pflanze mit nach Spanien. In Jerez, seiner Heimatstadt, schloss sich Rodrigo in das letzte Zimmer am Ende seines Hauses ein. Er blickte von dort auf den Hafen und rauchte. Er rauchte viel, sehr viel; bis eines Tages seine Frau ihn überraschte und zutiefst erschrak. Ihr Mann musste, weil er Rauch ausstieß, wohl einen Pakt mit dem Teufel geschlossen haben. Es roch auch nicht nach Weihrauch, was da aus allen sichtbaren Körperöffnungen ihres Mannes austrat; und allein Gott vermochte zu wissen, aus welchen anderen Körperöffnungen der Rauch noch emporstieg. Die gute Frau tat, was alle guten Frauen in Spanien damals taten. Sie eilte zur Heiligen Inquisition und zeigte ihren Mann an."
(Guillermoo Cabrera Infante: Fumando espero; El Pais, 13. Aptil 1996)
Seither starben viele Menschen am Tabakrauchen. Zu viele, meinten die Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer und kamen im März dieses Jahres überein, dem Rauchen ein Ende zu setzen. Den EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou, der selbst viele Jahre lang drei Päckchen Zigaretten pro Tag geraucht hatte, freute es. Er tendiert in Sachen Nichtraucherschutz zu radikalen Lösungen. Komplettes Rauchverbot in geschlossenen Räumen. Privatwohnungen ausgeschlossen. Wenn er es geschafft hat, mit dem Rauchen aufzuhören, meinte er noch, schafft es jeder.
Aber was tat Christian Wulff? Der niedersächsische Landesvater scherte aus und setzte auf freiheitliche Lösungen und Eigenverantwortung der Gastwirte und Raucher. Ein R für Raucher-Lokale, Kneipen wie Restaurants, sollte reichen, um Familien mit Kindern und andere ängstliche Nichtraucher vor dem Betreten zu warnen und das Vertrauen auf den mündigen Bürger zu stärken. Da mache er den Bock zum Gärtner, schimpfte Wulffs Parteifreund Karl-Heinz Florenz, der für die CDU im Europäischen Parlament die gesundheitspolitische Fahne hochhält. Und Ausnahmeregelungen für Ein-Raum-Kneipen? Im Schwimmbädern sei es ja auch nicht erlaubt, in die eine Beckenhälfte zu pinkeln und in die andere nicht, sagte Florenz.
"Das Ziel des niedersächsischen Kabinetts war es immer, die Menschen vor den Gesundheitsgefahren des Passivrauchens besser zu schützen."
Sagt Thomas Spieker, Sprecher der niedersächsischen Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit.
"Das Thema der Gastronomie war insofern etwas umstritten, als dass Niedersachsen zunächst den Gastwirten eine Möglichkeit einräumen wollte, mit einer R-Kennzeichnung als Rauchergaststätte eine Ausnahme zu bekommen. Wir wollten das evaluieren, haben dann im Zuge der Diskussion schnell gesehen, dass das nicht der Wunsch der Mehrheit der Bürger ist, dass der konsequente Gesundheitsschutz nun auch in jeder Eckkneipe durchgesetzt werden soll, davon haben wir uns leiten lassen im Sinne des Schutzes vor dem Passivrauchen. Niedersachsen wird als eines der ersten Bundesländer ein Nichtraucherschutzgesetz auf den Weg gebracht. Wir bekommen spätestens im August diesen Jahres ein niedersächsisches Nichtraucherschutzgesetz. Damit sind wir an der Spitze. Und deswegen sehen wir das als Erfolg an."
"Über den richtigen Weg für vertretbare Ausnahmen wird zurzeit gerungen", konstatierte die niedersächsische Ministerin, in deren Haus der Gesetzesentwurf entstanden ist und die anfangs für verbindliche Regeln plädierte – auch in Gaststätten. Aber der für Kneipen zuständige Wirtschaftsminister Walter Hirche, FDP, sagte nein. Auch beim Ministerpräsidenten selbst stießen die Pläne auf wenig Verständnis. Stefan Wenzel, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im niedersächsischen Landtag, registrierte es mit oppositioneller Genugtuung.
"Ich hatte den Eindruck, dass die Sozial- und Gesundheitsministerin mehr wollte und der Ministerpräsident ihr einen Maulkorb verpasst hatte und gedacht hatte, dass er sich hier bundesweit profilieren könnte. Er ist dann aber über einige Wochen hinweg mit Mails, Briefen und Anrufen eingedeckt worden, die in einer unglaublichen Intensität deutlich gemacht haben, dass die Bürgerinnen und Bürger mehr Gesundheitsschutz erwarten. Die Zahlen, wenn man sich die Auswirkungen im Gesundheitsbereich anguckt, sprechen schlichtweg für sich."
Zahlen und Fakten sind hinreichend bekannt. Auch der Streit zwischen Rauchern und Nichtrauchern, zwischen denen, die den Tabakgenuss aus nachvollziehbaren Gründen verbieten möchten, und jenen, die sich die Freude an diesem risikobehafteten Produkt nicht trüben lassen möchten. Der Disput ist so alt wie das Rauchen.
Englische Söldnertruppen brachten das Rauchen nach Deutschland. Johann Jakob Christofel von Grimmelshausen vermerkt in seinem fünfbändigen Roman "Simplicissimus", den er 1669 fertig stellte:
"Theils saufen sie Taback, andere fressen ihn, von namentlichen wird er geschnupft, also daß mich wundert, warum sich noch keiner vorgefunden, der ihn auch in die Ohren steckt."
Aus langen Rohren entsteigt schwerer, schwarzer Tabaksduft, füllt den Raum und trübt die Luft. Der kurpfälzische Gesandte Johann Joachim von Rusdorff berichtet, was er in den Niederlanden beobachtete. Man schreibt das Jahr 1627.
"Ich kann nicht umhin, mit einigen Worten jene neue, erstaunliche und vor wenigen Jahren aus Amerika nach unserem Europa eingeführte Mode zu tadeln, welche man eine Sauferei des Nebels nennen kann, die alle alte und neue Trinkleidenschaft übertrifft. Wüste Menschen pflegen nämlich den Rauch von einer Pflanze, die sie Nicotiana oder Tabak nennen, mit unglaublicher Begierde und unauslöschlichem Eifer zu trinken und einzuschlürfen."
(aus: Fernand Braudel: Sozialgeschichte des 15. Bis 18. Jahrhunderts; Kindlerverlag, 1985)
In seiner Beobachtung, was der Genuss von Tabak an Sucht und Begierde auszulösen vermag, war der kurpfälzische Gesandte seiner Zeit weit voraus. Falsch lag er indes in der Annahme, der Tabak wäre erst vor wenigen Jahren nach Europa gekommen. Hartmut Roder ist Historiker im Bremer Übersee-Museum. Wer wie er den Weg zurückverfolgt, den der Tabak in die Alte Welt nahm, stößt zu guter Letzt auf den Namen eines Pioniers, der die Erde umsegeln wollte und die Bahamas mit Indien verwechselte.
"Columbus war der erste, der in seinem Bordbuch bereits 1492 dann schrieb, dass er Indianer gesehen hat, das war auf den Bahamas, nicht auf Tobacco, ein Ort, der dann sinnigerweise den Namen bekommen hat, Indianer gesehen hätte, die die Sitte des Tabaktrinkens beherrschen würden. Das hatte ihn sehr überrascht. Das hat er extra vermerkt. Nichtsdestotrotz haben dann seine Seeleute diese Sitte gleich mal ausprobiert und brachten sie dann schlichterwegs nach Europa. Und am spanischen wie also auch in Besonderheit am portugiesischen Hof wurde diese Sitte als erstes ausprobiert."
Der Leibarzt Philipps II., Francesco Hernandez, versuchte aufgrund seiner Beobachtungen der indianischen Heilmethoden, den Tabak als Medizin zur Linderung der Beschwerden bei offenen Wunden, Brustkrankheiten und Kopfschmerzen in Spanien einzuführen. Bereits 1516 empfahl Jean Nicot de Villemain in Frankreich den Tabak in pulverisierter Form als Mittel gegen Kopfschmerzen. Der Tabak entwickelte sich im 16. Jahrhundert zum Allheilmittel gegen eine Fülle von Krankheiten und eroberte sich einen festen Platz in den zahlreichen Kräuterbüchern des 16. und 17. Jahrhunderts. Als "Wunder-confect", als "fürnembstes Artzney-Kräutlein" und als "heiliges Wund- und Tobackskraut" wurde das "Amerikanische Silberkraut" in ganz Europa bekannt. Nach Jean Nicot benannt, setzte sich um 1580 die lateinische Bezeichnung "Nicotiana" für die Pflanze durch.
Wie bizarr für die Europäer des 16. und auch noch des 17. Jahrhunderts das Rauchen indes gewesen sein musste, erzählt die Anekdote vom "brennenden" Sir Walter Raleigh: Ein Diener Raleighs soll, als er seinen Herrn rauchen sah, gefolgert haben, wo Rauch sei, da sei auch Feuer, der Herr brenne also inwärts. Mit einem kräftigen Guss Wasser aus einem bereitstehenden Kübel "löschte" er den vermeintlichen Brand. Nicht überliefert ist, ob der so aufmerksame wie unerschrockene Mann noch weiterhin das Vertrauen seines Herrn genoss.
Heutzutage, da vieles erlaubt und wenig verboten ist, darf jeder für sich entscheiden, wie er sich zugrunde richtet. Er mag hierzu in ein Auto steigen, eine Zigarette anzünden, zu einem Glas Wein greifen, Kokain schnupfen oder Heroin spritzen. Tabak, da führt kein Weg vorbei, ist Droge und Nikotin ein Stoff, der süchtig macht. Die meisten Menschen in Deutschland wie auch in anderen Ländern wünschen sich rauchfreie Gaststätten, Büros, Bahnhöfe, Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen, Museen, Behörden. Der Mehrheit muss sich in einer Demokratie jeder beugen. Auch die Tabakindustrie.
"Also, wir halten die Diskussion für wichtig und richtig. Wir sind auch der Auffassung, dass es bestimmte Bereiche gibt, in denen nicht geraucht werden sollte. Klar ist, dass es Nichtraucher gibt, die dem sogenannten Passiv-Rauch nicht ausgesetzt sein wollen, aber hierfür gibt es Lösungsmöglichkeiten."
Ilona Luttmann, Leiterin für Gesellschafts- und Verbraucherpolitik der deutschen Niederlassung von British American Tobacco in Hamburg.
"Wenn man bei der Gastronomie bleibt; in Spanien gibt es ein Rauchverbot, wobei sich kleinere Lokalitäten bis zu 100 qm aussuchen können, ob da geraucht werden darf oder nicht. Die deklarieren das dann. Und dann hat ja jeder die Wahl, bevor er ein Lokal betritt, sich dem Rauch auszusetzen oder nicht auszusetzen. Warum soll man eigentlich den Menschen immer alles vorschreiben. Ich finde, auch Freundeskreise setzen sich nicht immer aus Rauchern oder Nichtrauchern zusammen. Da kann man sich dann den einen Abend überlegen, gehe ich hierhin oder dorthin. Das wäre so eine Lösungsmöglichkeit. Belgien differenziert es ganz anders, danach ob zu einem Drittel Speisen angeboten werden, dann darf man sich überlegen, ob man ein Raucherlokal sein will oder nicht. Und die bloße Speisegastronomie ist vom Raucherverbot betroffen. Es gibt viele Möglichkeiten. Eine, die sich noch nicht ganz durchgesetzt hat, ist das Thema Luftqualität. Wenn man mal von dem Standpunkt ausgeht, dass jemand nicht den Raucher in die Ecke stecken möchte, sondern dass der Rauch stört und aus unterschiedlichen Gründen die Menschen dem Rauch ausgesetzt werden wollen, dass man dann einen ganz anderen Ansatz findet und über die Luftqualität das Ganze steuert. Was beispielsweise da passiert, dass ein Luftaustausch vorgenommen wird durch eine automatische Steuerung, so dass je nach anwesenden Personen ein Luftaustausch von 16 Liter pro Sekunde stattfindet. Da kann man sich vorstellen, dass die Luftqualität erheblich verbessert wird, dass die Kleider nicht mehr riechen und auch Nichtraucher gerne hineingehen und das Problem von der anderen Seite angegriffen wird."
Die Ausnahmeregelung des Landeskabinetts aus Hannover wäre da ganz im Sinne der Tabakindustrie gewesen. 2500 Euro hatte der Verband der Zigarettenindustrie für das Sommerfest der niedersächsischen Landesvertretung in Berlin 2006 beigesteuert und wollte dies auch in diesem Sommer tun. Wulf lehnte diesmal ab, bestätigt Thomas Spieker, Sprecher der Gesundheits- und Sozialministerin im Kabinett des Ministerpräsidenten.
"Die Diskussion, die in den letzten Monaten von der Seiten gerade der Landtagsopposition geführt wurde, war absurd. Niemand kann ernsthaft annehmen, dass eine Landesregierung durch niedrige Sponsorenbeträge sich in ihrer Entscheidungsfindung beeinflussen lässt. Und deshalb war das ein politisches Geklinge, was mit der Entscheidung für mehr Gesundheitsschutz nichts zu tun hatte."
"Sie sind zurückhaltender geworden und haben die neusten Spenden für das nächste Sommerfest ausgeschlagen."
Den Vorwurf der Bestechlichkeit zu erheben, ist selbst für Oppositionspolitiker Stefan Wenzel überzogen. Zumal die Vorgängerregierungen, auch unter Beteiligung der Grünen, es gleichermaßen handhabten.
"Wir haben es uns in Teilen auch nicht leicht damit getan. Wir haben auch intern sehr intensive Diskussionen geführt. Auch bei uns gibt es selbstverständlich Raucher wie in allen Teilen der Bevölkerung. Aber am Ende hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, wir müssen den Nichtraucherschutz sehr viel ernster nehmen. Die Zahl der Herzinfarkte etwa geht ganz deutlich zurück, wenn das Rauchen in öffentlichen Räumen eingeschränkt wird. Dass muss man ernst nehmen angesichts der erhebliche Todesraten durch Tabak und Rauchen."
Unser Leben steckt voller Tücken und Gefahren. Wer etwa aus einer demnächst nikotinbefreiten Gaststätte tritt, prallt unversehens und völlig schutzlos auf eine kohlendioxidgeschwängerte Abgas-Front. Totales Fahrverbot in den Städten? Mit Ausnahme der eigenen Garagen- und Hofeinfahrt? Dafür auf Autobahnen und Landstraßen? Und was ist mit dem Kerosin? Wer denkt an die Heizkraftwerke, die Müllverbrennungsanlagen und an all die anderen Errungenschaften unseres zivilisatorischen Fortschritts, die unsere Luft verpesten und unsere Gesundheit ruinieren?
Tabak: Nur wenige Dinge beflügelten die Phantasie der Menschheit stärker als Tabak. Tabak begleitet so gut wie jede Gemütslage, galt als Allheilmittel und Luxusartikel, als emanzipatorischer Transmitter, ist Massenware und wurde Risikofaktor. Allein des Preises wegen waren die braunen Blätter zum Statussymbol der Reichen und Adeligen avanciert. Wer den Qualm des Tabaks in sich hineinsog, bewies Exklusivität, fühlte sich mondän, gab sich exotisch und modern. Seit jener Zeit, sagt der Historiker Hartmut Roder, besaß der Tabak alle Insignien eines klassischen Kolonialprodukts. Bis die einsetzende Industrialisierung den Rauchgenuss zum allgegenwärtigen Laster degradierte.
"Als weitere Stufe in der Entwicklung kommt dann das Zigarrenrauchen im 19. Jahrhundert auf. Es galt anfangs auch als modisch und schick. Es galt nicht wie heute als behäbig und konservativ, quasi als Symbol kapitalistischer Gesetztheit. Sondern die 48er rauchten auf der Straße Zigarren. Und als die Industriegeschichte immer weitere Fortschritte machte und es alles immer schneller gehen musste, da kam dann die Zigarette auf. Die Zigarette ist im Grunde genommen das Phänomen der Moderne. Sie ist gebrauchsfertig, sie ist leicht, sie ist kurz, in siebeneinhalb Minuten ist das Ding heruntergeraucht. Im Einzelnen ist es ein Beschleunigungsprozess, der parallel zur Industrialisierungsgeschichte verläuft."
"Rauchen schadet der Gesundheit. Rauchen schadet dem Regenwald. Große Flächen fallen in den Tropenländern dem Tabakanbau zum Opfer. Zum einen wird Wald für Tabakfelder gerodet; oft schon nach zwei Jahren ist der Boden ausgelaugt und das nächste Stück wird gefällt. Zum anderen kostet die Trocknung und Fermentierung des Tabaks noch weit mehr Holz. Um braun und aromatisch zu werden, müssen Tabakblätter bei 70 Grad Celsius geröstet werden. In den Industriestaaten werden hierfür Öl- oder Gasfeuerungen benutzt. In der Dritten Welt ist Holz die wichtigste Energiequelle. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat errechnet, dass ein Urwaldbaum gerade einmal zur Herstellung von 300 Zigaretten reicht. Weltweit sind es, so die WHO, 82,5 Millionen Kubikmeter Holz, die in der Zigarettenproduktion verfeuert werden - 50 mal mehr als Deutschland an Tropenholz importiert. Die Raucher schädigen nicht nur ihre eigene Gesundheit."
(aus: Ekkehard Launer: Tabak; Lamuv-Verlag, 1995)
Zurück nach Niedersachsen. Böse Zungen könnten behaupten, die Regierung sei eingeknickt, als sie am 17. April verkündete, auf die Linie des Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz vom März 2007 einzuschwenken. Am Ende ging alles ganz schnell, erzählt Thomas Spieker, der Ministerin-Sprecher. Nach kurzer Diskussion segnete die CDU-Fraktion die Kehrtwende ihres Ministerpräsidenten ab. Die Schuldigen waren schnell ausgemacht.
"Es war ja ein Versuch, eben auch den Gastwirten diese Eigenverantwortung, diese Freiheit zu überlassen. Es hat sich dann aber gezeigt, dass die Eigenverantwortung scheinbar nicht zum Ziel führt, weil dann plötzlich nicht mehr zehn Prozent der Betriebe noch Rauchergaststätten geblieben wären, sondern 40 oder 50 Prozent. Weil wir dann davon enttäuscht waren, davon, dass diese Eigenverantwortung der Gastronomie vielleicht doch nicht zum Ziel von mehr Nichtraucherschutz geführt hätte, haben wir uns dann sehr schnell entschieden, dass insgesamt klar auch für die Gastronomie zu regeln, so wie es die Mehrheit der Menschen will. Das ist auch Demokratie, dann eben noch eine Änderung zu machen im Sinne von mehr Gesundheitsschutz."
Auch in Niedersachsen soll künftig ein generelles Rauchverbot in Gaststätten gelten. Ausgenommen sind geschlossene und gekennzeichnete Nebenräume, die zudem nicht größer als die Hälfte der Gesamtfläche der Gaststätte sein dürfen. In Diskotheken wurde striktes Rauchverbot verhängt – auch in Nebenräumen. Bei Verstößen drohen Bußgelder - fünf bis 1000 Euro. Für die Höhe des Strafmaßes sind die Kommunen als Ordnungsbehörde zuständig – ebenso für den Vollzug. Stefan Wenzel und die Grünen trauten dem Frieden nicht.
"Wir waren nicht sicher, ob Herr Wulff nur redet oder auch handelt, deswegen haben wir einen eigenen Gesetzentwurf formuliert und bei der letzten Sitzung in den Landtag eingebracht. Die Vorschläge liegen mittlerweile recht nahe bei einander, es gibt noch Unterschiede. Beispielsweise haben wir noch gesagt, auf Kinderspielplätzen ist es auch nicht sinnvoll, dass man dort raucht – auch weil die Kippen oft im Sand landen und die Kinder sie in die Finger kriegen oder in den Mund. Bei dem Strafmaß gibt es Unterschiede. Ich gehe aber davon aus, dass die CDU weitgehend auf unseren Kurs einschwängt. Im Detail bin ich gespannt, wie die Debatten im Ausschuss laufen."
Wer nun glaubte, die Sache mit dem niedersächsischen Nichtraucherschutz habe ein Ende gefunden, sah sich getäuscht. Tags darauf kassierte das Kabinett die strengen Regeln für Diskotheken wieder ein. Man befürchtete eine Klagewelle – zu Recht. Laut Gaststättenrecht sind Diskotheken den Gaststätten schließlich gleichgestellt. Doch wie definiert sich in Diskotheken ein Nebenraum? Darf darin getanzt werden? Dürfen die Bedienungen ihn betreten? Wie groß kann er sein? Nicht größer als die Hälfte der Tanzfläche? Und was ist mit der angeschlossenen Gastronomie? Erfüllt sie als Ganzes bereits die Kriterien eines Nebenraumes und darf somit hier geraucht werden? Oder muss dieser Nebenraum wiederum ein abgeschlossenes Nebenzimmer haben, in das sich die Raucher zum Genuss ihres Tabak-Produkts zurückzuziehen haben? Fragen über Fragen.
Wenzel: "Ja, das war auch ein kleiner Rückzug, den Herr Wulff da wieder gemacht hat. Jetzt hat er sich den Vorwurf eingefangen, wie Wackelwulff unterwegs zu sein. Ich bin gespannt, wie das Ganze zum Ende kommt."
Spieker: "Der niedersächsische Landtag wird sich im Juli dieses Jahres noch vor der Sommerpause in letzter Lesung mit diesem Nichtraucherschutzgesetzentwurf befassen und wir gehen davon aus, dass er dort beschlossen wird, obwohl natürlich das Parlament seine Hoheit hat, die können wir als Regierung nicht angreifen, wollen wir das auch nicht. Dann gehen wir davon aus, dass der umfassende Nichtraucherschutz in Niedersachsen schon im August diesen Jahres in Kraft tritt und damit als einer der ersten Bundesländer Niedersachsen einen neuen, effektiveren Gesundheitsschutz hat."
Übrigens: In Deutschland gab es bereits einmal ein Rauchverbot. In den Schützengräben des 1. Weltkrieges hatten sich kaiserliche Soldaten beim nächtlichen Qualmen durch die Glut ihrer Kippen den feindlichen Scharfschützen als Zielscheibe offenbarten. Seit 1. Februar 2007 herrscht in den deutschen Streitkräften wieder ein umfassendes Rauchverbot - in Wartezonen, Unterrichtsräumen, Speisesälen, Schlafräumen und Dienstfahrzeugen aller Art. Von Schützengräben ist nicht die Rede.
Vor 100 Jahren lag in Deutschland der Zigarettenverbrauch pro Jahr und Kopf bei 150 Stück. Um die Gunst der Kunden warben die deutschen Hersteller mit orientalisch-verlockend klingenden Namen wie "Mazeppa", "Abdulla" oder "Sultan". Die Packungen, meist Blechdosen, aus denen Zigaretten selbstverständlich auch einzeln verkauft wurden, schmückten bunte Bilder aus "Tausendundeiner Nacht" oder waren mit orientalischen Ornamenten verziert, verklärend auf die Herkunft des Tabaks hindeutend. Mitte der 30er Jahre überstieg der Zigaretten-Konsum erstmals die 500-Stück-Marke. Drei Konzerne teilten sich drei Viertel der Produktion: Die Reemtsma-Zigaretten-Fabriken in Hamburg, das Unternehmen Haus Neuerburg und die in Bremen ansässige Brinkmann AG. Während zunächst der kleinblättrige würzige Orienttabak die Zigarettenherstellung dominierte, machten nach dem Zweiten Weltkrieg amerikanische Besatzungskräfte die "American Blend"-Mischung bekannt - und geschmacksbestimmend. Mitte der 50er Jahre dann die erste Filterzigarette. Der durchschnittliche Zigarettenverbrauch pro Einwohner stieg in Deutschland auf das Vierfache des Vorkriegsstandes und erreichte Ende der 70er die heute noch gültige Rekordmarke von 4000 Zigaretten pro statistischen Einwohner - zehn Stangen pro Jahr. Zieht man Nichtraucher, Kleinkinder und Jugendliche ab, verbleiben eineinhalb Schachteln, 30 Zigaretten, die jeder Raucher Tag für Tag raucht.
Zur großen Brinkmann-Marke avancierte die 1955 auf dem Markt eingeführte "LUX", die erste Filterzigarette im neuen, aus den USA importierten 85-mm-King-Size-Format. Anfang der 60er Jahre folgten die ersten nikotinarmen Zigaretten, die "Lord Extra" und die "Peer Export". Die 20er Packung wurde handelsüblich. Die USA war in Sachen Rauchen längst zum Leitbild geworden.
Die katalysierende Wirkung des Tabakgenusses, so verkündete ehedem der Volksmund, beflügelte die Phantasie und spornte den Arbeitseifer an. Die Erinnerungen an Zeiten, in denen geraucht wurde, weil der Genuss von Tabak beruhigte, entspannte, auch der Konzentration förderlich gewesen sein sollte, verblassen. Unwahrscheinlich allerdings, dass der Tabak wieder aus unserer Mitte verschwindet, wie er vor 500 Jahren die Alte Welt eroberte - unverhofft, langsam zunächst, dann mit aller Macht. Alexander von Humboldt hat das Wort:
"Zwei Pflanzen von großer Bedeutung sind von Amerika zu uns herübergekommen, die eine zum Segen, die andere zum Verderben. Die Segenspflanze ist die Kartoffel, die Pflanze des Verderbens das Kräutlein Tabak."
Die Fraktion der Nichtraucher wird größer. Immer mehr Deutsche verabschieden sich vom Glimmstängel – je älter sie werden, um so eher. Und wer noch raucht, raucht weniger. Aber die Tabakindustrie wird es auch weiterhin geben – trotz Nichtraucherschutz, da ist sich Ilona Luttmann von British American Tobacco doch ganz sicher.
"Davon gehe ich aus. Es ist ja auch falsch zu glauben, dass jetzt die Tabakindustrie so unglaublich von Rauchverboten betroffen wäre. Das ist gar nicht der Fall. Der Durchschnittsraucher raucht 17 Zigaretten am Tag, die wird er weiterhin rauchen. Das wissen wir aus anderen Ländern auch. Uns geht es vielmehr darum, dass die Raucher auch eine Daseinsberechtigung haben und dass für sie weiterhin Möglichkeiten geben muss, in der Öffentlichkeit zu rauchen."
Rauchverbote treiben die Menschen auf die Straße. Der Pavillon wäre eine Möglichkeit, gläsern und mit großen Aschenbechern in der Mitte, bestenfalls bestuhlt und beheizt. Was auch immer auf die rauchende Fraktion zukommt: Die lange Genuss-Zigarette wird über kurz oder lang abgelöst durch die flotte Zwischendurch-Zigarette, die das Nikotinbedürfnis schneller befriedigt.
"Ja, ich weiß nicht, habe ich auch mal gelesen. Es hieß der Espresso unter den Zigaretten. Da jeder so seine Marketing-Strategien und macht das, was er so für richtig hält. Das hat im Moment mit dem risikoreduziertem Produkt noch nicht so viel zu tun. Aber klar, jeder versucht sich, bestmöglichst auf die Marktbedingungen einzustellen. Lassen wir uns überraschen!"